Freitag, 1. August 2014

Ausprobiert: F 700 GS

Um zwanzig nach acht mache ich das Garagentor auf. Gesa steht artig da und wartet schon auf mich. Heute ist Einfahrkontrolle. Also die Tausender Inspektion. Nach genau drei Wochen steht der Kilometerzähler schon bei etwas über tausendeinhundert.
Die beiden Schrauben für den Tankrucksack habe ich bereits gestern Abend wieder gegen die originalen ausgetauscht. Touratech hat da unverständlicherweise Innensechskantschrauben mitgeliefert und nicht Torx, aus denen die Maschine ansonsten besteht.
Heute fahre ich nicht den sonstigen Weg in Richtung Klein Winternheim, sondern anders rum, denn ich will ja nach Schierstein und wegen der Uhrzeit wird es besser sein, auf möglichst direktem Weg dort hin zu fahren. Ich möchte auch noch tanken, denn es ist ziemlich Ebbe in Gesas Voratsbehälter. Montag hatte ich schließlich nur noch zugesehen nach Hause zu kommen, denn es fing wieder an zu regnen als ich auf dem Nach Hause Weg war.
Am Ober Olmer Forsthaus (wo Goethe auch mal übernachtet haben soll) biege ich ab und rolle durch den Wald in Richtung Drais. Am Morgen ist es immer recht unerfreulich zu fahren. Es sind zu viele Leute unterwegs, bei denen man das Gefühl hat, sie würden sich jedes Mal bei ihrem Auto entschuldigen, wenn sie aufs Gaspedal treten. So habe ich auch hier schon die ganze Zeit jemanden vor mir, der nicht vom Fleck kommt. An dem ich aber auch dummerweise nicht vorbei komme. Also folge ich ihm bis nach Gonsenheim hinunter und dann in Richtung Autobahn. Aber der Mensch ist hartnäckig, der fährt wie ich geradeaus weiter. Ich vermiese ihm das Spiel und setze an der Aral Tankstelle unvermittelt den Blinker und scheide aus. Damit hat er nicht gerechnet! Zum Bremsen ist es für ihn zu spät, er muss weiterfahren. Ohne mich im Rückspiegel.
Nach dem Tanken fahre ich über die Schiersteiner Brücke, was eigentlich um die Uhrzeit ein besonderes Abenteuer ist, aber ich komme erstaunlich gut durch.
Bei Tullius nimmt man Gesa gebührend in Empfang und sucht mir ein Ersatzfahrzeug. Eine F 700 GS ist frei heute und die nehme ich.
                Ich drehe am Gasgriff und fahre los. Fährt sich wie ein Fahrrad.
Der erste Eindruck ist: Alles wie gehabt. Das ist eine Mischung aus meiner 800 GS und der F650GS aus der Fahrschule. Mit der hat sie den Motor gemein, allerdings ein paar PS mehr, es sind hier 75 PS zu 71 bei der 650er. Sie hat eine Doppelscheibenbremse vorne erhalten und die Maschine, die ich hier zum Fahren bekommen habe, hat offenbar kein Reifendruckerkennungssystem. Als ich dem Motor starte, bin ich abermals erstaunt, man hört sie kaum. Das war bei der 650er anders. Auch Gesa hat soundmäßig mehr drauf.
Ich drehe am Gasgriff und fahre los. Auf Anhieb ist alles gewohnt, sie fährt sich wie ein Fahrrad.
Zunächst geht es am Rhein entlang durch Biebrich und dann über die Theodor Heuss Brücke nach Mainz hinein. Ich fahre in Richtung Mombach, denn ich möchte bei Würth vorbeischauen, ob die Torxschrauben haben, oder zumindest jemanden wissen, der welche hat.
Nein, haben sie nicht, und wirklich weiter wissen sie auch nicht. So recht verstanden habe ich mich auch nicht gefühlt - aber geschenkt. Ich fahre am Mombacher Kreisel auf die Autobahn, was stets ein sportlicher Akt ist, denn die Einfädelspur ist lächerlich kurz und eine Mauer verhindert das Vorhandensein eines Seitenstreifens. In Finthen fahre ich wieder ab und weiter über Drais nach Hause. Dort wird erst mal gefrühstückt.

Nach dem Frühstück schaue ich mich etwas am Motorrad um und kann auch dabei keine Überraschungen feststellen. Vom Ausstattungslevel entspricht sie in etwa Gesa, das heißt, sie hat auch die elektrisch verstellbare Dämpfung und die Kofferhalter, sowie die Griffheizung. Die Sitzbank dürfte die niedrige Variante sein, denn ich sitze mit den Knien etwas abgeknickter. Dafür fehlen ihr die Gummis auf den Fußrasten. Beim Schalten stelle ich fest, daß mir dies nicht taugt, ich bleibe immer wieder mit dem Schuh auf der Raste hängen. Da kann man sich sicher dran gewöhnen, indem man den Fuß mehr anhebt zum Schalten und Bremsen, aber bei mir hinterläßt es erst mal ein unsichereres Gefühl.

noch in der alten Farbe: F 700 GS

am Cockpit erwartungsgemäß keine Überraschungen
Da ich einen Termin in der Stadt habe, fahre ich gegen Mittag wieder los. Diesmal geht es von Nieder Olm aus in Richtung Ebersheim. Die Strasse geht recht steil nach oben und der starke Regen der vergangen Tage hat Schotter und dergleichen auf die Strasse in der Steigung gespült. Also heißt es Vorsicht. Hier möchte ich jetzt nicht mit dem Motorrad runterfahren müssen und schon gar nicht bei Nacht.
Beim Gas geben fällt mir etwas unangenehmes auf. Der Gaszug hat ziemlich viel Spiel. Ich bin bei Gesa ein fast spielloses, direktes Ansprechen gewöhnt und so verunsichert mich das etwas, denn es erschwert das Fahren gerade dann, wenn man vorsichtig dosieren muss. Das wird aber eine individuelle Sache sein.
Ansonsten vertieft sich wieder der Eindruck, daß sie wie ein Fahrrad sich fährt. Ich biege in Richtung Gau Bischofsheim ab und schlängele mich durch den Ort in Richtung Bodenheim. Am Ortsausgangsschild ziehe ich den Gasgriff weit zu mir und die Maschine dreht mächtig auf. Daß da zehn PS fehlen merke ich nicht. Ich habe eher den Eindruck, daß sie flotter als die 800er ist. An den fünf Kilo weniger kann es nicht liegen, vielleicht aber an der niedrigeren Sitzposition, daß es mir dadurch so erscheinen mag.
Als ich später, bevor ich sie zurückgebe, in Schierstein an der Tanke stehe, zeigt sich auch, daß sie vom Durst her praktisch identisch mit meiner ist.
Mein Fazit ist, die F700GS ist ein prima Motorrad, allerdings für kleine Leute. Mir war sie zu klein, da bin ich durch Gesa schon verwöhnt. Daß sie so leise ist, gefällt mir gut, ich - und auch die darauf angesprochenen Fachleute - können sich allerdings keinen echten Reim darauf machen, wieso das so ist.
Ich hatte den Eindruck, daß sie sich tatsächlich noch mal anders fährt als die F650GS (Twin). Die Bremse mit den zwei Scheiben vorne ist auf jeden Fall ein Gewinn. Wer nicht zu groß ist und ein gutes und noch recht günstiges Motorrad sucht, ist mit ihr sicher gut beraten.

Als ich meine Gesa wiederhabe bin ich reichlich froh. Ich habe mir auf jeden Fall das richtige Motorrad ausgesucht. Später bin ich mit ihr noch bei meinem donnerstäglichen Kollegenstammtisch und dort wird sie ordentlich bestaunt.
Auf dem Nach Hause Weg muss ich allerdings im Dunkeln fahren. Das ist etwas unangenehm, denn jetzt zur Erntezeit wird bis spät in die Nacht das Getreide gemäht. Und somit können auch vermehrt aufgeschreckte Tiere auf der Strasse rumlaufen. Und auf ein Reh auf meinem Schoß - da habe ich so gar keine Lust drauf...


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