Donnerstag, 30. Juli 2015

Zeitenreise 2015 - Tag 1 Kurs Nordost!

 +++25.05.2015+++

Um vier Minuten nach zehn hatte ich das Garagentor zugemacht und das Visier heruntergeklappt. Kein Zurück mehr!
Jetzt bin ich in der Nähe von Oberursel und die Straße ist nass. Ich fahre dem Regen hinterher. Hier im Taunus, in der Nähe des Feldberges, muss man mit sowas häufiger rechnen.
Durch Mainz war ich wunderbar einfach gekommen, kein Mensch auf der Straße heute am Pfingstmontagmorgen. Ich war durch Kostheim gefahren und ganze 700m Autobahn um Hochheim herum. Am Taunusrand begann dann das bislang unauffällige Wetter sich zu verschlechtern.
In Hofheim hatte ich mich einmal kurz verfahren und im Gewirr von Baustellen und Einbahnstraßen verfangen, aber mich in letzter Sekunde noch befreien können.
Oberursel wirkt wie ausgestorben. Wie am "Day After" sozusagen. Eine schmucklose Stadt, die kaum zum Halten einlädt. Zwei, drei Motorradler habe ich bisher heute gesehen, einer hat mich von Königstein ab ein Stück begleitet, hat mich und die Leute vor mir überholt und sich dann zurückfallen gelassen und ist dann abgebogen, nur um dann wieder von hinten zu kommen und alles aufzurollen.
Es ist mein erster Urlaubstag! Heyhey! Mach Dich locker Mädel! Ich habe schon seit Jahren keinen längeren Urlaub mehr gehabt! Höchstens ein paar Tage, oder ein verlängertes Wochenende! Paarundzwanzig Arbeitstage Urlaub im Jahr - Fremdwort! Jetzt habe ich zwei lange Wochen vor mir. Motorradfahren, Zelten, Fleisch grillen - ein echter Mädelsurlaub halt.
Hinter Oberursel weicht die Straße etwas von der Strecke ab, die ich mir auf der Karte herausgesucht habe. Es gibt eine neue Umgehungsstraße, die entlang der Autobahn führt. Im Straßengraben entdecke ich eine Frau, die mit Hingabe Pflanzen an der Böschung fotografiert. Romantisches Fleckchen denke ich mir.
Vorbei an Rosbach, rechts liegt die Deutschlandzentrale von Triumph Motorcylcles. Darauf werden wir noch mal gesondert zu Sprechen kommen.
Nur noch ein paar Kilometer durch die Wetterau und ich bin in Friedberg. Auch hier ist die Stadt noch sehr ruhig, einzig an einer Bushaltestelle steht ein älterer Herr mit zwei kleinen Kindern. Ich lege einen kurzen Halt ein, um eine ungünstig auf dem Visier gelandete Fliege zu entfernen.
Hier in der Innenstadt ist die Straße trocken, aber ein paar hundert Meter weiter schon wieder nass. Es tröpfelt auch ein klein wenig. Aber harmlos. Ich hoffe trotzdem, daß das endlich mal aufhört. Als ich meine Planung für den Urlaub gemacht habe, das war im letzten Jahr, da hatte ich mir immer was mit Sonne vorgestellt. Das Bild der Realität weicht davon nun etwas ab. Grau, Niesel, 16°.
Ich fahre erst mal in Richtung Wölfersheim und biege dann ab, in Richtung Reichelsheim. Ich komme nicht weit, im nächsten Dorf entdecke ich am Straßenrand Schienenfahrzeuge.
In Weckesheim befindet sich neben der Landstraße ein kleines Freiluftmuseum zur Geschichte des Braunkohlentagebaues in der Wetterau. Es finden sich dort eine elektrische Lokomotive mit einem Selbstentladewagen, sowie mehrere Hunte und ein paar Schaufeln eines Baggers.
Braunkohlentagebau in der Wetterau? Davon hatte ich vorher noch nie gehört! Das werde ich mir bei Gelegenheit noch mal genauer ansehen müssen. Jetzt muss ich weiter, mein Weg ist noch lang. Aber Bergbau wird ihn begleiten, soviel kann ich jetzt schon sagen.
Hinter Reichelsheim fahre ich eine rechts - links Kombination und komme ein paar Kilometer weiter mit fragendem Gesicht schon wieder zum Stehen.
Blofeld?? War das nicht dieser Bösewicht aus den Bondfilmen?? Oh noo!! Bloß weg hier! Ich lasse mich nicht beirren und ziehe ordentlich am Kabel. Gesa und ich werden dem nicht in die Hände fallen!
 Ein paar Kilometer weiter umgibt mich auf einmal so etwas wie Rennatmosphäre. Plakate weisen auf kommende Veranstaltungen hin, hier und da Relikte des sportlichen Fahrens am Wegesrand. Ich bin am Schottenring! Jener legendären Rennstrecke im Vogelsberg. Nur noch selten finden auf ihr tatsächlich Rennen statt. Ich bin tief beeindruckt von der würdigen Ausstrahlung des Ortes und fahre spontan persönliche Bestzeit auf der Halbdistanz.
In meiner Euphorie brumme ich in Hörgenau an meiner Abfahrt vorbei, bemerke aber nach ein paar Metern meinen Fehler und drehe um. Das selbe passiert mir kurze Zeit drauf noch mal, als ich von Obstbaumbestandenen Hängen so angetan bin, daß ich die Straße nach Wartenberg verpasse und erst in den Ausläufern von Lauterbach Gelegenheit zum Wenden finde.
Ich hatte mir bei meiner Planung zwar vorgestellt, ich würde in Bad Salzschlirf einen Kaffee schlirfen können, aber die Stadt macht einen abweisenden Eindruck und so fahre ich, nur aufgehalten von einer Kreuzung an der ich abbiegen muss und an der sich just in dem Moment das komplette Verkehrsaufgebot dieses Pfingstmontages sammelt, einfach schnöde durch. Dafür mache ich in Niederstoll einen spontanen kurzen Halt, als ich dieses niedliche Ensemble erblicke.
Ländliche Idylle
Als ich wenig später durch Schlitz fahre, sehe ich eine ziemlich große Burg auf der Erhebung der Stadt. Türme, alte Häuser... Haaalt! Hier biege ich ab! Ich setze den Blinker links und komme nach ein paar Kurven in die Altsadt. Ich stelle Gesa ab und nehme meine Kamera mit auf Entdeckungstour.
Durch den großen, hellen Leuchtrahmensucher meiner M6 nimmt sich das ganze noch viel heimeliger aus.

 

 
Wie ich dann noch zu guter Letzt eine öffentliche Toilette finde, ist mein Glück kaum noch in Worte zu fassen. Als ich wieder heraus komme, hat die Rentnergruppe, die auf dem Platz herumsteht, wo ich Gesa geparkt habe, auch dieses stille Örtchen entdeckt und nun drängen sie alle in die Kabinen. Gut, daß ich fertig bin und mich nun aus dem Staub mache.
Auf dem Weg aus der Stadt kommt mir eine BMW Gruppe in der Kurve entgegen. Es sind bislang heute auffallend wenige Motorräder unterwegs. Ich biege links ab und folge weiter meiner Strecke. 
Jetzt wäre nur noch eine Tankstelle toll, aber am Ortsausgang, wo die Dinger üblicherweise sind, ist keine zu finden. Als ich hinter der Autobahn dann eine Shelltankstelle sehe, nutze ich die Gelegenheit. 
In Hünfeld begegnet mir am Ortsschild der Name Konrad Zuse. Auch so etwas, das mir auf dieser Reise noch mal über den Weg laufen wird. Hier in Hünfeld liegt er begraben, der Erfinder des ersten funktionsfähigen Computers. 
Hinter Hünfeld tauchen erste Kalihalden am Horizont auf. Nun ist es nicht mehr weit.
Nach ein paar Metern überfahre ich die Grenze zwischen Hessen und Thüringen. Das werde ich heute noch ein paar Mal tun, aber hier also zum ersten Mal.
Es ist für mich immer wieder etwas Besonderes, in diesen Teil Deutschlands zu reisen. Eigentlich sollte es ja heute nichts außergewöhliches mehr sein, aber die Deutsch - Deutsche Teilung hat bis heute ihre Nachwirkungen. Auch wenn das alles schon über ein Vierteljahrhundert her ist. Ich beobachte bei vielen Leuten meiner Generation immer noch, daß das Thema DDR für sie noch nicht abgeschlossen ist. Viele waren auch bis heute noch nicht "drüben" gewesen, obwohl es nun ja ganz einfach ist. Man muss keinen Pass mehr zeigen, kein Visum haben und keine Repressalien fürchten. Der Turm da hinten links ist heute nur noch ein Punkt in der Landschaft. 
Ich reise also ein. Es ist nicht das erste Mal, daß ich in die ehemalige DDR reise, in die fünf neuen Bundesländer, die heute schon gar nicht mehr so neu sind. Aber es ist jedes Mal aufs Neue spannend und interessant. Ich sauge jeden Meter in mich auf, jeden Eindruck, jedes Bild. Die Farben, den Geruch, die Geräusche. Seltsam eigentlich. 
Nach wenigen Kilometern erreiche ich Vacha. Die Stadt liegt unmittelbar an der ehemaligen Grenze. Direkt hinter ihr verlief der Todesstreifen. Wer von Osten aus nach Vacha wollte, brauchte eine Sondergenehmigung. Von Westen kam man gar nicht hin. Nun stehe ich in der Nähe des Bahnhofes vor dem Gebäude eines Betriebes und schaue mich um. 
Die Spuren und Besonderheiten sind immer noch zu sehen. Viele Dinge sind einfach anders abgelaufen als im Westen. Relikte aus der Zeit findet man ständig in den Orten und Städten. Das ist auch nichts schlechtes, oder beklagenswertes, im Gegenteil, es wäre sonderbar, wenn es einfach so verschwunden wäre. Wie nicht gelebtes Leben. 
Auf dem Marktplatz mache ich Halt. Gesa tickt vor der ehemaligen Poliklinik. Heute ist dort das Ärztehaus, also eine ganz ähnliche Einrichtung untergebracht. 
Hier in Vacha haben wir damals, Mitte der 80er Jahre, eine Briefbekanntschaft gehabt. Unsere Lehrerin hatte den Brief mitgebracht und wir hatten dann ein, zwei Mal ein Paket nach Osten geschickt. Gefüllt mit dem, von dem man meinte, daß es dort drüben am Nötigsten gebraucht würde. Es sind auch ein paar Briefe rüber und nüber gegangen und irgendwann ist der Kontakt abgebrochen. Was mag aus dem Mädchen von damals wohl geworden sein? Wo hat sie hier wohl gewohnt?
Ich setze meinen Helm wieder auf und starte Gesas Motor. Ich rolle über den Markt und aus der kleinen Stadt wieder heraus. Es geht weiter in Richtung Philippsthal (Werra). Industrieanlagen säumen meinen Weg. Ich bin hier mitten im Kalirevier. Früher habe ich als Kind die Halden vom Zugfenster aus gesehen. Weiße Berge in Mitten der grünen Landschaft. Gruselig und schön zugleich.
Ich biege in Heimboldshausen ab. Von nun an wird sich Hessen mit Thüringen alle paar Kilometer die Klinke in die Hand geben. Immer wieder viel große Industrie, aber auch ganz stille Landschaften wechseln sich ab. 
Es sind meist keine besonders breiten Straßen, die hier durch den ehemaligen Rand der politschen Blöcke führen. 
Auf einmal habe ich einen schwarzen Golf hinter mir kleben. Die Straße ist mal wieder naß und auf einem Bahnübergang am Waldrand rutsche ich etwas mit dem Hinterrad. Das ist ein ordentlicher Schrecken, auch wenn ich damit irgendwo gerechnet habe, denn nasses Metall ist nun mal rutschig. Ich lasse den Golfer an mir vorbei und er wird rasch kleiner in der Ferne. 
Die Ortschaften lassen nicht immer erkennen, ob sie nun im "Westen" oder im "Osten" liegen. Es ist der selbe Baustil, egal ob die Häuser alt oder neu sind. Nur an Kleinigkeiten merkt man, wo man gerade ist. Ich komme durch Gerstungen, hier war ein Grenzbahnhof. Wommen war dann wieder Westen und danach komme ich durch Herleshausen. Bekannter Name, kleine Ortschaft. Alles liegt dicht beeinander. 
Am Opelwerk vorbei, das sich heute auf dem Gelände und in den Gebäuden der Automobilwerke Eisenach befindet, komme ich in die Wartburgstadt. Die Wolken sind wieder dunkler geworden und es sieht aus, als würde es jeden Moment anfangen zu regnen. 
Nach wenigen Metern finde ich eine Kreuzung, die ich kenne. Ich zackere durch die Stadt, und muss wegen einer Baustelle einen kleinen Umweg fahren. Ich hatte mir eigentlich gedacht, ich könnte durch das Nicolaitor fahren, aber das ist eingerüstet und so muss ich eine kleine Schleife um den Busbahnhof fahren, um auf die Wartburgallee zu gelangen. Rasch bin ich aus der Stadt auch schon wieder draußen und fahre durch den Wald nach Süden. Nach ein paar Kilometern muss mein Campingplatz kommen. Was ist das da auf meiner Scheibe? Es fängt an zu regnen. Na super. Ich halte an einem Parkplatz neben der Bundesstraße an. Hier kreuzt der Rennsteig. Wegen des Regens habe ich aber nur Augen für meine Landkarte. Als ich mich orientiert habe, fahre ich einfach achtlos weiter, ohne mich für die Attraktion zu interessieren. Durch den nassen Wald schlängelt sich die Straße den Berg hinunter und als ich unten bin, sehe ich bei einem Imbiss an einem Straßendreieck einen Wegweiser zum Campingplatz. Nach einem guten Kilometer biege ich in den Wald ab. Ein paar Windungen und ich komme an einen Parkplatz. Da drüben ist ein Häuschen und eine Informationstafel. Das ist die Rezeption. Wie es aussieht, bin ich da. Ich stelle Gesa ab und betrete das niedrige gelbe Gebäude. Hinter dem Tresen sitzt eine mittelalte, dunkelhaarige Frau und ist mit Papieren beschäftigt. Als ich hineinkomme, sieht sie zu mir auf. Ich sage meinen Spruch auf, sie schaut im Computer nach und bald drauf komme ich, 25 Euro leichter, dafür aber mit einem Transponder in der Hand, wieder aus der Rezeption. Ich habe einen Plan erhalten, wo ich mein Zelt aufbauen kann und den Rat, mit Gesa an der Schranke vorbei zu fahren, das müsste mit dem Motorrad doch gehen. Ich tue wie mir geheißen wurde und schon bald steht Gesa am Ufer des Altenberger Sees.
Hier hat es nicht geregnet, und so gibt es nur ein trockenes "Ploff!" als ich den Sack mit dem Zelt auf den Boden werfe. Ich sehe mir noch mal den Platz an, den ich mir da ausgesucht habe, und danach schütte ich dann den Inhalt des Sackes aus. Die Stangen sind noch in ihrer Plastiktüte und das Zelt ist sauber verschnürt. Kein Sand, kein Grashalm. Bis jetzt habe ich es erst zwei Mal im Wohnzimmer bei mir zu Hause aufgebaut. Das ist nun der Freilandversuch. Die Stangen zusammengesteckt, vorher das Groundsheet ausgebreitet, dann den Zeltboden mit dem Innenzelt ausgelegt, die Stangen kommen da in die Ösen. Dann da, da und da festgeklipst und siehe da, es steht. Nun noch die Außenhaut drüber und mit dem Innenzelt verbinden. Heringe an den Apsiden in den Boden und fertig. Hey, klasse!
Jetzt wird die Ortliebrolle von Gesa heruntergeladen und ins Zelt gebracht. Schuhe aus und die Thermarestmatte aufgeblasen. Von alleine kommt da nicht viel, das habe ich zu Hause schon ausprobiert. Den Schlafsack aufgeschüttelt und ausgelegt. Nun kann ich mich erst mal umziehen. In der Zwischenzeit sind drei weitere Motorradfahrer angekommen. Die Jungs aus der Gegend von Kassel haben ein Stück weiter ihr Zelt aufgebaut. So rasch, wie ich das hier schreibe, ging das natürlich nicht, es ging dem erst mal eine längere Diskussion voraus. Dann stand das Ding aber recht flott. Es ist ein riesiges blaues Ungetüm mit mehreren Räumen. Vermutlich unterkellert. Nun ziehen sie an meinem kleinen grünen Zelt vorbei. 
Die Frau an der Rezeption hatte zu mir gesagt, daß das Restaurant heute nicht besonders lange offen sein würde. Also sehe ich zu, daß ich noch etwas zu Essen bekomme. Mein Magen knurrt zudem. Seit dem Frühstück hatte ich nicht viel gehabt. Also los.
Auf dem Weg zum Restaurant komme ich am Waschhaus vorbei und schaue mal kurz zur Tür hinein. Sieht alles ganz brauchbar aus. Ich wasche mir noch kurz die Hände und dann gehe ich die letzten Meter hoch bis zur Wirtschaft. Im Gastraum hinten sitzen die drei Motorradfahrer und versuchen mich so gut es geht zu ignorieren. DerTisch daneben ist noch frei und so breite ich mich dort also aus. Hinter meinem Rücken höre ich einen der drei zu einem seiner Kumpels was von schön groß und langen Haaren und Beinen sagen. Sie taxieren meinen Wert. War wohl als Aufmunterung gedacht. Hat aber nicht gewirkt. Bis sie gehen werden sie kein Wort mit mir gewechselt haben. Sie besprechen Strecken im ganzen Bundesgebiet, wo sie schon gewesen sind und wo der Benjamin der Runde unbedingt auch mal hin muss. (Dabei sind sie alle drei jünger als ich) 
Ich bestelle - wenn ich schon mal hier bin - ein Thüringer Rostbrätl. Kein Fehler, wie sich herausstellt. 
Nach dem Essen schreibe ich, bevor es dunkel wird und ich im Zelt nichts mehr sehen kann, noch rasch meine Erlebnisse vom Tage auf, und beobachte dabei durchs Fenster einen jungen Mann, der draußen an der Blockhütte "Rennsteig 3" Seltsames vollführt. Zuerst fährt er das Auto, das er eigentlich zwischen den beiden Hütten geparkt hatte, auf den Weg und stellt es dort ab. Danach baut er in Formation einige Holzklötzchen auf dem frei gewordenen Platz auf. Als er damit fertig ist, setzt er sich auf die Terasse des Häuschens und beschaut zufrieden sein Werk. Ist das schon Kunst?
Wie ich mit Schreiben fertig bin, bezahle ich und mache noch eine kleine Runde über den Platz.
Minimarkt
 
Es ist ein trockenes Frühjahr gewesen. Aber zur Vier reicht es noch nicht.
Schließlich jedoch bin ich müde und sehe zu, daß ich ins Waschhaus komme, die Zähne zu putzen und die Dinge zu tun, die so getan werden müssen. Es ist noch nicht ganz dunkel, da verschwinde ich im Zelt. 
Die Jungs nebenan sind noch kräftig dabei Leergut zu erzeugen, aber das wird mich heute sicher nicht um den Schlaf bringen. Ich wickele mich in den Schlafsack ein, lege die Brille auf den Tankrucksack und stelle mir den Wecker. Auf mein Schaf muss ich verzichten, das musste zu Hause bleiben, also wird es die nächsten beiden Wochen auch ohne gehen müssen. Ich drehe mich rum und bin weg.




Dienstag, 21. Juli 2015

Honda Pressetag 2015 - Teil 4

+++06.05.2015+++


Neben den ganzen Fahrzeugen, die man als "richtige" Motorräder bezeichnen kann, gibt es beim Honda Pressetag natürlich auch noch Fahrzeuge zu testen, die zwei Räder und einen Motor haben, aber kein Motorrad sind, so wie man eben Motorräder kennt.
Rollerie, Rollera!
Ich bin vorher noch nie mit einem Roller gefahren, nur als Kind mit meinem Tretroller, der zählt hier aber nicht weil da kein Motor dran ist und dann noch mal irgendwann Ende der neunziger habe ich hinten auf einer Schwalbe gesessen. Aber die ist eigentlich auch kein Roller, sondern Kult.
Nun also gibt es eine Premiere! Ich schwinge mein Bein zwischen einem Windschild und der Sitzbank durch und nehme Platz. Der würdige Moment muss natürlich im Bilde festgehalten werden.
Das Bild hat Sabine Kastner freundlicherweise für mich gemacht. Danke dafür!
Die Farbe meiner Jacke und die Farbe des Rollers fügen sich zusammen wie... na, lassen wir das-. Die Farbe des Rollers gibt allerdings einen Aufschluss, wen sich Honda als Zielgruppe für dieses Fahrzeug vorgestellt hat. Es ist der SH Mode 125. Die Farbe, die das Testfahrzeug trägt, hat sich allerdings in der Zwischenzeit erledigt, er ist nunmehr in verträglicherem Weiß oder Schwarz erhältlich.
Ich erwecke den Motor und gute elf PS aus einem Zylinder setzen sich mit rund 200 Kilo (inkl. meiner Person) in Bewegung.
Durch Weibersbrunn fahre ich locker entspannt, ich merke allerdings gleich zu Anfang schon, daß ich es hier mit etwas anderem zu tun habe. Nicht nur, daß die Belegung der Hebelei am Lenker eine andere ist, als ich es vom Motorrad her kenne, das hatte ich mir schon gedacht, als ich keinerlei Pedale sah, die 125 Kubik sind kein Tanzsaal und so ist die Beschleunigung auch eher moderat.
Hinter Weibersbrunn drehe ich den Hahn ganz auf und zirkele bald auf den dünnen Reifchen durch die Kurven. Ich gewinne rasch den Eindruck, daß ich damit in einer Stadt, wie Mainz, Rheine, Erfurt oder so - mal willkürlich als Beispiele gesetzt - durchaus noch eine Chance haben könnte. Aber auf der Strasse draußen, bei Überlandetappen, da wird das Leben schon schwieriger. In Rothenbuch fahre ich eine kurze Runde und entscheide mich dann wieder für den Parkplatz am Ortsausgang um den SH Mode genauer zu betrachten.
Bei meiner Körpergröße wird es langsam schwierig auf so einem Roller bequem zu sitzen. Aber, da man ohnehin damit vermutlich nur zum Einkaufen, zur Uni, oder zur Arbeit fährt und wahrscheinlich keine ewig weiten Strecken zurücklegt, wird das schon gehen. Abgesehen von der Smartie - Farbe gefällt mir die Linienführung nicht schlecht, das relativ große Vorderrad läßt ihn stabil laufen und es gibt rollertypisch ein großes Helmfach unter dem Sitz. Den Zugang dazu verschafft man sich mit dem Schlüssel und einer Taste.
Halt! Sollte hier doch mehr Motorrad drin sein, als angenommen?
Beim Blick unter die hochgeklappte Bank wird mir auf einmal klar, woher doch so manche Spottnamen für Motorroller kommen. In das Helmfach passen locker, wenn der Helm draußen ist, ein Beutel Kartoffeln und/ oder ein paar Tüten Milch. Wem das nicht reicht, der kann natürlich auch noch Gepäck auf den Gepäckhalter schnüren, oder ein Topcase installieren. Das gibt es, wenn ich das recht verstanden habe, im Touringpaket, zusammen mit einer Windschutzscheibe und plexigläsernen Windabweisern für die Lenkergriffe.
Wer statt Gepäck Personen mitnehmen möchte, der wird sich sicher für die ausklappbaren Soziusfußrasten interessieren.
Am Cockpit, das in Braun abgesetzt ist gegen die Fahrzeugfarbe, bietet sich nicht viel Überraschendes. Bis auf die sehr optimistisch angelegte Geschwindigkeitsskala.
Auf der rechten Seite des Lenkers finde ich dann doch noch etwas, daß ich nicht kenne:
Diese Taste stellt ich bald als Start - Stop - Automatik heraus. Auf der Stellung "Idling Stop" verstummt der Motor wenn man angehalten hat. Er geht auch wieder an, sobald man am Gas rührt. Wie immer bei solchen Automatiken fährt ein komisches Gefühl mit. Er springt an, er springt nicht an, er springt an... Aber auch wie immer ist es unbegründet.
Ich setze mich wieder auf die Sitzbank und schubse mich vom Hauptständer. Den Roller angelassen und los geht es zur "Bergwertung". Schon bald hinter dem Dorf merke ich, daß die Fahrt zäher wird. Ich fahre zwar runde siebzig Sachen, aber es fühlt sich beileibe nicht so an. Ich kann zwar etwas an Fahrt noch gewinnen, aber bei achtzig ist absolut Schluss. Mühsam wuchtet mich die kleine Maschine unter meinem Hintern den Berg rauf. Auf der Landstrasse rollt es dann erwartungsgemäß etwas besser. Es bleibt aber das ungute Gefühl, ein Verkehrshindernis zu sein. Mir entgegen kommen andere Motorräder, auffallend viele Hondas. Das sind die Kollegen und so wird fröhlich hin und her gewunken.
Im Kreisel bei Weibersbrunn zeigt sich wieder wofür der Roller gedacht ist, er lässt sich leicht um die Kurve führen und fällt nicht groß zur Last. Umgekehrt ist es anders. Mein Gewicht hat ihm schon ordentlich zu Schaffen gemacht. Nicht nur dem Motor, auch der Federung. Bei einem Leichtgewicht werden die Stöße vermutlich nicht so hart an den Rücken weitergegeben.
Nach diesem ersten Roller der Motominya Geschichte habe ich noch einen zweiten, etwas später am Tage gestetet.
Forza! 125!
Es ist der Forza 125. Ein sehr chic gestylter Roller, hauptsächlich für den französischen Markt gedacht, wer schon mal in Paris die Rollerschwärme gesehen hat, der kann sich das gut vorstellen.
Als Besonderheit hat man uns angekündigt, besitzt er eine höhenverstellbare Frontscheibe. Ich bin gespannt, drücke auf den Startknopf und schnurre vom Hof. Durchs Dorf fährt er sich wieder sehr gut, die Sitzposition ist für mich etwas entspannter, da er größer ist. Der Sitz ist bequem und der breite Lenker liegt gut in der Hand. Hinter Weibersbrunn merke ich aber bald, daß auch hier die Leistung eher überschaubar ist. Es sind zwar etwa 14 PS, die mich durch die Gegend wuppen, aber der Roller selbst wiegt auch schon 162 Kilo. Die Federung ist beim Forza wesentlich angenehmer als vorhin beim "kleinen" SH Mode. Dafür erweist sich die höhenverstellbare Frontscheibe bei mir wieder als ungeeignet. Ich versuche während der Fahrt etwas an der Einstellung zu ändern, lasse den Versuch aber bald bleiben und fahre lieber wieder nach Rothenbuch auf den Parkplatz.
Neben einem Hauptständer bietet er auch einen Seitenständer, man hat also die Wahl, wie man ihn abstellt. Der Gepäckraum ist nahezu riesig, es passen zwei Helme unter die Sitzbank, oder der vorhin schon ins Spiel gebrachte Beutel Kartoffeln + ein paar Tüten Milch. Kartoffelbrei für alle stünde nichts im Wege also. Die Gewürze brächte man auch noch locker unter.
Hilfe! Er will mich fressen!
Das Cockpit wirkt futuristisch, zeigt aber auch nur die üblichen Dinge an.
Zwei große Rundinstrumente geben Auskunft über Drehzahl und erreichte Geschwindigkeit. Auch beim Forza 125 gibt es wieder eine Start - Stop - Automatik.
Es gibt auch wieder ein Schloß, daß die wesentlichen Öffnungen unter Verschluss hält und den Roller zur Fahrt freigibt.
Neben den Öffnungen für den Tankdeckel und das Gepäckfach unter der Sitzbank, soll es noch ein Handschuhfach geben. Das habe ich allerdings nicht gefunden. Gefunden habe ich jedoch, wie man die Scheibe in der Höhe verstellt. Man braucht dazu kein Werkzeug und es gibt auch keine Schrauben, sondern sie rastet von alleine in der Position ein, in der man sie haben möchte.
Mit verstellter Scheibe mache ich mich wieder auf den Weg zurück nach Weibersbrunn. Vom Parkplatz runter und rechts abgebogen. Nun geht es den Berg rauf. Auch hier schafft der kleine Motor sich ziemlich ab. Es geht aber von den 125ern, die ich heute gefahren bin, am schnellsten. Der Forza ist somit die bessere Alternative, wenn die Anreise zur Rundfahrt in der Stadt ein paar Kilometer über Land geht. Oder man des Sonntags auch mal was anderes sehen möchte. Sportlich ist es aber noch nicht. Auf der Landstrasse läuft er unspektakulär, aber auch hier habe ich ein leichtes Gefühl von Verkehrshindernis.
Der Kreisel ist wieder kein Problem, etwas anderes habe ich auch nicht erwartet und so stehe ich rasch wieder auf dem Hof vom Hotel.

Roller? Nein! Motorrad? Nein! Vultus? Jaa!
Ein Fahrzeug bin ich noch kurz gefahren, das war unmittelbar vor der Mittagspause, das ist weder Motorrad, noch Roller, nein, es ist ein Vultus!
Leider habe ich die Runde wegen der fehlenden Zeit nicht zu Ende gefahren und bin nur in Weibersbrunn geblieben. Dennoch hier meine Eindrücke.
Nein, ein Roller ist das nicht. Und nein, ein Motorrad ist das auch nicht. Fliegen traut man dem NM 4 Vultus eher denn Fahren zu. Nicht, weil man glaubt, er könnte das etwa nicht, nein, er sieht aus wie ein Raumschiff. Den Soziussitzpatz kann man zur Rückenlehne hochklappen und sitzt somit sehr, sehr bequem. Ich rolle vom Hof und habe das Gefühl, mein Fernsehsessel hat plötzlich Räder bekommen. Das ist unglaublich! Die Lenkstange erinnert dagegen eher an ein Fitnessgerät oder an den Griff eines Holländers oder Ruderrenners.
Der Motor erinnert mich sehr an die NC 750 und DCT ist hier Pflicht. Schalten, im klassischen Sinne, würde auch nicht passen. Was ein bissel stört, ist daß ich nicht recht weiß, wohin mit den Füßen. Das Problem hatte ich ähnlich schon mal bei der CTX 700N. Es sind zwar Trittbretter vorhanden, aber beim Bremsen fühle ich mich nicht recht wohl.
Meine Ausfahrt mit dem Vultus führt mich nur nach Weibersbrunn hinein. Ich biege in eine Strasse ein, die mich eine Anhöhe hoch zu einem Schulzentrum bringt. Dort kehre ich um, denn das Mittagessen ruft. Beim langsamen Zirkeln und Wenden vermittelt die weit nach hinten geführte Lenkstange ein etwas kippeliges Gefühl. Bloss nicht hinschmeißen das Ding!
Das Cockpit macht durch die Verkleidung einen sehr kompakten Eindruck, zudem überfrachtet es nicht mit Information. Ein Clou ist allerdings, daß es seine Displayfarbe wechseln kann. Man kann verschiedene Farbstimmungen verschiedenen Fahrzuständen zuweisen. Die Zeit, das nun richtig auszutesten habe ich allerdings nicht.
Der Griesgram hat es mir rasch auf Rosa eingestellt, ähnlich der Farbe des SH Mode, aber im hellen Umgebungslicht ist es schwer zu erkennen.
Der Vultus ist aber etwas, das ich unbedingt noch mal ausgiebiger fahren muss! Dann wird vielleicht auch das Schlüsselloch auf der linken Seite vom Cockpit sein Geheimnis preis geben.

Das Ende!
Der Honda Pressetag 2015 neigt sich nun dem Ende zu, es ist an der Zeit ein Fazit zu ziehen. Was habe ich erlebt? Was habe ich gelernt? Was war das Highlight des Tages? Hm. Zunächst einmal habe ich viele schöne Stunden auf den unterschiedlichsten Motorrädern erlebt. Bei wunderbarem Wetter bin ich Runde um Runde durch den Bayerischen Spessart gekringelt und habe jede Menge Erfahrungen gesammelt. Zum Beispiel bin ich das erste Mal mit einem Motorrad gefahren, das zu den supersportlichen gezählt wird. Im Vergleich zu anderen Boliden war das noch recht verhaltener Supersport, aber man muss ja nicht gleich oben anfangen. Ich bin mit dem automatisch schaltenden DCT Getriebe gefahren. Der Griff ins Leere auf der linken Seite ist unvergesslich. Es ist wirklich toll, was auf dem Gebiet mittlerweile möglich ist. Ich habe dabei gelernt, daß automatisches Schalten auf dem Motorrad ohne Weiteres funktioniert und man damit auch flott unterwegs ist und in Kurven sich nicht ängstigen muss. Das war zunächst einmal meine Befürchtung gewesen.
Ich bin mit diesem Riesenschiff von Goldwing unterwegs gewesen und habe erlebt wie sich die Welten verschieben, wenn man am Lenkstangel von so etwas zu sitzen kommt. Das hat absolut etwas majestetisches. Das Highlight des Tages? Gibt es eigentlich keines. Der ganze Tag ist sensationell gewesen. - Aber Halt! War da nicht noch was? Doch! Wenn man mich gefragt hätte, Minya, um welches dürfen wir Dir eine rote Schleife binden, ich hätte debil grinsend auf die CB 1100 EX gezeigt und "die da!" gefiept. Ich bin absolut hingerissen! Das hätte ich so nicht erwartet gehabt. Zwar fand ich die klassische Form schon vorher sehr ansprechend, aber daß das auch noch so gut fährt, das hätte ich nicht gedacht. Da bekommt man nun die modernsten, durchgestyltesten Motorräder auf den Hof gestellt und dann ist es ausgerechnet ein klassisch aufgemachtes Bike, daß dich mitreißt. Ich hätte auch nicht gedacht, daß ich so niedrig so gut sitzen kann. Absolut Daumen hoch!
Vielen Dank an Honda Deutschland und Oliver Franz, daß ich diese tollen Erfahrungen machen durfte!

Wie ich mein Hotelzimmer bezahlen möchte, lerne ich, daß ich auch hierbei von Honda eingeladen gewesen bin. Auch dafür dicken Dank!

Das endgültige Ende
Die dicken Wolken, die in der Zwischenzeit aufgezogen sind, haben auch schon ein paar Tropfen abgelassen, aber nach kurzer Zeit ist der Spuk vorbei und wir können uns auf den Heimweg machen. Der Griesgram und ich haben ein gutes Stück Strecke gemeinsam und bis in die Nähe von Darmstadt leistet uns auch noch Ernie Trölf Gesellschaft. Wir machen unterwegs noch mal in der wieder hervorgekommenen Abendsonne Halt und plaudern noch ein wenig, bis wir dann aufbrechen um noch im Hellen über den Rhein zu kommen.
In der Nähe von Darmstadt versenken der Griesgram und ich an einer Ampel noch zwei Corvetten; zusammen sechzehn Zylinder werden von zusammen dreien stehen gelassen. Ich sehe im Spiegel den Griesgram mit einer Siegesgeste... Yeeaahhh!! brülle ich in den Helm. Was ein würdiges Sahnehäubchen auf einem gelungenen Tag!
Auf dem Weg zur Rheinfähre kommen wir doch noch in den Regen. Und in den Sturm. Plötzlich kommt ein Wind auf, daß wir mit gehöriger Schräglage auf der schnurgeraden Strasse in Richtung Rhein streben. Dabei prasseln Regentropfen auf den Helm und brechen sich Bahn durch die leichten Crosshandschuhe. Unsere Befürchtung aber, daß die letzte Fähre schon weg sein könnte, bewahrheitet sich glücklicherweise nicht, und so stehen wir nach kurzer Wartezeit am Bug der Fähre und schauen in den Abendhimmel.
Von Sturm und Regen ist nichts mehr zu merken, nur noch ein paar Tropfen auf der Scheibe und auf dem Tankrucksack. Als wir durch Nierstein fahren ist es schon fast dunkel. Wir preschen im allerletzten Licht in Richtung Wörrstadt und weiter auf Bad Kreuznach zu. Bei Sprendlingen verabschiede ich mich und biege zur letzten Etappe ab. Eine gute Stunde später ist der Griesgram auch zu Hause angekommen.
Hey, was für ein sagenhafter Tag! Wie Weihnachten irgendwie, nur ohne Baum und Singen.