Sonntag, 11. November 2018

Power. Ausprobiert: BMW R1250GS

+++27.10.2018+++

Der Salatprynz hatte gedrahtet:"Am Wochenende ist in Dreieich Saisonabschluss. Da gibt es Neuheiten zu sehen und vielleicht kann man auch was fahren..."  Blick auf das Wetter: passt. Also zugesagt.
Am Samstagmorgen treffen wir uns im Nachbarort und besprechen kurz die Route. Bis kurz hinter Rüsselsheim fahren wir auf der Autobahn und danach dann auf der Landstraße. Hört sich gut an. Er fährt vor.
Bei der BMW Niederlassung in Dreieich sieht es zunächst nicht nach großer Veranstaltung aus. Erst als wir näher kommen und unter dem Übergang durchfahren, können wir etwas mehr Motorräder und auch Leute sehen. Overcrowded ist es jedenfalls nicht. Vermutlich müssen mehr an so einem Samstagvormittag mit Mutti einkaufen fahren, als man denkt.
Rechts neu, links alt
Wir machen eine kleine Runde durch den Ausstellungsraum und schauen uns um. Die Heritage - Reihe, die R - NineT Modelle, sind ziemlich komplett in ihren neuen Farben schon vertreten. Das neue Blau der Scrambler macht mich nicht wirklich an. Auch die Option 719 Farben sehen für meine Begriffe gewöhnungsbedürftig aus. Aber, ich bin mir sicher, sie werden Freunde finden.

Erst auf den zweiten Blick erkennt man hier die Urban G/S.
Das was wir eigentlich an diesem Tag suchen, finden wir recht an den Rand gerückt. Die neue R 1250 RT und die neue R 1250 GS. Beide schauen fast genauso aus, wie ihre kleineren Vorgänger. Es sind nur Details, die sie unterscheiden.




So zum Beispiel der Hersteller der Bremsen. Bei der "kleinen" steht "Brembo" auf dem Bresmssattel, bei der "großen" prangt "BMW" auf dem goldenen Metall.
Es gibt auch hier, so wie ich das schon bei einem anderen Händler gesehen habe, geführte Touren mit ausgesuchten Motorrädern. Unter anderem mit der neuen R 1250 GS. Da ich etwas schneller bin, sichere ich mir die Schlüssel für die 13:00 Uhr Ausfahrt.
Es sind noch ein paar Minuten Zeit und so schleichen wir um die Maschine, die draußen zwischen anderen Eisen wartet. Sieht immer noch wie eine GS aus. Sie haben wohl Kleinigkeiten geändert, aber das bewährte Konzept beibehalten. Nachdem Honda es mit der Africa Twin ja vorgemacht hatte, machen es alle nach. Die Felgen sind golden und die Maschine ist weiß/blau/rot. Da hebt sich die große GS nicht von der kleinen ab. Nebeneinnder stehend bemerkt man schon eine Verwandschaft. 

Von ShiftCam sieht man fast nichts. Die elf Pferde mehr gehen schon anders zu Werke als vorher.



Gegen 13:00 taucht der Tourguide auf und es werden die Moppeds gesattelt. Schnell die Kamera in die Jackentasche gleiten lassen und los. Der Sound ist etwas verhalten. Das kann aber auch an den Koffern liegen, die an der Maschine angebracht sind. Was sofort, schon auf den ersten Metern auffällt, das ist der tiefe Schwerpunkt. Was als nächstes auffällt, wie wir auf Neu Isenburg zufahren, die Scheibe taugt mir mal wieder nicht. Das ist mein Stammproblem. Was aber auch auffällt, wenn das Knattern am Helm nicht wäre, man könnte auch an ein Videospiel denken. Man hockt lässig im Sessel und feuert diese Mörderrakete ab. Ich habe das Gefühl, etwas entkoppelt zu sitzen. Ich merke kaum etwas vom Vorderrad, das ganze fühlt sich auch nicht unbedingt motorradig an. Sehr cool irgendwie schon, aber nicht besonders motorradig. Der Motor klingt auch, sobald man in Fahrt ist, und über die dreißig kommt, nicht mehr nach Boxer. Nur um einen Boxermotor zu haben, braucht man keine GS mehr zu kaufen. Von dem merkt man eh nichts mehr. Ein klein wenig Kippmoment, ein Röcheln und das wars dann. Das könnte auch ein Reihenzweier sein. Oder sonstwas.


Dafür tut sich ganz gewaltig was, wenn man am Kabel zieht. Kraft hat das Ding. Kein Zweifel. Man ist schnell unterwegs mit der neuen R1250 GS. Von der  ShiftCam Technik merkt man im Betrieb allerdings so direkt nichts. Da gibt es keinen Ruck, kein Geräusch, kein nichts. Es tut einfach seine Arbeit, ohne Aufhebens.
Wir sind unterwegs in Richtung Stadion und brummen zweimal durch die Kreisverkehre an der Autobahnauffahrt Frankfurt Süd (Es gibt in der Gegend einen eklatanten Mangel an Kurven). Die Maschine vermittelt Sicherheit und wir kreiseln bisweilen etwas flotter, als es erlaubt ist. Ich habe in der Zwischenzeit den Windschutz einmal rauf und wieder runtergedreht. In keiner Stellung gibt es wirklich Ruhe. Wenn die Scheibe unten ist, dann ist es am erträglichsten. Wenn ich mich etwas aufstelle, dann ist sofort Ruhe. Es trennt mich also nicht viel von einer angenehmen Fahrt. 

Drehrad für die Scheibe. Man muss über die halbe Maschine greifen um sie zu verstellen.

Runter

Hoch
An einer Ampel fängt die Maschine beim Start an zu hoppeln, wie ein bockiges Pony. Man muss sie also etwas anders anfahren, als ich es gewohnt bin. 
Wir kommen nach ein paar Minuten auf die Autobahn und können ein kleines Stück lang Gas geben. Da ist sie wirklich sehr elastisch und ich kann einen schleichenden Mini rasch hinter mir lassen. Die Geschwindigkeit steigt dabei sehr rasch, aber man fühlt sich jederzeit sicher auf ihr. Der Videospielcharakter bleibt erhalten. Mühelos erreichen wir knapp zwei Kilo auf der Uhr, bei vollkommener Laufruhe. Bei der Abfahrt muss man aufpassen, daß man sich nicht in der Geschwindigkeit vertut. Es fehlt ein wenig am Gefühl für die tatsächliche Geschwindigkeit. Nach der Autobahnetappe dauert es nicht mehr lange und wir rollen wieder in Dreieich auf den Hof. Gerhard steht am Würschtelstand und schaut erwartungsvoll. Bis ich jedoch bei ihm bin, haben mich schon zwei andere abgefangen. Der Tourguide will wissen, wie mir die neue GS gefallen hat. Ich erzähle ihm gleich, daß ich mit dem Windschild mal wieder nicht zurecht gekommen bin. Er will mir erst eine höhere Scheibe ans Herz legen, aber da winke ich ab. Damit habe ich keine guten Erfahrungen gemacht. Da rückt er damit heraus, daß es auch noch eine kürzere im Programm gibt. Ah! Das könnte was sein. Der andere, der mich gleich in Empfang nimmt, ist noch ein paar Zentimeter größer als ich und wird die nächste Tour mit der neuen GS mitfahren. Er hat eine 2017er GS und ist auf den Unterschied gespannt. Er kann sich gar nicht vorstellen, daß es einen spürbaren Unterschied beim Fahrwerk geben könnte. Ich bin jedoch der Ansicht, daß es bei der Testmaschine sehr wohl einen Unterschied zur herkömmlichen GS gibt. Die hatte ich ganz anders in Erinnerung.
Erst danach kann ich dann bei Currywurst dem Salatprynz berichten, was ich so mit der Neuen erlebt habe. 
Wie wir noch am erzählen sind, kommt der zwei Meter Mann von der letzten Tour des Tages zurück. Er stürzt gleich auf mich zur und ruft: "Du hast Recht, die ist total anders. Der Hammer! Bei 200 fährt die einfach nur geradeaus! Meine macht da sonstwas!" Ich glaube, es wird demnächst eine 2017er Pepsi in der Gebrauchtecke stehen. 

Wie ist nun mein Fazit? 
Nun, die Überschrift über dem Startknopf ist Programm: Power. 
Das ist eine großartige Maschine, mit der man klasse fahren kann. Das ist sehr großes Kino. Der Motor kann definitiv was und das Fahrwerk ist erste Sahne. Auch wenn ich das Gefühl hatte, sehr entkoppelt vom Geschehen zu sein. 
Detail am Auspuff


Telelever




Die Anzeige im Display ist gut lesbar, auch bei Sonnenschein und bietet sogar eine Schaltempfehlung.


Tagfahrlicht

Notrufassistent
Ich habe gut gesessen und habe mich keinen Moment unwohl gefühlt. Daß ich immer Probleme mit den Scheiben habe, das ist bei mir nun mal so und stellt kein Kriterium dar, ob die Maschine nun gut oder schlecht ist.


Damit man auch wirklich glaubt, was man da fährt.

Donnerstag, 13. September 2018

Pure Ridin' - Ausprobiert: BMW R nine T Pure

+++17.08.2017+++

"Uh, eine F800 habe ich im Moment gar nicht da, höchstens eine F700..." meint mein Gegenüber leicht verlegen. "Und was ist mit der Pure, die da draußen auch noch steht?" flöte ich als Antwort. "Hm, ja, die ist auch noch da. Die kann ich ihnen auch mitgeben, ist halt größer." - Traut er mir als Frau wohl nicht zu, will er damit wohl sagen. Statt dessen belasse ich es mit einem "Also." und warte auf den Schlüssel und den Zettel, auf dem ich meine Unterschrift da lassen soll.
Gesa bleibt über Nacht beim netten Händler und wird die 40000er Inspektion über sich ergehen lassen und ich werde also heute abend und morgen mit der RnineT Pure durch die Gegend fahren.
Was mir gleich beim Aufsteigen auffällt, sie ist niedrig. So wie die originale Nine T es auch ist. Die Spiegel eingestellt und dann los. Der Motor bollert los, die Maschine macht den charakteristischen Schubs nach rechts, Gang rein und los. Mit den Füßen tu ich mich wieder zunächst etwas schwer, aber bald nach Kirchheimbolanden habe ich mich daran gewöhnt. Was mir gleich auffällt, die Maschine läuft nicht ganz so lässig, wie es die originale NineT tut. Der Rahmen ist leicht verändert worden, als die anderen Varianten auf den Markt kamen. Der Lenkkopfwinkel ist nun etwas anders. Er stellt offenbar einen Kompromiss dar, um sowohl beim größeren 19'' Rad der Scrambler und der Urban GS zu funktionieren, als auch beim normalen 17'' Vorderrad der anderen Ausführungen.
Der Motor ist wie gewohnt sehr stark, aber der Auspuff ist auch wirklich laut. Das fällt mir gleich auf. Der Spruch ist sehr markig und boxerig, das ganze ist allerdings schon sehr laut. So donnere ich durch die rheinhessischen Dörfer und lasse die Maschine auf mich wirken. Es ist schon sehr cool, mit so einem Ding durch die Weltgeschichte zu brummen, aber die Pure erscheint mir etwas anstrengender als die anderen beiden Varianten, die ich bisher gefahren bin. So richtig ist das nicht meins bis jetzt. Etwas enttäuscht stelle ich sie am Abend auf Gesas Platz. Gut aussehen tut sie ja. Ein wenig diebische Freude packt mich beim Gedanken, morgen in aller Herrgottsfrühe damit im engen Hof aufzubrechen. Dann werden alle wach sein. Mit einem Schlag.
Am Morgen brüllt sie auch dementsprechend los. Ich habe das gute Gewissen, daß heute keiner verschlafen hat.
Jetzt am Morgen, nach ein paar Kilometern fühlt sich die Pure deutlich besser an, als gestern abend. Vielleicht, weil ich jetzt noch frisch bin. Ich bin mir nicht sicher. Das fährt sich jetzt aber etwas einfacher. Nicht, daß sie gestern störrisch gewesen sei, ich musste mehr arbeiten mit ihr. Das war bei der originalen NineT und bei der Scrambler anders. Meine Freude wächst, je näher ich an die Firma komme. Hier muss ich durch die Vororte bollern. Das macht Spaß.
Auf dem Hof erst mal die Maschine vor den Schuppen gestellt und reingegangen. Der Chef ist schon da. Die Kamera gepackt und Torsten mal kurz Bescheid gesagt, mit was ich heute da bin. Neugierig kommt er hinterher. Schon wie er sie von weitem sieht, ist er aus dem Häuschen. "Da hat BMW ja echt mal was hübsches gebaut. Wurd ja auch Zeit." Ich gebe ihm den Schlüssel. "Mach mal an." Er schwingt sich in den Sattel, dreht den Zündschlüssel und drückt den roten Knopf. "Brooaamm!!" kommt aus 1170ccm Boxermotor. "Net dei Ernst!! Net dei Ernst!!" brüllt er mir gegen den Sound gegenan. Die Mundwinkel sind bis an die Ohren gezogen. "Des gibts doch net! Is des Original? Baue die des wirklich so?" Er kanns kaum glauben. Am liebsten würde er sofort eine Runde damit drehen.
Einfach, klassisch, gut. Kein Schnickschnack.


Am Nachmittag habe ich mir ein paar Stunden früher frei genommen, denn beim Freundlichen machen sie zeitig zu. Ich pelle mich also an und es geht los. Wie ich sie aus dem Schuppen schiebe, in dem Gerfried auch seine Maschine hat, merke ich gleich, wie positiv sich auch hier der tiefe Schwerpunkt auswirkt. Das geht kindereinfach. Für den Rückweg nach Kirchheimbolanden werde ich zum Teil die Autobahn nehmen müssen. Ich fahre ein Stück über Land, über Mommenheim, Selzen und Köngernheim, kürze dann aber über die Autobahn ab. Ich drehe die Brause ziemlich weit auf, damit ich noch einigermaßen pünktlich kommen kann. Bei rund 180 wird es für mich unangenehm. Der Helm hat wieder die Tendenz nach oben zu wandern und ich liege schon fast flach auf dem Tank. Was den Geradeauslauf bei dieser Geschwindigkeit angeht, so ist sie über jeden Zweifel erhaben. Das rollt einfach nur so. Wenn ich am Gas drehe passiert immer noch was. Recht ordentlich sogar. Aber das ist keine Maschine für langes schnelles Fahren auf der Autobahn. Wenn man, so wie ich jetzt kurz einen Weg überbrücken will, dann ist das ok, aber für länger - definitiv nicht.




Keine radialen Brembos



Ein paar Minuten später stehe ich wieder bei Dexheimer auf dem Hof. Gesa wartet schon. Nach dem Bezahlen werde ich wohl wieder den langen Weg wählen...

Wie war denn nun die kurze Zeit mit der R NineT Pure? Hm, ich bin etwas zwiegespalten. Sie ist eine wunderbare Maschine. Das kann ich mit Fug und Recht sagen. Ich war im Vergleich zur originalen NineT ein kleines bischen - na, enttäuscht kann ich nicht sagen - die originale hat mir besser gefallen. Und auch die Scrambler ist mir mehr ins Mark gefahren.
Bevor ich zurückfahre, habe ich noch die kurze Gelegenheit, mich vor der Tür noch mal auf eine Scrambler zu setzen. Das fühlt sich anders an. 820mm zu 805 ist ein himmelweiter Unterschied. Sollte man nicht denken.


Der Aktivkohlefilter. Eine Euro 4 Zutat


Lenkumgsdämpfer

Der Motor ist über jeden Zweifel erhaben, da gibt es nichts zu meckern. Der taugt mir voll. Ich hatte bei ihr allerdings ein wenig das Gefühl, daß die Vibrationen, auch gerade am Lenker etwas stärker wären als bei den anderen, aber da mag ich mich täuschen. Der Auspuff gibt Geräusche von sich, die kann man sich nicht ausdenken. Unbemerkt durch den Park abkürzen ist damit nicht. Jeder weiß immer wo du mit dem Ding bist. Vom äußeren ist er eher unauffällig, aber er hats in sich. Überhaupt wirkt sie von weitem in ihrer grauen Farbe und mit dem runden Scheinwerfer eher wie eine etwas gefälligere Ausgabe einer R1200R. Von der Farbe war ich am Anfang nicht so begeistert, als ich sie das erste Mal in einem Katalog sah, da wirkte das eher wie eine Wehrmachtsfarbgebung aus dem zweiten Weltkrieg. Aber wenn man damit eine Weile in Kontakt war, dann geht das voll in Ordnung.



Wer das Geld dafür hat und schon Pläne, was aus ihr großartiges werden könnte, der sollte unbedingt zugreifen. Denn sie ist durchaus auch als Basis für Umbauten gedacht. Schön, das sollen alle Nine T sein, aber bei ihr tut es vom Preis her nicht ganz so weh, etwas ab- und umbauen zu wollen.