Donnerstag, 28. April 2016

Zurück in der Zeit. Historisches.

In meiner Familie bin ich nicht die erste, die ein Motorrad besitzt. Freilich bin ich die erste Frau in meiner Familie, die solch ein Fahrzeug ihr Eigen nennt. Mein Urgroßvater hat bereits im Jahre 1908 ein Motorrad besessen. Nicht nur das, er hat bald auch ein Automobil gehabt. Er schreibt darüber in seinen Erinnerungen:

„Um die Entfernung von Mellingstedt zu überbrücken, habe ich ein Motorrad angeschafft, Marke „Magnet“. Ich muß erst etwas darauf üben. Es muß der Motor erst angetreten werden, bis er warm ist. Dann setzt man das Rad von seinem Ständer auf den Boden, wobei er Motor wieder still steht und schiebt es an, bis er wieder anspringt. In dem Augenblick muß man, in der beginnenden Fahrt, sich auf das Rad schwingen. Ich muß mich auch mit dem Mechanismus erst genau vertraut machen, weil er täglich nachgesehen werden muß. Besonders müssen die außerhalb des Motors sich bewegenden Regulierungen der „Abreißzündung“ und der Ventile ständig kontrolliert werden, weil sie der Abnützung durch den Strassenstaub ausgesetzt sind. Ich kann das Rad aber doch bald mit Vorteil benutzen. Mein Unterricht dauert von 8 – 12 und ich kann nun zum Mittagessen zu Hause sein und den Nachmittag für meine Arbeit benutzen. (...)“
Mein Urgroßvater hat zwar viel fotografiert und ich habe eine Unmenge an Glasplatten und Films, aber seinen Fuhrpark hat er leider wohl nicht abgebildet.

Von Mellingstedt im Nordosten Hamburgs, bis nach der Gegend beim Hauptbahnhof, wo er täglich hinfahren muss, sind es etwa 15 – 20 Kilometer. Die Straßen seinerzeit werden für unsere Begriffe abenteuerlichen Charakter gehabt haben. Zumindest außerhalb der eigentlichen Stadt. Dafür war das Verkehrsaufkommen geringer.
Im Jahr darauf hat er dann ein Auto beschafft, da es schwierig ist mit der Schule für die Kinder. Helga, das älteste Kind (meine Großmutter), entwächst der Dorfschule und die Privatschule, die sie nun besucht, um sich auf die höhere Schule vorzubereiten, erweist sich nicht als Glücksgriff. So wird für sie in Hamburg eine Schule gesucht. Der Omnibus, der verkehrt – man darf ihn sich allerdings nicht als einen Bus vorstellen, wie wir heute ihn kennen, sondern es handelt sich um ein pferdebespanntes Etwas – erweist sich als äußerst unzuverlässig und die Alstertalbahn (die heutige S1 nach Poppenbüttel) ist noch nicht gebaut, man hat in der Zwischenzeit das fünfundzwanzigste Jubiläum der Vermessungsarbeiten für ihren Bahndamm gefeiert.
So schreibt er also:

„Ich denke dem Mangel an einer Verbindung dadurch abzuhelfen, daß ich ein Auto anschaffe. Eine Garage ist ja für diesen Fall schon vorhanden. Eine Gelegenheit dazu bietet sich, da mir ein gebrauchter Wagen angeboten wird. Es ist ein „Piccolo“ - Wagen, der allerdings ohne Verdeck ist. Er hat Platz für drei Erwachsene und hat außerdem noch einen Kindersitz. Der Motor besteht aus zwei schräg zur Achse gestellten Cylindern, die frei unter dem hohen Kutschbock liegen. Ich mache mit dem bisherigen Besitzer des Wagens eine Probefahrt und habe von da oben einen prachtvollen Blick in die Landschaft. Die Handhabung des Wagens ist in mancher Weise einfacher als bei meinem Motorrad, da die Einstellung der Gänge, der Benzinzufuhr und der Zündung alle am Steuerrad angebracht sind. Fußhebel sind für den Leerlauf und die Bremse da. Die Sache gefällt mir sehr gut und ich kaufe den Wagen.
Ich fahre einmal mit dem Wagen zu einem „Lotsenabend“ in Wietzels Hotel (an den Landungsbrücken). Als ich spät abends dann zurückfahren will und noch den Schriftsteller Albert Helms, dessen Vorlesung mir auf dem Abend bei (Gustav) Falke so gut gefallen hatte, mit nach seiner in Winterhude gelegenen Wohnung nehmen will, versagt der Motor und ich muß noch in der Nacht die Autowerkstatt von Dello in der Dammtorstraße herausklingeln. (aus den Verkaufsräumen von Dello in der Dammtorstrasse fand übrigens später in den 60er Jahren die Übertragung der NDR Sendung „Die aktuelleSchaubude“ statt) Es zeigt sich, daß die Ventile ausgeschliffen sind. Der Schaden soll allerdings bis zum Morgen behoben werden, aber ich muß mir die Nacht in Hamburg um die Ohren schlagen, wobei mir Helms getreulich Gesellschaft leistet.
Um die Weihnachtszeit fahre ich mit Georgie (meiner Stiefurgroßmutter) zur Stadt und wir machen Weihnachtseinkäufe. Der Wagen ist voll von Paketen. Da kommt ein heftiger Schneesturm. Wir sind bald ganz in eine Schneekruste gehüllt. Die Acetylenlampen gehen aus, weil sie mit Schneemassen bedeckt sind. Ein paar Mal werden wir von Polizisten angerufen, weil ich ohne Licht fahre, aber ich kann mich nicht darum kümmern, weil ich schon zu sehr erfroren bin und ich muß mich fast wundern, daß wir schließlich doch noch nach Mellingstedt hin gelangen.
Einmal fahren wir mit dem Wagen nach Poppenbüttel zum Bäcker, um da eine Torte zu holen. Helga und Kurt müssen bei diesem feierlichen Akt mit dabei sein. Auf dem Rückwege aber gibt es plötzlich einen Ruck. Ich sehe die beiden Vorderräder, das eine rechts, das andere links, abrollen, die Spitze des Wagens stürzt nach unten und schrammt auf dem Strassenpflaster entlang. Es sind beide Vorderachsen gebrochen. Ich muß aus dem nächsten Bauernhause ein Pferd holen und den Wagen, nachdem er auf zwei Tannenstämmen aufgebockt ist, nach Hause schleifen lassen. Ähnliche Pannen, bei denen ich den Wagen weite Strecken schieben muß, passieren noch mehr und es wird klar, daß er für einen täglichen Verkehr für die Schulzwecke, wegen seiner nicht genügenden Zuverlässigkeit, nicht verwendbar ist. Es wird immer deutlicher, daß wir, wenn die Kinder nicht nur in der Dorfschule aufwachsen sollen, in die Stadt ziehen müssen. Dazu kommt, daß mein Motorrad auch schon in allen Teilen so ausgeleiert ist, daß die Reparaturen kein Ende nehmen  (...)“

Das Haus an der Huuskoppel in Mellingstedt wird vermietet und er zieht im Jahre 1910 mit der Familie in die Horner Landstraße nach Hamburg Horn. Sein Motorrad und das Automobil verkauft er an einen Landwirt, der den Hof Treudelberg erworben hat, bzw. an einen Autoschlosser in Bargteheide. Er schließt das Kapitel Automobil damit, daß ihn, durch die beim Verkauf erzielte Summe, der Wagen mit seinem Benzinverbrauch und den vielen Reperaturen, nur 150 Mark gekostet habe. Er hat ihn also offenbar gut verkauft.
Wenn meine Großmutter von dem Motorrad meines Urgroßvaters erzählt hat, dann habe ich mir als Kind freilich nicht ein Motorrad vorgestellt, wie es in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gefahren ist. Sondern so, wie ich Motorräder kannte, nur etwas älter halt, mit rundem Tank und so. Wie das tatsächlich ausgesehen haben mag, davon habe ich mir erst viel später eine Vorstellung gemacht. So habe ich im vergangenen Jahr dann tatsächlich live und in Farbe Motorräder aus der Zeit gesehen (klick).
Es gibt so Dinge, da wünschte man sich zuweilen eine Zeitmaschine...

Donnerstag, 21. April 2016

Gegen das Böse Buben Image. Ausprobiert: Kawasaki KLX 250

Ein junger Mann mit weiß- grünen Klamotten läuft vor mir her und schaut sich suchend um. Überall Leute. Und Motorräder. Ich rufe ihm zu und mache Zeichen. Da drüben, da steht sie. Er fasst sich an die Stirn und schlängelt sich zur Maschine durch. Vorne links, da gibt es eine Lücke, da kommt man noch auf die Strasse. Er schiebt das Motorrad vor. 
Viel zu erklären gibt es nicht, es gibt keine Automatiken, keine Systeme, die irgendwo eingreifen, oder von mir zu beeinflussen wären. Vor mir steht einfach nur ein Motorrad. Er dreht den Schlüssel und drückt auf den Startknopf. Iidididieeepftpftpft... Ich bin begeistert. Ich schlage die Hände zusammen. Entzückt schaue ich auf das grün, schwarz, weiße Fahrzeug vor mir. Solche Geräusche hatte meine Dampfmaschine auch gemacht. Nur gibt es hier keine Schublade für das Esbit. Leise, im Geräuschpegel der umstehenden Leute fast unhörbar, läuft der kleine Einzylinder. Ich schwinge mich in den Sattel und klappe den Ständer hoch. So also fühlt es sich an, wenn Svenja auf große Fahrt geht! Ich habe zwar weder Pieps, noch einen Tankrucksack, oder die rote Ortliebrolle dabei, aber ich sitze auf einer KLX 250
Das habe ich zwar schon einmal getan, aber da hatte ich noch gar keinen Führerschein für so etwas. Das ist heute anders, also lasse ich den Gang reingleiten und drehe am Gasgriff. Als ich die Leute hinter mir gelassen habe, die sich zum Drachenfest bei Kawasaki in Weiterstadt versammelt haben, kann ich mich auf das Motorrad einlassen. Eben bin ich noch mit Gesa gefahren, dagegen wirkt die KLX wirklich wie ein Fahrrad. Klein, zierlich, schmal. Sie lenkt sich anders. Aber, das ist Gewöhnungssache. Als ich das erste Mal auf einer KLX saß, da kam sie mir riesig vor und unglaublich schwer. Heute denke ich "Huch, wie leicht...!"
Ich zirkele mich durch den dicken Sonnabendnachmittagsverkehr am Loop5, einer riesigen Shoppinganlage vor den Toren Darmstadts. Nebenan ist die Autobahn 5 und danach kommt noch ein riesiger Möbelmarkt. Schöne Gegend geht anders. Für meine halbe Stunde, die ich mit ihr habe, muss ich mir rasch etwas suchen, wo ich ein wenig fahren kann und nicht nur an Ampeln rumstehe. Also biege ich ab und fahre durch Weiterstadt und hinter einem Kreisel, siehe da, Landstrasse, Felder, Wiesen. Fein. Ich gebe Gas. Mit dieser kleinen Maschine muss ich anders fahren als mit Gesa, um auf Touren zu kommen. Sonst werde ich zum Verkehrshindernis. Da der Motor aber alles andere als warm ist, versuche ich mich zurückzuhalten. Ich fahre zum nächsten Dorf und drehe um. Da war doch eben ein kleiner Feldweg. Das sah nett aus. Ich fahre die paar hundert Meter zurück und biege in die Einmündung ein. So, jetzt erst mal schauen, was wir da haben.



Am Fleck auf dem Boden sind wir unschuldig!

Die Maschine ist hochwertig gemacht, der Auspuff besteht beispielweise komplett aus Edelstahl, alles macht einen soliden Eindruck. So ist der Schalthebel klappbar, falls man mal hängenbleibt, oder umkippt. 
22PS. Einspritzer.  Sechsganggetriebe.


Der Lüfter, von dem Svenja lange dachte, er funktioniere gar nicht.

Das Fahrwerk soll voll einstellbar sein, die Verstellung für hinten habe ich gefunden, nur vorne kann ich es nicht sehen. Das ist auch kein Wunder, wie ich später der Betriebsanleitung entnehme, denn die Einsteller sind von unten zugänglich. Ich hätte mich also platt auf den Boden legen müssen. Das kommt aber neben einer Landstraße vielleicht nicht so gut.
Als ich mir das Cockpit vornehme, fällt mir auf, daß ich zwischen Kilometern und Meilen wählen könnte. Es ist also wirklich das ideale Reisemotorrad! 
Wenn's Granada spielt...
Keine Sorge, mehr als 105km/h sind ohne Eingriffe nicht drin.

Am Heck finde ich neben der kleinen Tasche für das Werkzeug, die eindeutig einem Gepäckhalter im Wege ist, einen verschließbaren Haken für einen Helm. Mit der Maschine kann man wieselflink in die Stadt zum Shoppen fahren und muss den Helm nicht die ganze Zeit mitschleppen. Wow!
Meine Zeit läuft ab und ich muss mich noch durch den dicken Verkehr zurück schlängeln. Also schwinge ich mir wieder in den Sattel und lasse den Motor an. Kurz laufen gelassen und dann den Gang rein und los.Es ist eine ganz andere Art des Motorradfahrens. Hier reicht es auch nicht nur, am Kabel zu ziehen, hier muss man schon mehr Fingerspitzengefühl mitbringen, um schnell zu sein. Auf jeden Fall ist sie ein angenehmer Partner zum Herumstreunern und vermutlich sogar im Stadtpark würde man mit dem leisen Motor kaum auffallen. Feld- und Waldwege können einen damit auf jeden Fall kaum stoppen.
Es bleibt allerdings die Frage, was wird im nächsten Jahr aus ihr. Ein ABS hat sie nicht und der Motor läuft auch nicht unter Euro 4. Sollte es das dann gewesen sein? Bitte nicht!

Fazit: ein Motorrad mit absolutem "Haben will" Faktor.

Donnerstag, 14. April 2016

Weltumrundung? - Vielleicht morgen... Ausprobiert: Yamaha MT 09 Tracer

Ich mag dieses Ried nicht. Schon seit ich es kenne. Es ist flach, zersiedelt und mit Verbotsschildern und Geschwindigkeitsbegrenzungen gepflastert. Da hat jedes Dorf, wo nur eine Oma und zwei Hunde wohnen, seinen eigenen Blitzer. Entsprechend degeneriert fahren die Leute da auch. Sie träumen mit knapp siebzig Sachen ergeben dahin und taumeln von Strassenseite zu Strassenseite. Da verkehrt sich der Verkehrssicherheitsgedanke, der hinter vielen Geschwindigkeitsbegrenzungen stecken mag. Die Leute werden unaufmerksam, schlafen am Steuer und reagieren nicht mehr. Nur wenn ein Traktor vor ihnen auftaucht, dann kommt plötzlich für ein paar Augenblicke Leben und Abwechslung in ihr Dasein. Solange, bis sie sich an die Geschwindigkeit von dem Landwirtschaftlichen Gerät gewöhnt haben und einvernehmlich hinterhergondeln. Überholen tut da niemand. Das machen nur Ortsfremde. 
Unter mir säuselt der Dreizylinder, am Heck prangt das "GG" für den Landkreis Groß Gerau. Es ist weithin gefürchtet in unserer Region. Ich gebe hier im Moment also eine Einheimische. An Überholen ist auch nicht zu denken, denn die beiden Autos vor mir, die hinter dem Trecker herschleichen, meandern auf der Strasse entlang, als würden sie führerlos an einem langen Strick an ihm befestigt sein. In einem Dorf schaffe ich den Absprung, da geht eine Strasse ab, in die ich nach dem Vorsatz einbiege, ich fahre dorthin, wo die nicht hinfahren. Ich kann endlich der Tracer mal ein wenig die Sporen geben. 
Die Tracer! Heyheyhey! Yamahas Stelzentourer aus der MT 09! Der Sitz war zunächst gewöhnungsbedürftig, ein ebenes Brett mit Kunstlederbezug, riesiggroß und nach einer Stufe ein dazu passendes Soziusplateau. Aber ich sitze sehr angenehm, ich kann mich dicht an den Tank rutschen und stehe beim Anhalten sofort mit beiden Füßen am Boden. So mag man es. Bei der Fahrt finden die Füße intuitiv auf den Rasten ihren Platz und der Kniewinkel ist nicht zu angespannt. Hier lässt es sich aushalten. Auch, wenn man über 1,85 sein sollte. Die Hände ruhen auf den Griffen, an den Enden eines breiten Lenkers, vor ihnen ein wahres Geweih von Handschutz. Er ist mit einer Art Spoiler versehen und verleiht dem ganzen eine sportlich düstere Note. Erinnern wir uns, die MT Reihe gehört zur Dark Side of Japan. Der Murl ist aus der MT 09 bekannt, er besitzt drei Zylinder und seine 115 Perde traben Katzengleich. Samtweich, geschmeidig, es zieht einen wie eine Papierschlange um die Ecken beim abbiegen. Die Frontscheibe ist einstellbar, aber in der Kürze der Zeit habe ich den Mechanismus dafür nicht gefunden. Der junge Mann, der mir bei Stocksiefen in Nauheim das Motorrad erklärt hat, hat auch mehr Energie auf die elektronischen Details gelegt, denn auf die mechanischen. Entgegen seinen Ausführungen betreibe ich auf der kurzen Testrunde, die ich mit ihr habe, die Maschine nur im Standardmodus. Um an den Tasten am Lenker und am Display rumzufingern fehlt mir die Zeit und der Nerv. 
Hinter einem langezogenen Dorf finde ich einen Feldweg, an dem ich anhalten kann um das Motorrad zu betrachten. 
Mir kommt der junge Mann in den Sinn, den ich in Havelberg getroffen hatte, der die Tracer ohne Probefahrt, nur auf die Ankündigung, gekauft hatte und sehr zufrieden war. Die Maschine sieht sportlich aus, ein wenig der R1000XR und der Crossrunner ähnlich, kompakt, hoch, aber nicht zu hoch. Wie man es aus Japan kennt, ist alles sehr ordentlich gebaut, da klappert nichts, da rappelt nichts. Und man kann mit ihnen so aus dem Verkaufsraum reiten, ohne lange Einstellungen vornehmen zu müssen. 

Das bremst sehr ordentlich und mit nicht abschaltbarem ABS

Das Fahrwerk ist voll einstellbar, den Schraubenkopf für das Federbein habe ich zwar nicht auf Anhieb gefunden, aber wozu gibt es eine Betriebsanleitung. Etwas schwer habe ich mich auch mit der zweiteiligen Sitzbank getan. Den hinteren Teil habe ich ohne weiteres abbekommen, aber der vordere hat sich widersetzt. Ich breche den Versuch an der Stelle ab, denn ich habe keine Lust im Stehen mit der Sitzbank unterm Arm wieder beim Händler aufzutauchen. Falls ich sie am Ende nicht wieder fest bekommen sollte. So bekomme ich allerdings auch nicht die Verstellmöglichkeit für den Fahrersitz mit, mit der man ihn in drei verschiedenen Höhen arretieren kann. Man kann mit dieser Verstellung zwischen 845 und 860 mm erreichen. Was bei der Testmaschine eingestellt war, bleibt wohl ewig verborgen.
Der Blinker stellt sich nicht von alleine zurück. Daran muss man selbst denken.
Das Cockpit stammt aus der Super Ténéré.
Das Zündschloss ist eher was für Linkshänder
Im Gegensatz zum Kupplungshebel ist der Bremshebel einstellbar.
Diese Kofferhalter stammen aus dem Zubehör
Wie fährt sich das jetzt? Ich starte den Motor wieder und folge der Strasse. Die Verwirbelungen am Helm sind moderat, das haben die etwas besser hinbekommen als bei BMW. Wenn ich am Kabel ziehe, dann passiert sofort etwas. Sehr ordentlich sogar. Der Motor gehört nicht umsonst zur "Masters of Torque" Reihe. Das Ding macht Spaß! Nicht überfordernd, immer angriffsbereit.

Der Hauptständer ist übrigens serienmäßig
Hier gibt es einen Kritikpunkt. Der Ständer ist nur schwer zu treffen, die Raste ist im Weg, mit ihrem langen Dorn.

Bestimmt, aber immer noch mit Stil wird man durch die Landschaft katapultiert. Kurven werden aufgesogen, das Fahrwerk ist beeindruckend. Es ist zielgenau und es schluckt Bodenwellen recht souverän. Wenn überhaupt, dann gibt es nur einen Mangel, nämlich den großen Wendekreis. Der Lenkeranschlag kommt recht früh und macht Rangieren etwas schwieriger, als es sein müsste.
Ich biege nach einer guten halben Stunde wieder gutgelaunt auf den Hof ein. Trotz Schnarchern im Ried, trotz Beschränkungsschildern. Weil es einfach ein schönes Motorrad ist. 


Donnerstag, 7. April 2016

Bis es kratzt. Kein Ponyreiten beim ADAC.

Verdammte Axt!! Ich starre auf das rote Balkenkreuz auf dem gelben Schild vor mir. Dahinter rappen die Bauarbeiter. Es gibt wirklich kein Durchkommen. Dann also der Umleitung nach. Bis jetzt war ich sehr gut in der Zeit gewesen. Das ändert sich mit jedem Kilometer, den ich, hinter einer Reihe von nödelnden Autos, durch die Landschaft schaukele. Endlich erscheint das heiß ersehnte Autobahnschild. Die Ampelphase erscheint mir ewig zu dauern.
Am Morgen war ich zeitig aufgestanden, hatte gut gefrühstückt, mich mit einer weißen Katze unterhalten, die einen verdächtigen, dunkelgrauen Fleck am Rücken, hinter dem Kopf hatte und im Frühstücksraum um meine Beine scharwentzelte. "Die muss sich an irgendeinem Auto dreckig gemacht haben!" meinte die Frau, die lachend aus der Küche schaute. Das Grau kommt mir bekannt vor. Genauso sieht Gesas neue Kette jetzt auch gerade aus. Das wird Kettenfett sein. Nach dem Frühstück war ich gemütlich, mit einem guten Zeitpuffer aufgebrochen und hatte mir eine Tanke gesucht, denn heute abend habe ich mit Sicherheit keine Nerven mehr dafür. Und jetzt das. Es wird grün. Ich gebe Gas und fahre auf die A66 auf, in Richtung Fulda. Zwischen LKW und Audis jage ich auf Gelnhausen zu. Dort wieder von der Autobahn runter und ab ins Hinterland.

Es ist kurz nach halb zehn, als ich den Seminarraum im oberen Stockwerk des ADAC Fahrsicherheitszentrums in Gründau betrete. Es sind alle da, es wird nur noch auf mich gewartet. Ich winke kurz in die Runde und suche mir einen freien Platz. Um mich herum bekannte und unbekannte Gesichter. Nach einer kurzen Einleitung von Stefan Röhn, dem Leiter des Fahrsicherheitszentrums, wendet sich Frauke an uns. Sie erklärt kurz, warum wir heute hier sind. Wir werden heute sozuagen an einer Generalprobe teilnehmen. Gemeinsam mit dem ADAC in Gründau bietet sie ab diesem Jahr Motorradtrainings nur für Frauen an. Das erste seiner Art, nur für Fachpresse und Co, findet heute statt. Folglich sitzen um mich herum auch nur Frauen. Nur der Trainer und der Leiter des Zentrums sind Männer.

Kein Ponyreiten
Keine Bange, das wird kein Ponyreiten heute, sondern eine ernste Sache, wie die sonstigen Trainigs, die hier angeboten werden, es auch sind. Vermittelt werden genau die gleichen Inhalte, es ist lediglich die Zusammensetzung der Gruppe eine andere. Das bietet Vorteile. Frau kann sich nicht hinter Männern verstecken, oder muss Grund zur Annahme haben, gegen die Männer könne sie ohnehin nichts reißen. Hier sind wir unter uns heute. Keine blöden Sprüche, keine genervten Blicke. Kein Stress. Dazu kommt, Frauen lernen mitunter etwas anders als Männer das tun. Männer probieren lieber aus. Mit allen Konsequenzen. Frauen lassen es sich lieber vormachen und schauen dann, was daraus werden kann. Das kann aber auch dazu führen, daß frau zu verkopft an Dinge herangeht. Daran werden wir heute arbeiten!
Wer möchte, kann sich für das Training ein Motorrad vor Ort ausleihen. Dazu werden verschiedene Motorräder von Triumph zur Verfügung gestellt. Das Ausleihen kostet nichts, das ist prima, denn nicht jeder und jede hat ein eigenes Motorrad, oder ist mit dem Motorrad angereist. Oder möchte das eigene Gefährt hier in den Asphalt reiben.
Wir sammeln uns vor dem Haus und suchen uns entsprechend passende Maschinen raus. Ich nehme das, was übrigbleibt. Eine Triumph Thunderbird
1700Kubik. Über dreihundert Kilo lebendgewicht. Das ahne ich nur, als ich aufsteige und nach dem Zünschloss suche. Besser so. Ju52 - geht es mir sofort durch den Kopf, als ich den Motor starte. Der Starter macht ein heiseres Geräusch und dann wummert der Motor los. Die Maschine zittert am ganzen stählernen Leib. Ich sende einen Gasstoß durch die Zylinder. Das ist ein Flugzeugmotor. Zumindest klingt er so. Meine Füße suchen die Rasten. Die sind ziemlich weit vorne angebracht. Das kann heiter werden. Wirklich sicher fühle ich mich zunächst nicht. Wir fahren hinunter auf die Trainingsfläche.
Rainer, den ich schon vom Endurotraining im letzten Jahr kenne, hat uns mit Hütchen und kleinen bunten Knubbeln, verschiedene Parcours aufgebaut. Es wird als erstes darum gehen, auf kleinstem Raume zu wenden. Möglichst am Lenkanschlag. 
Zunächst aber Fahren im Schrittempo. Mahlzeit. Bei den anderen klappt das schon bald recht gut, aber mit diesem Dickschiff, wo ich noch keine Ahnung habe, wo ich die Füße lassen soll und zu viel Aufmerksamkeit darauf verwenden muss, ist das echt schwierig. Ich bin noch nie im Leben so ein Motorrad gefahren. Dicke Brems- und Kupplungshebel verlangen kräftige, große Hände.
Ich versuche um Rainers abgestecke Acht zu kommen. Das wird nichts. Der Wendekreis von meiner Maschine ist viel zu groß. Ähnlich geht es mir bei der nächsten Übungsstelle, wo wir auf engem Feld wenden sollen. Es gibt drei Spuren, jede wird enger werden. Ich bin froh, daß ich mit Müh und Not durch die weiteste komme. Rainer, der mich sofort zu sich winkt, meint, ich solle mir mal eine andere Maschine borgen. Da drüben steht eine neue Street Twin, die Fahrerin setzt gerade aus, also nehme ich die für diese Übung. Und siehe da! Es klappt auf Anhieb. Rainer klopft mir auf die Schulter, meine Mundwinkel steigen.
Gute Laune ist wichtig!

Als nächstes fahren wir Slalom. Dazu sind zwei verschiedene Strecken aufgebaut, eine mit versetzten Kegeln und eine gerade. Ich werfe die Maschine in die Kurven. Rechts! - Kccchh! - Huch! Links! - Kcccchh! - Huch! Ich setze auf den Fußrasten in den Kurven auf. Zuerst hat es mir fast den Stiefel von der Raste gezogen. Ich erschrecke mich. Das kenne ich noch nicht.
Wir sollen diesen Parcours in verschiedenen Stilen durchfahren. Legen, bzw. Drücken. Rainer macht es vor. Rainer macht tollerweise sehr viel vor. Wenn wir sehen, das es geht und wie es geht, dann fällt es uns gleich viel leichter. Als wir zur Mittagspause gehen, sind alle Reifen, die heute Morgen noch nagelneu waren, bis zum Laufflächenrand angefahren.
Es gab drei Optionen, Vegetarisch, Fisch, oder Schnitzel.
Nach dem Essen geht es ans Ausweichen und Bremsen. Rainer hat zwei Strecken aufgebaut, eine, auf der einfach "nur" gebremst werden soll und eine, auf der ausgewichen und gebremst wird. Auf der ersten geht es darum, auf der kürzesten Strecke zum Stillstand zu kommen. Mit dem Einsatz beider Bremsen. 
Dabei sollen wir darauf achten, nicht wie die wahnsinnigen einfach hineinzulangen, sondern trotzdem mit Gefühl zu bremsen. Überhaupt, Gefühl beim Fahren, das ist ihm sehr wichtig. Wie dem auch sei, mein Gefühl ist, dieses Riesentrumm will nicht anhalten. Ich ziehe, wie ich es von Gesa gewohnt bin. Und es ist niederschmetternd. Von ernster Verzögerung kann keine Rede sein. Ich muss mit der rechten Hand umgreifen und mit aller Kraft, die ich habe, an dem Hebel zerren. Dann tut sich was. Mit dumpf jaulenden Bremsen bleibe ich stehen. Nach ein paar Mal tut mir die Hand weh. Dagegen ist die Ausweichübung fast Erholung.
Wie wir die letzte Übung besprechen, zischt es hinter uns. Aus Metalluken in der Fahrbahn hinter uns wird Wasser auf den Asphalt gesprüht. Manch einer von uns rutscht das Herz ein Stück tiefer. Daß die Furcht unbegründet ist, merken wir, als wir es ausprobieren. Man kann genauso bremsen, wie auf trockener Strasse.
Wir ziehen um auf die Rundbahn. "Probiert hier bitte mal alle drei Fahrstile aus! Legen, drücken und auch "Hänging off"! Wir legen los. Ich drücke die Thunderbird in die Kurve. Kcccchh! Schon wieder setzt die Raste auf. Dabei hatte ich noch nicht mal irgendwie gerdrückt. Rainer sieht das auch und meint, ich solle mir bei dieser Übung besser wieder mit jemandem das Motorrad teilen. Ich gucke mir Nancy mit der Tiger 800 aus. Die Tiger entspricht am ehesten meiner Gesa. In zwei Gruppen jagen wir um das Rund. Wer mag, darf auch überholen. Phhff. Mit jeder Runde merke ich, wie es besser klappt. Irgendwann höre ich auch hier das Kccchh! Ich lasse es lieber gut sein. Eh noch mehr den Boden berührt. 
Unterschiedliche Maschinen am Start
Das Ganze auch in die andere Richtung
Mit Hänging off ist das bei mir so eine Sache. Dafür bin ich irgendwie zu ungelenk und vermutlich zu groß. Mehr als "Innenknie vor" wird das nicht. Egal. Ich komme mir auf jeden Fall sehr schnell und schnittig vor. Da brummt was an mir vorbei. Nadja mit ihrer Hypermotard- sie hängt daneben und braust davon. Ich pruste in meinen Helm. Unglaublich.
Zum guten Schluss führt Rainer uns noch zu einer anderen Stelle auf dem Gelände. Hier geht es bergab und dann in die Kurve. Zunächst sollen wir das ganz normal fahren und dann in der Kurve untern bremsen. Cool. Er hat dazu ein paar Hütchen aufgebaut, zwischen denen wir zum Stehen kommen sollen. Ich teile mir wieder mit Nancy das Motorrad. Wider Erwarten klappt die Übung sehr gut. Auch wenn es Überwindung kostet, das über Bord zu werfen, was man uns in der Fahrschule und in allen Büchern und so erzählt hat. In der Kurve, in Schräglage sogar, zu bremsen, das geht. Als Höhepunkt fragt er uns, wer von uns die letzte Übung des Tages fahren möchte. Der Aufbau ist wie eben, nur daß wir nun in der Kurve die Maschine aufrichten, geradeaus in die Gegenfahrbahn lenken und dann bremsen sollen. Er führt es uns vor. Mit einer viel höheren Geschwindigkeit, als wir das gleich fahren werden. 
Wir sind alle auf einen Abflug gefasst, oder daß er tief im imaginären Gegenverkehr steht. Nichts von alledem geschieht. Er steht sauber nach sehr kurzem Bremsweg noch vor der "Mittellinie". Ich melde mich freiwillig. Es klappt! Auch wenn es sehr gegen alle Instinkte geht.
Instinkte sind ohnehin ein schlechter Begleiter auf dem Motorrad, lernen wir. Denn wenn wir dem Instinkt folgen, dann fahren wir im Ernstfall mitten auf das Hinderniss zu. Nicht umsonst stehen häufig an Bäumen die Kreuze am Wegesrand. Das ist in unserer Ursuppe so festgelegt. Wir sind Fluchttiere. Und mit der Situation rasch überfordert. Darum ist es so wichtig, an einem solchen Training teilzunehmen, um Möglichkeiten und Fertigkeiten zu erlernen, diese Mauer im Kopf zu durchbrechen. 

Zum Abschluss des Tages haben wir uns nun eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen redlich verdient. Wir bekommen alle Teilnahmeurkunden und sitzen noch ein wenig zusammen. Man merkt, daß wir alle ein wenig groggy sind. Aber das tut der guten Laune keinen Abbruch.
Es geht langsam auf halb sieben, ich bin noch zu meinem Rentnerstammtisch verabredet, also sehe ich zu, daß ich los komme. Zu allem Überfluss hat uns der Mann, der hinter der Theke am Empfang heute morgen gestanden hatte, mit der Nachricht überrascht, daß die A66 in Richtung Hanau in beiden Richtungen voll gesperrt ist. Überall seien kilometerlange Staus und es gäbe kein Durchkommen. Ich suche mir rasch auf der Karte eine Strecke raus und verabschiede mich. Über Büdingen geht es nach Norden, in Richtung Friedberg, wo ich nach ein Paar Kilometern auf die A45 komme. Auf ihr fahre ich in Richtung Hanau und in Richtung Dunkelheit. An einem Gründonnerstagabend auf der A3 an Frankfurt vorbei zu fahren, ist alles andere als ein Spaß. Ich habe Augen überall und fahre so defensiv wie möglich. Gleichzeitig versuche ich immer möglichst rasch aus dem Getümmel zu entkommen. Zu meinem großen Erstaunen brauche ich für die Strecke von Gründau, trotz aller Unwägbarkeiten, zurück zum Lerchenberg nur eine knappe Stunde. Meine Leute kommen gerade vom Parkplatz, als ich Gesa festbinde und den Helm und den Tankrucksack schnappe um pünktlich zu sein.

Fazit
So ein Fahrsicherheitstraining ist unheimlich wichtig. Für jeden. Und auch egal, ob man auf zwei oder auf vier Rädern unterwegs ist. Es ist wichtig, das Fahrzeug in Grenzsituationen zu erleben. Diese Grenzsituationen sind in der Regel auch nur das Ende der Möglichkeiten des Fahrers, oder der Fahrerin. Die Fahrzeuge können normalerweise mehr. Aber man muss sie freilich dazu anleiten können. Um das zu erlernen, sollte man an solch einem Training teilnehmen. Das kostet nicht die Welt. In unserem Falle, also dem Intensivtraining, kostet es 140,-. Das sollte einem nicht zu teuer sein und der Spaß, den frau dabei hat, ist rasch aufgewogen. Zudem ist der Spaß, den man danach dann auf der Straße hat, mit nichts zu bezahlen.
In meinem Fall hat die Wirkung etwas gedauert. Als ich Karsamstag mit Gesa unterwegs war, da bin ich ziemlich holzig gefahren. Aber dann war das Eis gebrochen.

Die Fembike / ADAC Frauentrainings, es gibt zur Zeit entweder ein (Wieder-) Einsteigertraining, oder ein Intensivtraining, sind zu folgenden Terminen ausschließlich direkt über die Fembike Seite  buchbar:
  • 10.04.2016     (Wieder-) Einsteiger-Training
  • 22.04.2016     Motorradtraining Intensiv
  • 22.05.2016     Motorradtraining Intensiv
  • 05.06.2016     (Wieder-) Einsteiger-Training
  • 18.06.2016     (Wieder-) Einsteiger-Training
  • 08.07.2016     Motorradtraining Intensiv