Donnerstag, 28. Januar 2016

Gut gebrüllt! Ausprobiert: BMW S1000XR

Der freundliche Tullius und ich stehen vor der Tür. Er hält die Hand über eine rote Maschine, sieht mich fest an und raunt mir zu: „160PS! E – Gas! Die hat den Motor von der 1000R.“ Ich stehe andächtig daneben und betrachte das nagelneue Eisen. Kleine Räder, hohe Stelzen, eine rote Verkleidung, zwei Scheinwerfer. Vor uns steht die S 1000 XR. 

„Das Rad hier, das braucht Dich nicht zu interessieren, das ist für das Navi. Hier ist der Tempomat, da klickst Du Dich durch das Fahrwerk durch und da, da kannst Du das Mapping beeinflussen. Die 160PS stehen immer an, Du kannst hier bestimmen, wie hart sie Dich treffen.“

Die Worte habe ich noch im Ohr, als ich den Schlüssel in die „Ignition“ Position drehe. Noch nie hatte ich auf einem Motorrad dabei so sehr Assoziationen an Raketenstarts, wie wir sie in den Siebzigerjahren im Fernsehen gesehen hatten. Ich drücke den Startknopf. Es ist, als wenn man einem schlecht gefrühstückten Tiger auf den Schwanz tritt. Die Maschine knurrt, faucht zähnefletschend. Da spielt es sich wirklich unglaublich ab, das merke ich jetzt schon. Ich trete den ersten Gang rein und drehe am Griff. Wir setzen uns in Bewegung. Ich fahre hinter einem Fahrschulauto hinterher, das gerade bei der Motorradausbildung ist. Eben haben sie noch neben mir gestanden und er hat seinem Schützling die Dinge erklärt, die bei der Abfahrtskontrolle zu tun sind. Dann hatte der Fahrschüler den Einzylinder in Gang gesetzt, ein wenig klang das nach Dampfmaschine und war losgeeiert. Nun zuckele ich hinter ihnen her. Gut so. So kann ich mich langsam an die Maschine gewöhnen. Ich komme nicht in Versuchung gleich am Kabel zu ziehen. Erst einmal nimmt mich der Verkehr in Anspruch. Ich fahre in Richtung Innenstadt, ich möchte mir einen Weg suchen, der mich ein wenig in die Außenbezirke von Wiesbaden bringt, und dann möglichst ohne größere Staus über den Rhein. 
Bald schon rolle ich in Richtung Gibb auf dieser langen, geraden Straße. Fünfzig ist hier. Warum also fahren wir das nicht auch? Warum muss der vor mir so elendig langsam dahinschleichen? Ich lege mir Schmähungen zurecht, die ich dem vor mir genussvoll um die Ohren hauen kann, in denen die Zahl dreißig vorkommt, sowie etwas mit Schnecken - und schaue zur Untermauerung auf den Tacho. Oh shit. Wir fahren fünfzig. Ein bisschen darüber sogar. OK...
Ich komme auf die Biebricher Allee und schlängele mich durch den Feierabendverkehr. Der ist heute wieder besonders dicht, das merke ich auch gleich darauf, als ich auf den Südfriedhof zufahre. Da geht auf einmal nichts mehr. Also biege ich beim Mediamarkt ab und fahre durch zum Stadion. Nun schaue ich etwas genauer auf den Tacho. Die Maschine rollt sehr gut, die Bodenunebenheiten federt sie prima weg. Mir fällt ein schwarzer Nöppel auf der Mutter vom linken Gabelkopf auf. Da kommt ein Kabel raus. Das ist ein aktives Fahrwerk!
Dynamic ESA - Electronic Suspension Adjustment
Lenkungsdämpfer
Als ich endlich Bierstadt hinter mir gelassen habe, kann ich ein wenig Gas geben. Allzuviel traue ich mich nicht, denn die Straßen sind noch naß vom Regen des frühen Nachmittages und die Maschine gehört mir nicht. Der Motor macht die irresten Geräusche unter mir. Bröööööm, brööööööm!! Vier Zylinder toben da umeinander wie die Derwische. Allerdings, das fällt mir bald auf, nicht so soft und samtpfötig wie bei anderen Vierzylindern, die ich bisher gefahren bin. Hier gibt es durchaus ernsthafte Vibrationen am Lenker. 
Hinter ein paar Autos zuckele ich auf Medenbach zu. Die Straße ist auch hier noch naß und es gibt Gegenverkehr. Hinter Auringen kann ich Gas geben. Der Volvo vor mir macht es vor und ich ihm nach. Wie ich ihn überhole denke ich mir so „und wieso hat der denn jetzt gebremst?“ - hat er nicht. Nur ich habe Gas gegeben. Die Beschleunigung ist wirklich schwer Welt!
Ich komme in Hochheim auf die Autobahn. Souverän. Mehr kann man dazu nicht sagen. Ein kurzer Dreh am Griff und ich bin von den anderen weit genug entfernt und in Sicherheit. Die Abfahrt in Weisenau nehme ich recht sportlich. Viel schneller als sonst. An die etwas gefühllose Vorderachse habe ich mich hier schon gewöhnt, die bereitet mir hier keine Kopfprobleme mehr. Es ist möglich mit dieser Maschine und ich mache es einfach. Genauso, wie ich auf der Straße nach Bodenheim einfach etwas das Gas aufdrehe. Die anderen bleiben zurück, ich gleite noch recht entspannt dahin. 140 steht auf der Uhr, das sind 40 zu viel, also drossele ich das Tempo ein wenig. Über allem ist der gnadenlose Klang des Motors unter mir. Dieses Brüllen wird nicht vom Winde verweht wie bei Gesa, wenn ich schneller fahre. Es dröhnt, brüllt, vibriert – das ganze Ding lebt irgendwie. Die Leute drehen sich in Bodenheim nach mir um, als ich durch die schmalen Gassen rolle. Dabei hat kein Slowene am Abgasschacht die Finger im Spiel gehabt. Der Klang ist von sich aus schon so.
Die letzten Kilometer bis nach Hause vergehen buchstäblich wie im Fluge, aber ich bin am Ende fast schon froh, den lauten Motor in meiner Garage nun ausschalten zu dürfen. 
Die Bremsen: vorne Brembo...
...hinten BMW. Was immer das bedeuten mag.
Das Aufbocken auf Gesas Rollwagen geht einfach, der tiefe Schwerpunkt kommt da ins Spiel und so kann ich sie leicht in der Garage herumrangieren, was mir morgen beim Fotografieren sicher nützlich sein wird. 
Die Griffbügel sind nur aus Kunststoff. Der Kupplungshebel ist nichts für kleine, schwache Hände. Er ist nicht verstellbar.
Gut versteckt. Hinterer Bremsbehälter
Es mag zwar so ausschauen, es ist aber lediglich normale Plaste.
Gut erreichbar: Die Batterie
Für den entspannten Wochenendtrip zum nächsten Lago...
Nach dem Fotoshooting am nächsten Morgen mache ich mich auf den Weg zurück nach Wiesbaden. Ich beschließe, in Wörrstadt auf die Autobahn zu fahren, um wenigstens ein wenig den Tempomaten auszuprobieren und um – naja, auch mal etwas schneller zu fahren. Schon auf dem Weg dorthin fällt mir auf, daß ich die Kurven, die es dort gibt, um einiges flotter angehe als sonst. Auch hier ist der tiefe Schwerpunkt wieder mein Freund.
Auf der Autobahn muss ich erst einmal einen BMW vor mir davon überzeugen, daß es besser ist, mich vorbeizulassen und drehe dann auf. Mit einem Höllenlärm aus dem Keller schieße ich an dem BMW Fahrer vorbei und lasse ihn im Rückspiegel rasch kleiner werden. Die Zahlen im Display steigen rapide. Bei 197 muss ich Schluss machen, denn die Verkehrslage läßt noch mehr nicht zu. Das reicht allerdings auch. Der Fahrtwind ist bei dem Tempo durchaus ein Thema. Mit der höhenverstellbaren Scheibe hatte ich gestern schon mal rumexperimentiert, mich letztlich aber für die niedrige Position entschieden, weil die andere wieder unangenehme Verwirbelungen erzeugt hatte. 
Der Tempomat funktioniert prima, allerdings ist es wie im Auto auch, wirklich über lange Distanzen kann man ihn hierzulande nicht nutzen. Ein schönes Spielzeug für die Interstate, aber da nützen mir die 160PS wiederum nichts.
Das Runde über dem Eckigen: Ein Schaltblitz
Am Kreuz Mainz biege ich ab und hinter der nächsten Abfahrt stehe ich an einer Ampel. Allerdings in der Pole. Als es grün wird, ein kurzer Dreh am Griff, mit dem linken Fuß eine kleine Bewegung nach oben, zweiter Gang, noch mal, dritter Gang, ich bin schon weit den anderen voraus. Der Schaltautomat mit Blipperfunktion ist eine feine Sache. Ich kann das Gas einfach stehenlassen und schalte ohne zu kuppeln rauf und runter nach Belieben. Die letzten Kilometer durch die Stadt sind eher unspektakulär, ich schlängele mich leichtfüßig durch den beginnenden Feierabendverkehr, fahre gemütlich mit Tempomat am Rheinufer entlang und biege kurz vor Schluss noch mal auf die Tanke ab. Etwas mehr als hundert Kilometer bin ich gefahren seit gestern, knappe sieben Liter gehen in den Tank rein. Damit stimmte die Anzeige im Display ziemlich gut, die einen Verbrauch von etwas über sechs Liter prognostizierte. So ganz sparsam ist das nicht, aber wer ein Motorrad nach Benzinverbrauch kauft, der hat den Film eh nicht verstanden.


-Alle Bilder übrigens sind nicht etwa bei BMW geklaut, sondern in der eigenen Garage selbst gemacht!-

Dienstag, 19. Januar 2016

Sonntagsmesse

+++17.01.2016+++


"Nee, wie blöd! Die Strasse ist knochentrocken! " entfährt es mir, als ich im Auto sitze und auf Nieder Olm zu steuere.
Bald eine halbe Stunde hatte ich mit mir gehadert, ob ich nun mit Gesa fahren sollte, oder mit dem Auto. Das Auto hatte gewonnen. Aber nur, ich betone, nur weil ich davon ausgegangen war, daß die Strassen nass sein würden und voller Salz. Denn in der Nacht hatte es tatsächlich geschneit. Nicht viel, aber immerhin so viel, daß in großen Mengen Salz gestreut worden war.
Ich nähere mich der "Ludwig Eckes Festhalle" in Nieder Olm. Die Parkplätze werden voller. Hätte ich Gesa dabei gehabt, dann hätte ich ganz frech vor der Tür parken können. Hätte. So finde ich schließlich einen freien Platz am Friedhof und habe ein Stück zu laufen. Es ist kalt, der Schnee bedeckt leicht pudrig die Grasflächen neben der Straße, der Himmel ist milchig bis wolkig. Vormittags hatte beste Sonne geschienen. Jetzt sieht es so aus, als könnte es durchaus wieder schneien.
Vor dem Eingang der Halle ein kleines Grüppchen Raucher und an der Kasse nur zwei Leutchen vor mir. Ich habe den Zeitpunkt anscheinend günstig gewählt. Es ist halb drei, die zum Kaffee zu Hause sein müssen, sind entweder noch in der Halle, oder hauen bald ab.
Ich bezahle drei Euro, bekomme einen Stempel auf die Hand gedrückt und bin drin. Der MC "The Bikers" Nieder Olm beehrt sich, Besucher auf der traditionellen Motorradausstellung Anfang des neuen Jahres Willkommen zu heißen.
Erinnert irgendwie an den Stempel für die Fleischbeschau
Die Halle ist nicht riesig, keine Messehalle, sondern lediglich eine kleinstädtische Veranstaltungshalle. Es gibt eine Bühne, einen Saal davor, mit Foyer und Garderobe im Keller und eine Empore. "Tanz der Vampire" habe ich hier schon mal vor Jahren gesehen.
Zum Saal muss ich ein paar Stufen nach oben. Hier stehen schon Aprilia und MV Agusta Motorräder. Aber das ist erst der Anfang. Die Halle ist recht voll, zwischen vielen Menschen stehen die Motorräder. Ich schaue mich um.

Die lokalen Händler aus einem Umkreis von rund fünfzig Kilometern sind mit jeweils einer Auswahl an Maschinen erschienen. Es ist eigentlich alles da, was Rang und Namen hat. Kawasaki, BMW, Suzuki, Honda, Yamaha, KTM, Royal Enfield, Aprilia, Moto Guzzi, MV Agusta, Triumph... Dazu noch ein Ausstatter für Klamotten und Helme, Bikerland aus Bad Kreuznach.
Bei den Weißblauen treffe ich auch gleich die ersten Bekannten. "Was machst Du denn hier?" fragt mich Achim, während sein Sohn auf der F800GS im 2016er Outfit zur Probe sitzt. "Fährst Du auch Motorrad?" - Ja, so eine. Ich zeige auf die 800er. Er ist beeindruckt. Was ich von der neuen Africa Twin halte, möchte er wissen. Die habe ich mir noch nicht angesehen, da standen zu viele Leute bislang drumherum, ich werde mich aber gleich um sie kümmern. Wir reden noch ein paar Takte, dann kommt auf einmal Michael aus der Menge auf mich zu. "Hallo! Dich habe ich ja schon lange nicht mehr gesehen!" Wir begrüßen uns und Michael meint, Chris sei auch hier irgendwo. Ich werde schauen. Wir reden noch ein paar Takte und dann verabreden wir uns für später irgendwo in der Halle.
Aah! Da ist sie ja...!
Mitten in der Halle steht tatsächlich die neue Africa Twin. Achim meint die Front würde ihm besser gefallen, die sei etwas höher als bei den "neuen". Damit meint er die anderen, so wie Gesa. Bei der "Africa Twin" schwingt halt immer noch so etwas von Orignal mit. Auch wenn es das brandneue Modell nach wasweißichvieviel Jahren Pause ist. Ich weiß noch nicht ganz, was ich von dem Design halten soll. Sie wirkt modern, aber es ist etwas an ihr... ich weiß nicht recht wie ich es beschreiben soll. Irgendwas sieht nach 90er aus. Das meine ich gar nicht böse. Vielleicht eine andere Art von Retro? Egal, das Bein locker über die Sitzbank geschwungen und mit Schwung in die Senkrechte. - Das geht überraschend leicht. Sie muss einen enorm tiefen Schwerpunkt haben. Bei Gesa muss ich schon etwas mehr wuchten. Man sitzt nicht unangenehm, der Sitz ist nicht zu hoch, da werden auch Leute mit zurecht kommen, die kleiner als ich sind. Alles wirkt aufgeräumt und überschaubar. So soll es sein. Ich bin jetzt schon unheimlich gespannt darauf, sie mal im Betrieb zu erleben.
Achim macht sich indes auf die Suche nach seinem Sohn und ich schaue mich weiter um. Hinter den Hondas stehen ein paar Yamahas. Ich entdecke etwas grünes zwischen den Maschinen.
Die nagelneue XSR700 ABS. Eh ich es mich recht versehe, nehme ich auf der Sitzbank Platz. Klein, aber nicht winzig. Schade, daß man im Tacho ohne Schlüssel nichts sehen kann. Wenn das nun noch ein klassisches Rundinstrument wäre und nicht nur ein rundes Instrument... - die steht auf jeden Fall auch auf der Liste "fahren wollen"! Wenn man doch bloß so viel Platz und Geld hätte.. Möh.

Wie ich mich rumdrehe, stehe ich vor einer kleinen Hand voll KTM Maschinen. 1290er Adventure, 690er Enduro und die neue 690er Duke. Leider nicht die "R" Version. Auch auf jeden Fall eine von den Maschinen, die im neuen Jahr mal zu fahren sind.
Neben den KTMs stehen Triumphs. Kein Wunder, ist der selbe Händler aus Bad Kreuznach. Ich stehe vor der neuen Street Twin. Das ist das neue Einstiegsmodell der "Bonville" Baureihe. Äußerlich ähnlich wie die "alten", aber im Detail anders. Es gibt jetzt ABS, Ride by Wire, das Cockpit ist etwas aufgeräumter und der Motor hat eine Wasserkühlung. Die Leistung ist bei diesem Basismodell ziemlich gleich geblieben. Es heißt gespannt sein auf die kommende 1200er.

Kaum zu sehen: die Wasserkühlung
Nachdem ich auf einer Kawasaki Vulcan S Probe gesessen habe, komme ich mit einem Mann ins Gespräch. Er meint, so eine kleine Maschine sei doch gar nichts für so eine große Frau wie mich. Kann der Hellsehen? Wir unterhalten uns dennoch nett und irgendwann ziehe ich weiter.
Als ich Michael wiedertreffe, steht Chris auch bei ihm. Wir unterhalten uns eine Weile, dann schauen Chris und ich uns noch mal die Maschinen an. Sie fährt eine F700GS und ist erstaunt, wie gut sie auf der neuen Honda sitzt. Die schaut höher aus, als sie ist. Ein Foto von sich auf der Maschine appt sie sofort an eine Freundin. Ich bemerke Begeisterung...
Nach unserem Rundgang treffen wir Michael wieder und reden Benzin, bis schließlich die Händler anfangen, zusammen zu räumen. Aus meinem Vorhaben, hier mal ein Stündchen hin zu fahren, sind gleich ein paar Stunden mehr geworden.
Als wir aus der Halle kommen, ist es nicht nur lange schon dunkel, es ist auch unangenehm kalt geworden. Die Straßen sind feucht und ziehen etwas an. Ich bin froh, nun doch nicht mit Gesa gefahren zu sein.

Cool, die Motorradausstellung in Nieder Olm hat glaube ich bei mir einen festen Platz im Jahresterminplan gefunden...

Den Kollegen vom Gasgriff - Salat habe ich allerdings leider nicht getroffen. Vielleicht im nächsten Jahr...

Donnerstag, 14. Januar 2016

Spessartrodeo

+++02.08.2015+++


Nach einer eher unruhigen Nacht schrillt um halb sieben der Wecker. Sonne scheint durch die Vorhänge. Was zum Teufel...? Wo bin ich? Ich reibe mir die Augen und komme langsam zu mir. Ich bin in einem Hotelzimmer in Mönchberg. Irgendwo im Bayerischen Spessart. Gestern waren Tom und ich in Miltenberg gewesen und hatten uns etwas umgesehen. Eine hübsche kleine Stadt. Mit meinen Eltern bin ich schon einmal hier gewesen. Aber das ist lange her. Keine Zeit jedoch für Sentimentalitäten, hoch!
Ich klopfe, ob Tom schon wach ist, er antwortet, also muss ich mir da keine Sorgen machen. Eine Stunde später sammeln wir uns zum Frühstücken. So zeitig hat man in der Gaststube mit uns noch nicht gerechnet. Verdutzt schaut uns die Dame an, die aus der Küche kommt, als sie im Gastraum Leute hört. Dann geht es aber sehr schnell. Das Frühstück ist sehr lecker, es gibt frische, warme Brötchen und frisches Rührei. Klasse. Zwanzig vor neun brechen wir auf.
Wir sind heute mit dem Auto unterwegs und es wird sich noch zeigen, daß das eine gute Idee war. Bis nach Großheubach ist es nicht weit. Nur wenige Kilometer über die Landstrasse. Der MSC Großheubach ist kurz vor dem Ort ausgeschildert. Wir fahren einen Berg hinauf, oben sind terassenartig mehrere Plätze angelegt, auf denen entweder geparkt wird, oder gezeltet, oder beides. Wie wir auf dem Weg an diesen Terassen vorbefahren, meint Tom:"das war er eben, der Typ aus dem Internet!". Wir rollen zurück und auf einen Parkplatz, schnappen uns unsere Sachen und laufen das kurze Stück. Die Trialschule Elmar Heuer wartet auf uns. Wir werden herzlich begrüßt, weitere Teilnehmer sitzen bereits unter zwei Sonnenschirmen vorm Küchenzelt. Das ist der vordere Teil eines Anhängers. Daneben steht ein Transporter und dahinter die Motorräder. Wir füllen unsere Anmeldung aus und bekommen artgerechte Klamotten. Die Stiefel, bei mir immer etwas sensibel, fühlen sich zunächst ok an.
Als wir ausgerüstet sind, bekommen wir eine kurze Einweisung an den Maschinen. Danach geht es los. Die Aufregung steigt. Tom ist noch nie selbst ein Motorrad gefahren und ich habe auch keine Ahnung, was uns hier erwartet. Wir laufen den Berg ein Stück hinunter und dann an der ersten Möglichkeit rechts. Es geht noch ein wenig durch den Wald. Das muss ein ehemliger Steinbruch sein, durch den wir da laufen. Es gibt große Sandsteinquader und Felsen, die verteilt im Wald liegen. Auf einer Lichtung sind schon andere unterwegs. Überall wuseln kleine Motorräder herum. Wir sammeln uns neben ein paar Steinblöcken und warten ab. Die Maschinen werden vorbereitet, Elmar reduziert die Möglichkeit Gas zu geben auf ein Mindestmaß.
Wir werden uns jeweils zu zweit ein Motorrad teilen. Tom, da er etwas kleiner als ich ist, mit einem anderen jungen Mann und ich mit dem Vater von Toms Gegenüber. Die beiden können schon einiges mit dem Motorrad im Gelände und ich habe das Gefühl, sie langweilen sich eher mit uns anderen.
Tom bekommt zunächst die ersten Grundschritte auf dem Motorrad beigebracht. Also wie wird die Kupplung eingesetzt, wo ist die Bremse und so weiter. Ich kann ja schon mit einem Motorrad fahren und so beschränkt sich bei mir die Einweisung auf das Wesentliche. Als Übung fahre ich im Kreis um ein paar Felsen und liegende Bäume herum.
Das Motorrad ist ganz anders als ich es gewohnt bin. Abgesehen davon, daß man im Stehen fährt, ist der Schalthebel nicht so leicht zu erreichen. Den brauchen wir zwar ohnehin zuerst nicht, wir fahren im ersten Gang, aber auch die Fußbremse ist ungewohnt. Das Pedal dafür ist winzig und zudem auch recht weit von der Raste entfernt. Ich lerne, weit außen auf den Rasten zu stehen und die Maschine hauptsächlich durch Gewichtsverlagerung auf den Rasten zu lenken. Damit sind auch sehr enge Kurven machbar. Unglaublich spannend!
250 Kubik, vier Takte, Kickstarter.
Relativ dicke Reifen mit relativ wenig Luft.
Keine hundert Kilo Lebendgewicht
Spartanisches Cockpit. Einen Zündschlüssel gibt es nicht, wir haben einen Magnetstecker mit einem Bändchen am Handgelenk, der den Kontakt herstellt, oder abgezogen wieder unterbricht.
Glasklar, ein Trialmotorrad.
Tom unterdessen kommt mit der Bedienung der Maschine sehr gut zurecht und fährt auch schon selbstständig um das Rund. Das macht einen sehr guten Eindruck wie er fährt, er hat Talent.
Wenn ich fahre, habe ich den Eindruck, es geht unheimlich stöckerig und der Motor schreit wie sonstwas. Von Außen betrachtet ist das wohl gar nicht so. Ich habe auf jeden Fall das Gefühl, ich stelle mich unheimlich blöd an. Dazu kommt noch, daß für mich so eine Trialmaschine wirklich klein ist. Es schmerzt in den Beinen, in den Armen, den Handgelenken, im Rücken. Kurz: Fast überall.
Stück für Stück dürfen wir unseren Aktionsradius erweitern. Wir bekommen gezeigt, wie man bergauf und bergab fährt. Das habe ich ja schon mal gemacht, mit Triumph in Aufenau, aber da es ungewohnt ist, ist es doch etwas besonderes. Zudem wird hier sehr langsam gefahren, während in Aufenau es hieß "Gas! Gas! Gas!" Trial ist auch die Kunst der Langsamkeit. Das ist zwar ein atemberaubender, aber kein rasanter Sport. Ein Stück weiter entfernt sehen wir bei einigen Kiddies, wie es geht, wenn man es kann.
Schwerkraft scheint für sie ein Fremdwort zu sein. Sie hopsen Felsen rauf und aus dem Stand meterhohe Felsblöcke hoch.
Als wir die für diese Location von Elmar vorgesehenen Übungen absolviert haben, ziehen wir auf ein anderes Gelände um. Dort ist unsere Aufgabe, um Bäume herum, parallel zu einem schrägen Hang zu fahren, dann am Hang abzubiegen und schließlich einen Hügel runter. Unten rumdrehen und zurück zum Anfang. Das klingt zunächst einmal recht einfach. Für Anfänger wie uns ist das aber schon ganz anständig.
Wenn man so auf der Maschine steht, dann wirkt der Hang unheimlich steil, die Kurve unheimlich eng und der Abgrund gradezu gähnend. Wie ich das dann von außen betrachte, da ist der Hang total lächerlich und es gibt wirklich reichlich Platz zum abbiegen.
Als wir an dem Platz ankamen, trainierte dort noch eine andere Gruppe an einer Ansammlung eingegrabener alter Bagger, oder Traktorenreifen. Wir stellen fest, es sind lange nicht alle Teilnehmer am Trialcamp im Teenageralter. Im Gegenteil, der Altersdurchschnitt wird bei fünfzig liegen. Das macht Hoffnung. Ich schlage mich ganz gut so weit, Elmar ist recht zufrieden. 
Tom fährt noch ein wenig Runden und wagt sich dann auch an die Aufgabe. Das meistert er sehr gut! Hey, er fährt erst seit gut einer Stunde Motorrad!
Nach einigen Runden und noch ein paar Mal abwechseln ist schließlich Mittagspause. Wir kehren ins Camp zurück. Dort wartet heiße Suppe, Bananen, Joghurt, Wasser und Kaffee auf uns. Gestärkt und wieder fit geht es zur letzten Etappe. Doch zuerst bekomme ich neue Stiefel. Mit den anderen habe ich kaum noch gehen können vor Schmerzen, geschweige denn anständig auf dem Motorrad stehen können. Mit den neuen geht es nun deutlich besser.
Wir laufen wieder zu der Stelle, wo wir morgens angefangen haben, und werden dann weitergeleitet auf eine Rasenfläche, ein Stückchen weiter. Hier sollen wir um einen kleinen Hügel herumfahren und dann eine Steigung hoch und oben wenden. Dazu gibt eine etwas größere Fläche und ein Stück weiter eine kleinere Fläche. Wir sollen ausprobieren, wie wir damit zurecht kommen und was wir uns zutrauen. Eine zunächst unerwartete Schwierigkeit dabei ist, daß diese Wendefläche ein Knotenpunkt von mehreren Strecken ist. Dauernd kommen andere Fahrer aus dem Unterholz gebrochen. Ich steige ein paar Mal ab, weil mir das zu heikel ist. Tom traut sich das Wenden am Hang nicht, kein Wunder, ihm erscheint das heute noch als unheimlich steiler Berg. Das wird sich aber bald ändern, wenn wir so etwas noch mal machen werden.
Ich merke in den Knochen, daß der Tag anstrengend ist. Die Handgelenke tun mir weh und ich merke es in den Oberschenkeln. Ich kann jeweils nur ein paar Runden fahren, danach verlässt mich die Kraft. Noch dazu kommt, daß es ein außergewöhnlich heißer Tag ist. Hitze ist nicht so mein Ding. Mittlere Temperaturen, blauer Himmel, Sonne, dekorative Wölkchen. Das ist mein Wetter. Heute sind es gute 36 Grad und die Sonne brennt vom Himmel. Es ist noch mal ein gutes Stück wärmer, als es gestern war.
Als ich gerade eine kleine Pause mache, um etwas zu trinken, ereignet sich neben mir Spektakuläres. Der Mann, mit dem ich mich am Motorrad abwechsele, übertreibt es etwas in der Folge seiner größeren Kenntnisse und reißt einen filmreifen Salto über den Lenker. Durch diese Demonstration lernen wir, daß es auch hierbei ungesund ist, mit fest am Mopped montierten Teilen während der Fahrt den Boden zu berühren. Weder ihm, noch dem Motorrad ist etwas passiert, was ein Glück, beide sind wohl robust gebaut.
Die Hitze setzt uns allen mehr und mehr zu. Es wird langsam unerträglich. Ich habe kaum noch genug Saft in den Knochen um den Motor anzutreten. Ich bin etwas ausgelaugt. Doch auf einmal ist es bereits fünf Uhr. Wo ist der Tag hin? Elmar lässt uns zurück ins Camp fahren. Tom und ich dürfen fahren, die anderen müssen laufen.
Völlig durchgeschwitzt wechseln wir die Klamotten und nach einem kurzen Plausch verabschieden wir uns. Im Auto ziehe ich den Rest der Motorradklamotten aus und was trockenes, sauberes an. Wir sind beide ziemlich fix und alle, die Arme sind schlaff und der Weg wird lang, als wir nach Mainz zurückfahren. Mit dem Motorrad währe ich nie und nimmer wieder nach Hause gekommen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, daß Tom neben mir die Augen während der Fahrt etwas zu macht. Schlafen wird er nicht, das kann er nicht während der Fahrt, es ist aber ein Zeichen, daß auch er hinüber ist. Zu Hause brauchen wir erst mal Kaffee. Dabei sichten wir die Bilder lassen das alles noch mal revue passieren. Wir sind völlig ausgelaugt, aber total happy und zufrieden.
Unser Fazit: Sehr geil! Wiederholung sehr wahrscheinlich!

Das Motominya Racing Team - bereit für neue Schandtaten!

Die Trialschule von Elmar Heuer führt Trialkurse und Trialferien in ganz Deutschland an verschiedenen Standorten durch. Man kann entweder, so man hat, mit dem eigenen Motorrad teilnehmen, oder aber auch - wie wir - Motorrad und Ausrüstung ausleihen. Beides ist im Preis für den Kurstag mit inbegriffen. Tom und ich haben pro Person 130,- Euro bezahlt, inklusive Mittagessen, Getränken, Motorrad, Klamotten, Betreuung und unfassbar viel Spaß.
Diese Kurse kann man übrigens auch als Firma buchen, für die Belegschaft.