Freitag, 13. Mai 2016

Wo die Wanderer die Indian bei der Triumph trifft. Keilriemenfahrt 2016


Früher war alles besser. Sowieso. Und überhaupt.
Es ist Sonntag, es ist erster Mai und das Frühstück habe ich mit Erfolg hinter mich gebracht. Draußen lacht die Sonne, es ist nicht ultrawarm, aber erträglich. Also, was sollte mich noch halten?
Ich ziehe mich an, schnappe die Lederjacke und die kleine rote Tasche und mache mich auf den Weg zur Garage. Ein kühler Wind fällt mir auf. Aber der stört mich noch nicht. Bald schon blubbert Gesa unter mir und ich schubse sie aus der Garage raus auf den Hof.
Ich rolle frohen Mutes durch die rheinhessische Landschaft und durchquere mittagsschlafende Dörfer. Auf den Straßen ist wenig los. Durch Köngernheim, immer weiter in Richtung Westhofen. Dort duch den Kreisel und nach Osthofen. Am Ortseingang stehen Männer mit gelben Westen. Kenner der Materie ahnen bereits, was heute mein Ziel ist. Ich biege ab und durchquere ein Wohngebiet. Dort, wo die Felder wieder anfangen, stelle ich Gesa ab, nehme den Helm und laufe die paar Meter bis zum Ziel. An mir vorbei schnauft ein altertümliches Motorrad. Noch sind also nicht alle Teilnehmer von der ersten Runde des Tages zurückgekehrt. Ich bin auf der Keilriemenfahrt 2016!
Im Hof stehen unglaublich viele alte Motorräder aus den ersten drei Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts. Waren das im letzten Jahr auch so viele? Meine Güte! Aus halb Europa kommen sie in diesem Jahr wieder. Zwischen alledem hüpft auch noch ein Kamerateam des SWR herum. Die habe ich letztes Jahr auch nicht gesehen. Es dauert lange, bis alle Teilnehmer von der ersten Runde zurückkehren. Der letzte wird mir entgegenkommen, da sind sie bereits zur zweiten Runde gestartet.






Verstellbarer Spiegel




Ich stehe inmitten alter und uralter Harleys, Indians, Triumphs, Wanderer und und und. Marken, die es schon lange nicht mehr gibt. Ihre Produkte haben die Firmen zum Teil um Jahrzehnte überdauert. So etwas fasziniert mich immer wieder aufs neue. Viele der Motorräder sind im Originalzustand erhalten. Sie wurden also nicht restauriert. Bei manchem Reifen habe ich das Gefühl, es handele sich dabei um die Originlabereifung. Wo bekommen die die ganzen Teile her? Vieles werden sie wohl selbst anfertigen müssen, aber es gibt ja Dinge, die kann man als Normalmensch nicht so schnell mal eben selbst schnitzen. Zum Beispiel Reifen.









Durch die Luft weht ein ganz besonderer Duft. Aus Benzin und Oel. Unter den Motorrädern befindet sich oft eine Pappe, oder sonst etwas zum Auffangen von verschiedenen Flüssigkeiten. Hier könnte ich stundenlang stehen. Aber leider wird bald zur zweiten Runde gerufen.

Ich schnappe meinen Helm und schlendere zum Feldweg zum Dorf zurück. Da kommen auch schon die ersten Starter an mir vorbei. Manche klingen wie Nähmaschinen, manche geben nur ein Pftapftapfta von sich, andere klingen wie Mopeds aus meiner Jugendzeit. Oder sie haben richtig erwachsene Motorengeräusche. Ein altes Rennmotorrad hört man schon von weitem. Die Maschine röhrt wie ein kaputter Kadett.






Ein Trabant 600 hat sich auch dazwischengemogelt... Gesa sieht's gelassen.
Die zweite Strecke des Tages führt dieses Mal in den Wonnegau und zu den Eicher Kiesgruben. Dorthin fahre ich jetzt. Ich komme gerade rechtzeitig an, da fahren auch schon die ersten an mir vorbei. Die sind dieses Mal aber fix! Ich nehme Aufstellung auf einem alten Bahndamm, der parallel der Strecke verläuft und habe so einen etwas erhöhten Standpunkt. Vorne an der Kreuzung sitzt ein Harleyfahrer und schaut dem Korso zu. Als er später wegfährt, meint er, er müsse seine auch endlich fertig machen und würde dann im nächsten Jahr mitfahren. Es gibt also noch mehr dieser alten Schätzchen, als man denkt.







Ich bleibe noch stehen und winke und fotografiere aus Leibeskräften allen, die vorbeikommen. Es wird zwar am Ende einen Sieger geben, aber eigentlich geht es bei dieser Ausfahrt um nichts. Es ist einfach nur der Spaß, dabei zu sein.













Erst als alle an mir vorbeigekommen sind, packe ich meine Kamera fort und mache mich wieder auf den Weg. Der sture Ostwind ist stärker geworden im Laufe des Tages und macht das Fahren etwas unangenehm. Als ich bei Nierstein an den Rhein komme, hat er weiße Kuppen auf den Wellen. So mache ich nur noch einen kleinen Schlenker und steuere dann die Garage wieder an.

Meine Güte, wie schön, daß es so etwas gibt! Die Atmosphäre ist absolut entspannt, alle sind fröhlich, niemand regt sich auf, es ist einfach nur schön.
Am Samstag vor der eigentlichen Keilriemenfahrt gibt es eine Fahrradausfahrt mit historischen Fahrrädern. Vielleicht mache ich da mal in Ermangelung eines antiken Motorrades mit...

10 Kommentare:

  1. Ach wir hübsch! Da wäre ich auch gern dabei gewesen! Und der Wikinger erst, den muss ich gleich mal rufen und ihm die vielen Bilder zeigen... Dann wird er mir wieder den ganzen Abend Geschichten von alten Zweirädern erzählen. :-)

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    1. Und? Hat er den ganzen Abend von alten Motorrädern erzählt?
      Diese Fahrzeuge haben etwas ganz eigenartiges. Sie sind Boten aus einer anderen Zeit. Die ganzen Ereignisse und Erlebnisse, die sie mit sich führen...

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  2. Guten Abend. Ja die Ersatzteilversorgung ist oft ein großes Problem will man die alten Schmuckstücke am laufen halten. Reifen zB werden viel in China oder auch Südamerika nachgefertigt. Ich denke oft auch in mehr oder weniger Handarbeit.

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    1. Das merke ich auch, daß es mit den Ersatzteilen so ein Problem ist. Auch wenn es sich bei mir "nur" um ein Auto handelt. Wieviel schwerer muss es dann sein, für so ein altes Motorrad, von dem es vielleicht nur jemals ein knappes Dutzend Exemplare gegeben hat, noch Teile zu bekommen. Oder, so das Teil im Original vielleicht gar nicht mehr vorhanden ist, zu wissen, was für ein Teil dort gesessen hat und wie es ausgesehen haben mag. Da ist sehr viel alte Handwerkskunst von Nöten. Etwas, das heute schrittweise verloren geht.

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  3. Was ein schöner Ausflug. Ich finde es immer faszinierent, mit welcher Hingabe solche Schmuckstücke gehegt und gepflegt werden. Aber gut, es führt ja auch kein Weg daran vorbei.

    Gell, früher war alles besser. Da war sogar Zucker gesund :-)

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    1. Oh ja. Da sprichst Du ein wahres Wort. Früher war alles besser. Ich denke oft, wenn ich wieder mal irgendwo höre, was alles auf einmal als giftig, gefährlich ungesund und was weiß ich noch alles erkannt wurde, daß ich jetzt weiß, warum die Leute von Früher heute nicht mehr da sind. Die konnten das alles doch gar nicht überleben.

      Und ja, da hast Du auch recht, davon bin ich auch fasziniert, wie die Leute es immer wieder schaffen, solche tollen alten Geräte am Laufen zu erhalten. Und auch, daß manche von den Dingern nicht wirklich restauriert aussahen. Die scheinen halbwegs so unterwegs zu sein, wie sie halt waren.

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  4. Großartige Zweiräder! Ich wünschte, ich hätte nur halb soviel Talent so etwas restaurieren und instand halten zu können. Aber so erfreue ich mich eben genau so an den Rallies und Shows.

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    1. Oh ja. Das geht mir auch so. Ich habe zwar auch keine zwei linken Hände, aber dafür braucht man doch einiges mehr an Wissen und Können. Und vielleicht auch Mut. Denn, ich glaube, ich würde mich bei vielen Sachen gar nicht trauen, da jetzt mit dem Schraubenschlüssel drauf los zu gehen.

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    1. Ich hab's mir bald gedacht. Ich hatte Dich schon vermisst dort!

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