Donnerstag, 20. Oktober 2016

Hooray, Hooray, It's A Harley- Harley Day...

Es gibt da in Wisconsin eine Stadt, deren Name bedeutet so viel wie "Versammlungsort am Wasser". Milwaukee. Einen Ort mit einem besseren Namen hätten Mr. Harley und die Davidson Brüder sich nicht aussuchen können, als sie ihre Eisenproduktion aufnahmen. Denn, sind wir ehrlich, haben wir beim Nennen eines Motorradmarkennamens jemals mehr gestandene Männer mit feuchtem Blick niederbrechen sehen, als beim Aussprechen der Worte "Harley - Davidson"? Freilich, die Motorräder der Marke gelten als nicht besonders modern, insbesondere in motorradfahrenden Kreisen die noch nie auf einer Harley gesessen haben und der Name polarisiert, ähnlich wie die Begriffe "BMW" und "Klapphelm". Unter Harley stellt man sich eben etwas Bestimmtes vor. Und man stellt sich auch einen bestimmten Kundenkreis vor, der sich so ein Gerät in den Schuppen schiebt. Dennoch, es gibt mehr Leute, die Harley kennen, als es Leute gibt, die den Bundespräsidenten beim Namen nennen können.
Wie dem auch sei, ich habe also Gesa am Parkplatz beim Wiesbadener Ostbahnhof abgestellt und betrete das Ladenlokal. Ich finde mich unter mehr Leuten wieder, als ich es jemals bei einem Händler einer anderen Marke erlebt habe. Und dabei ist heute ein ganz normaler Freitagmittag. Wenn ich mich umschaue, dann kann ich das feuchte Glitzern in den Augen aller Kunden erkennen, die mich umgeben. Ein bisschen ist es wie beim Süßigkeitenstand am Weihnachtsmarkt.
Ich bin telefonisch angemeldet und so dauert es nicht lange, da stehe ich bereits neben einer recht niedrigen, grüngelb lackierten Maschine und lausche den Ausführungen zu den Besonderheiten.
Im Großen und Ganzen ist da nichts, was besonders aus der Reihe fiele, aber es gibt Feinheiten im Detail. So besitzt die Maschine eine Keyless Go Anlage. Und Blinkerknöpfe, wie es sie bei BMW früher gab. Also für jede Richtung einen. Aber nun genug gestanden, Bein über die Sitzbank und los. Die Sportster Iron 883 erwacht zum Leben. Der Klang ist, wie man ihn sich von einem Harley - Davidson Motorrad vorstellt. Kernig, tief, bestimmt. Allerdings ist da noch Luft. Da ginge noch mehr. Etwas haben sie beim Händler daran schon gemacht, sie haben "Screamin' Eagle Street Cannon Slip - On Mufflers" angebracht. Also, die Endtöpfe ausgetauscht. Zudem haben sie wohl auch schon in der Abstimmung der Maschine ein wenig nach PS gesucht und haben wohl auch welche gefunden. Man muss also vielleicht nicht unbedingt zum Dr. Mot. Bogoly nach Bruck an der Leitha fahren, um die wahre Seele seines Motors kennenzulernen.
Es ist für mich ungewohnt, auf einem solch niedrigen Motorrad zu sitzen. Ich tu mich im ersten Augenblick ein wenig schwer, meine Füße auf die Rasten zu bekommen. Was mir bei den Rasten gleich auffällt, sie federn nicht in Ausgangslage zurück, wie man es vielleicht von anderen Motorrädern gewohnt ist. Man muss also bisweilen mit dem Fuß etwas angeln, um die Fußraste wieder in Position zu bringen, wenn man sie mit dem Hosenbein, etwa beim Anfahren, gelupft hat.
Als ich in Richtung Amöneburger Kreisel abbiege, sind die Irritationen schon vergessen, ich sitze auf ihr, als hätte ich nie etwas anderes getan.
Ich biege ab in Richtung Wiesbaden und komme nach einer Baustelle auf die Mainzer Strasse. Die Vibrationen der Maschine sind sehr angenehm, der Spruch nicht zu laut, aber markig. So gefällt mir das. Was mir auch gefällt, ich habe das Gefühl, den Motor förmlich in der Hand zu halten. Denn, wenn ich am Griff drehe, tut sich sofort etwas. Die Maschine schüttelt sich und es gibt Vortrieb. Da ist richtig Leben drin.
Dabei lesen sich die technischen Daten eher nüchtern. 
Am ESWE - Bad biege ich auf den Ring ab und erklimme die Steigung am Südfriedhof vorbei. Als ich geradeaus nach Bierstadt weiterfahren will, stecke ich unvermittelt in einem Baustellenampelstau. Misto. Ich habe ja nicht so allzuviel Zeit mitbekommen. Also, Blinker rein und rumgedreht. Das geht genauso einfach und flink, wie Du es hier liest. Wow! Das hätte ich nicht gedacht. Mit Gesa hätte ich mich dieses Manöver nicht so ohne Weiteres getraut. Eh ich es mich versehe, bin ich auch schon wieder unterwegs in Richtung Frankfurter Strasse und dem Stau entronnen. Wenn man eines nicht mit einer Harley verbindet, dann ist es solch eine Agilität. Ich beschließe, weiter in Richtung Sonnenberg zu fahren und komme bald drauf durch zwei enge Kreisverkehre. Auch da gibt es keine Unsicherheiten. Eine coole Sache ist, daß die Blinker sich nach einer Kurve in der Regel über einen Schräglagensensor selbst abschalten. Man muss also nicht immer nach dem Knopf fummeln, sondern kann sich auf die Strecke konzentrieren. So habe ich bald die Wiesbadener Stadtgrenzen hinter mir gelassen und böllere durch den Wald bei Niedernhausen.
Ich habe auf der 883 eine aufrechte, aktive Sitzposition, ein wenig wie auf einem Stuhl, also Unterschenkel gerade runter. Ich bin recht erstaunt, wie gut ich sitze. Das hätte ich im ersten Moment nicht erwartet.
Da sie ein klassisches Naked Bike ist, habe ich auch keine störenden Verwirbelungen am Helm. Ich genieße jeden Meter der Fahrt. Zwischen Niedernhausen und Idstein beschließe ich dann Halt zu machen und mir die Maschine genauer anzusehen.
Was sofort auffällt, die Iron 883 ist ausgenommen schmal. Von vorne wirkt sie beinahe schmächtig. Dagegen ist der Eindruck von der Seite so bullig, wie man es von einer Harley erwartet. In der Mitte dominiert, wie sollte es auch anders sein, der V 2 Motor mit seinen markanten Kühlrippen und auf der rechten Seite das runde Luftfiltergehäuse.
Schön integriert und "versteckt"

Antrieb: Zahnriemen

reicht für 12,5l Sprudel

gibt's auch irgendwo in den Tiefen des Zubehörs...
Einen Beifahrersitz gibt es nicht, wenn man zu zweit fahren will, dann muss man sich einen Soziussitz aus dem Zubehör montieren. Es sind auch keine Fußrasten für eine zweite Person vorgesehen. Auch die müssen aus dem Zubehörregal kommen. Aber auf einer Harley genießt man die Freiheit eh am liebsten alleine.
Am Lenker dominiert ein zentrales Rundinstrument, dort wird alles wesentliche angezeigt. Das ist zunächst einmal die gefahrene Geschwindigkeit, dann gibt es in dem kleinen LCD Display unter der Geschwindigkeitesanzeige noch die Möglichkeit, Uhrzeit, Kilometerstand, zwei Tageskilometerzähler, den eingelegten Gang und die Drehzahl anzeigen zu lassen. Mehr braucht man nicht. Die üblichen Warnleuchten, die es sonst noch geben muss, verstehen sich von selbst.
An den Schaltereinheiten an den Griffen finden sich keine versteckten Menüs, oder unklare Schalter, alles was man braucht, hat man sofort im Griff. Lediglich die Leute, die vorher noch nie mit zwei Blinkerknöpfen gefahren sind, könnten sich am Anfang ein wenig schwerer tun.

Die Gabel kann, so wie sie aus dem Werk kommt, nicht eingestellt werden, wer das möchte, braucht eine andere Gabel, die allerdings angeboten wird, die beiden Heckfederbeine kann man hingegen mittels eines unter der Sitzbank befindlichen Werkzeuges einstellen.



Hübsch gelöst sind die Heckleuchten, die Kombileuchten sind, sie zeigen neben dem normalen Rücklicht auch das Bremsen und Blinken an. Wem der Scheinwerfer zu mau sein sollte, der wird beim Griff ins Zubehör auch glücklich werden, dort findet sich ein moderner LED Scheinwerfer.
Nur der normale Scheinwerfer.
Nun aber zurück, die Zeit drängt! Ich fahre wieder ein Stück zurück, in Richtung Niedernhausen und biege dann ab, in Richtung Niederseelbach. Dort gibt es eine etwas tückische Kreuzung in einer Steigung. Dort kommt eigentlich immer etwas. Zudem kann man sie schlecht überblicken. Ich muss kurz halten, das Anfahren bereitet mir keine Schwierigkeiten. Es ist echt ein wenig wie Fahrradfahren. Ich schwinge fröhlich durch den Wald und bin nach ein paar Kilometern in Taunusstein Neuhof angelangt. Ich wechsele auf die Straße nach Wiesbaden, die mich über die Platte führt. Kurz vor der Senke, wo die Einfahrt nach Wehen liegt, laufe ich auf zwei PKW auf. Hier ist 60, was wir auch brav fahren, aber nach der Senke, da geht es mit 100 den Berg rauf. Ich spanne den Hahn und rausche mit grollendem Motor davon. Das ist beeindruckend, das hätte ich so von den 52 PS und ihren fast 70 NM nicht erwartet. Doch, das gefällt mir. Ich lasse mich entspannt zu Tal rollen und komme in die Stadt zurück. Eine kurze Baustelle vor der Schwalbacher Straße und dann bin ich auch schon voll im Berufsverkehr. In der Oranienstraße kann ich die Vorteile der wendigen Maschine voll auskosten. Ich teile die Massen wie weiland Moses das Rote Meer und bin schon bald am Hauptbahnhof. Das geht wirklich einfach und souverän.
Auf der Mainzer Straße tanke ich zum guten Schluß noch mal voll. Dabei fällt mir auf, daß der Tankdeckel bei der Harley offenbar überhaupt nicht gesichert ist. Ich kann ihn einfach so herausdrehen.
Dafür schaltet sich die Alarmanlage sofort scharf, sobald ich das Motorrad verlasse. Auf den letzten Metern bis zum Händler ist es echt schade, daß die Zeit mit der Maschine schon vorbei ist. Ich rangiere sie auf den Hof, stelle sie rückwärts wieder in Parkposition, so wie ich sie übernommen habe und gebe den Schlüssel ab. Cooles Motorrad. Das ist echtes Motorradfahren, kein Mackertum oder Gepose. Dafür sollte man einen Platz in der Garage haben.
Gesa merkt gleich, daß etwas anders ist, als wir über den kleinen Weg am Bahnübergang das Gelände verlassen und ich mit ihr durch die Stadt bürste, wie eben noch mit der kleinen Amerikanerin. Das hat was in mir angerichtet. Es bleibt spannend.

Die Spiegel sind alledings bloß bessere Schminkspiegel. Mehr als meine Ärmel habe ich nicht gesehen.

11 Kommentare:

  1. Sehr schön geschrieben, danke dafür.

    "Mit Gesa hätte ich mich dieses Manöver nicht so ohne Weiteres getraut." Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Halte ich doch schon die meine GS für ein Fahrrad.

    "Eine coole Sache ist, daß die Blinker sich nach einer Kurve in der Regel über einen Schräglagensensor selbst abschalten." Ist das wirklich so? Ich steh der automatischen Abschaltung eher skeptisch gegenüber. Die GS kann das ja auch - zeitgesteuert. Da verlass ich mich nicht drauf; irgendwann kommt der Tag, an dem es noch blinkt und jemand meint, ich biege ab.... Deshalb bin ich ein Freund des aktiven Abschaltens. Ist mir quasi in Fleisch und Blut übergegangen.
    Grüße, Thomas

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    1. Das Problem kenne ich auch von einem GS-Biker. Wenn er vorausfährt, und es kommen noch weitere Abzweigungen...das macht mich verrückt. Er ändert aber nix dran..is ja original...XD

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    2. Dankeschön!

      Doch, aus dem Stand umdrehen erfordert bei Gesa mehr Arbeit als bei der kleinen Sportster. Bei sowas habe ich immer etwas Bange, daß ich gleich auf der Nase liege.

      Mit allen Automatiken ist es ja so eine Sache. Eigentlich sollte man ja so verfahren, als ob man von denen noch nie was gehört hat. Gerade beim Blinker empfiehlt es sich, egal was man für eine Abschaltautomatik an Bord hat, nach einem Blinkvorgang mal aus dem Augenwinkel die Anzeige zu checken. Bei Gesa geht der Blinker auch nach 200m Wegstrecke wieder aus. Das kann im umgekehrten Fall etwas blöde sein, wenn man zu früh geblinkt hat. Dann geht er nämlich aus und der restliche Verkehr denkt, man habe es sich anders überlegt. Auch geht der Blinker nach einer gewissen Zeit aus, das habe ich auch schon mal an einer Ampel ausprobieren können. Auch da empfiehlt sich das Schielen mit einem Auge nach der Anzeige.
      Dieser Schräglagensensor bei der Harley funktioniert recht erfreulich. Allerdings hatte ich auf meiner Fahrt auch Situationen, in denen er nicht abgeshalten hatte. Da habe ich halt manuell nachgeholfen.

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    3. @Marcus Berndt
      Das hatte ich auch mal bei einer Ausfahrt, vor mir fuhr jemand mit einer R1200R. Das selbe Problem. Der hat das Abschalten der Automatik überlassen. Die hat aber 200m gebraucht. Das ist in einer Ortschaft, oder Stadt beileibe zu viel. Das stiftet mehr Verwirrung unter nachfolgenden und anderen Verkehrsteilnehmern, als es letztlich nützt. Und der Griff mit dem Daumen zum Knopf ist nun wirklich simpel.

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  2. Was für eine schöne Ode an die Harley. Die Wendigkeit trotz 500 Pfund Lebendgewicht und der Blinker mit Schräglagensensor hatten es mir seinerzeit bei einer ersten Probezeit sofort angetan. Naja, Du weißt ja, was ich heute fahre... und der "Eisenhaufen" hat bisher abgesehen von den üblichen Flüssigkeiten, einer neuen Batterie nach 8 Jahren und der gelegentlichen Wäsche noch nichts gehabt. Ich hoffe, das bleibt auch so. Mich hat Technik, Aussehen und Fahrgefühl jedenfalls überzeugt und ich bleibe auch bei meiner Sporty, auch wenn ich schon mal nach einer Triumph Scrambler schiele...

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    1. Ja, die 883 hat mich wirklich beeindruckt. Das ist ein wahrhaft schönes Motorrad. Und - der Name "Sportster" deutet es ja schon an - an ihr ist mehr Sport zu finden, als man bei HD annimmt.
      Ich denke, das ist es auch, was so viele andere begeistert, die überschaubare Technik, die zwar in der Zwischenzeit die ein oder andere Zutat an Elektronik erfahren hat und die Optik. Um so schöner ist es dann, wenn das auch noch gut fährt. Sollten mehr ausprobieren.

      Was die Scrambler betrifft, da würde ich weiterschielen, da wird wohl zur Eicma noch was kommen...

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  3. Oje, das macht voll Lust auf die Sporty... ;-)

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    1. Wieso oje? :) Es gibt mit Sicherheit auch bei Dir in der Nähe einen Harleyhändler, da würde ich einfach mal vorbeischneien und nach einer Probefahrt fragen. Man muss ja nicht gleich das volle Programm ordern.

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  4. Hab ich jetzt erst bei erneuter Durchsicht der Bilder gesehen...Die haben sogar ein Harley Emblem im Reifenprofil...(OO)

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    1. Ja, über das Emblem auf den Reifen habe ich mich auch amüsiert. Was ich auch immer wieder hübsch finde, das sind die blumigen Namensgebungen für die ganzen Anbauteile. "Screamin Eagle Street Cannon Slip - On Mufflers", oder "Daymaker" für die LED Lampen.

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