Sonntag, 31. August 2014

Sauerland bleibt Sauerland! Part 1


Meine Güte! Ich bin aufgeregt! Ich habe den Tankrucksack und den Gepäckrollenrucksack in die Garage getragen und zäume Gesa auf.
Heute starte ich zu meiner ersten "richtigen" Tour mit dem Motorrad! Habe ich nichts vergessen? Habe ich das richtige eingepackt? Oder doch zu viel mit? Ich bin gespannt. Sonst zähle ich eher zu der Fraktion, die mit dem Möbelwagen verreist, von daher ist das eine ganz neue Erfahrung.


Ich unterhalte mich noch kurz mit einem Nachbarn, der interessiert zu mir kommt und fragt wo es hingeht. Er selbst muss die Saison für dieses Jahr beenden, da er nach einem Hirntumor Anfälle bekommen hatte. Das verträgt sich nicht mit Motorradfahren.
Um viertel nach zehn schließlich lasse ich den Motor an und mache den Helm zu. Es geht los! Zu der Uhrzeit ist noch nicht allzuviel auf der Strasse los und ich komme gut bis nach Gonsenheim. Eine Motorradfahrerin überholt mich vor dem Ober Olmer Forsthaus (das mit Goethe), aber sonst bin ich allein auf zwei Rädern.
Das Wetter indes ist prächtig, die Sonne scheint, der Himmel ist blau und es sieht nach einem klasse Tag aus.
Als ich in Gonsenheim auf die Autobahn auffahre, bemerke ich, daß der Asphalt abgefräst worden ist. Das betrifft die Beschleunigungsspur und die Autobahn. Sie haben aber bei den Markierungen die alte Fahrbahndecke gelassen und es gibt somit Höhenunterschiede. Es ist kein Schild weit und breit zu sehen, daß es hier eine Gefährdung geben könnte. Solche Sorglosigkeit der Organe ist - so denke ich - schwer gefährlich. Bei Nacht wird das nämlich nicht so gut zu sehen sein, wie jetzt bei bestem Licht. Für Zweiradfahrer kann das arg werden. Ich kann es nicht verstehen, sonst sind die doch immer flott dabei, wenn es ums Verteilen von Schildern geht.
Im Augenblick kann allerdings auch nicht besonders schnell gefahren werden, denn es ist Stau auf der Schiersteiner Brücke. Auf dem einzigen Stück Autobahn der Strecke! Ich überlege, ob ich in Mombach abfahren soll und den Umweg über die Theodor Heuss Brücke in Kauf nehmen soll. Aber ich entscheide mich, auf der Autobahn zu bleiben, denn der Umweg wäre zu groß. Ich möchte schließlich auf die Platte und da ist das nicht zu rechtfertigen. Da der Verkehr nicht ganz steht, wird das auf jeden Fall besser sein. Was dann ärgerlich ist, der Stau ist um nichts. Da stehen zwei orangene Baustellenfahrzeuge auf der Standspur und das wars.
Hinter mir ist ein Yamaha Fahrer aufgetaucht, der mir treu bleiben wird, bis wir aus Wiesbaden wieder heraus sind. Dann entschwindet er am Horizont. In Wiesbaden ist wenig Verkehr und ich komme gut durch. Es geht am ehmaligen ehemaligen Camp Lindsey vorbei und dann auf den Ring. Unter den Eichen komme ich am ehemaligen ZDF Gelände vorbei und dann am Nordfriedhof geht es links ab, in Richtung Platte. Die Strasse ist zunächst auf 70 begrenzt, aber dann von der Abfahrt zur Fischzucht, ist sie frei. Ich sehe zu, daß ich an einem Lkw vorbei komme und der Yamahafahrer brennt mich her und verschwindet.
An Neuhof vorbei komme ich auf die "Hühnerstrasse". Ich möchte nicht auf der Autobahn nach Limburg fahren und nehme so die Alternative. "Hühnerstrasse" heißt die Strasse, weil es dort Ortsschaften gibt wie Hünstetten und Hünfelden. Vor Kirberg gibt es eine Umleitung, es geht über Ohren auf kleinen Sträßchen durch den Wald. Was hier auffällt, die Dichte an Sonntagsfahrern nimmt zu. Insbesondere derer über 70. Aber auch wieder rasende Muttipanzer. Einer überholt mich kurz hinter Kirberg und ich wünsche mir eine Radarfalle herbei, aber da ist natürlich mal wieder keine.
Der, der mich in Limburg schließlich klemmt, kann dem Auto nach nur ein Jungspund gewesen sein. Ich hupe und er winkt. Aber auch danach fähr er reichlich sonderbar und trotz einheimischen Kennzeichens macht er nicht den Eindruck daß er wisse wo er hin möchte. Zick - zack sticht er in Lücken, fährt auf Abbiegespuren und taucht dann doch wieder auf. Wer weiß was der geraucht hatte. Möglicherweise sah der einen Dschungel aus lila Palmen vor seiner Motorhaube. Ich bin froh als er dann doch abbiegt.
Auf der Meil habe ich Regentropfen auf der Visierscheibe. Ein echter Regen wird aber nicht daraus. Im achtziger Tempo geht es in Richtung Wetzlar. Hier ist schon etwas mehr los und auch um die Positionen am Ende vierspuriger Abschnitte wird etwas ruppiger gerungen. Ich beteilige mich nicht daran und ziehe unbeirrt meine Bahn.
Was störend ist, das ist ein böiger Wind, der von der Seite kommt. Zusammen mit dem Fahrtwind, dröhnt es ganz schön in meinen Ohren.
Die Temperatur hat sich bei 18 Grad eingependelt, verliert aber, je weiter ich nach Norden komme.
In Wetzlar sortiere ich mich ein in Richtung Wetzlarer Kreuz. Also Richtung Dortmund A45. Dort fahre ich natürlich nicht hin, sondern finde noch rechtzeitig meinen Weg, der mich wieder weg von den breiten Strassen bringt. Wie ich dann auf der Landstrasse bin, stört mich die Kälte am Hals dann doch stärker. Ich halte also im ersten Dorf, Blasbach, auf dem Parkplatz einer Firma an und ich ziehe mein Multituch als Schal an und setze die Ohrenstöpsel ein. Ein paar Motorsägen sind in dem Ort am Werke, ansonsten ist es ruhig dort.
Ich fahre weiter und nach ein paar Kilometern merke ich, daß es keine gute Idee war, das Jackenfutter nicht auch gleich zu zu machen. In Hohensolms fahre ich rechts ran und hole das nach. Nun geht es besser. Hinter Mudersbach muss ich schauen wo es langgeht, rechts herum ist richtig und ich komme an die Aartalsperre. An der Bundesstrasse biege ich links ab und beschleunige. Ein Segler ist auf dem See unterwegs und es sind am Ufer Leute zu sehen. Nach zirka zwei Kilometern geht es dann rechts ab, nach Bischoffen und weiter nach Bad Endbach. Es ist eine schöne kleine Strasse, mit angenehmen Kurven. In Bad Endbach muss ich mich kurz orientieren. An die Karte vor mir habe ich mich rasch wieder gewöhnt und es fällt mir nicht schwer den richtigen Weg zu finden. Ich muss allerdings dazu anhalten. Beim Navi im Auto geht das zuweilen aus dem Augenwinkel. Hinter Wommelshausen gibt es kurze Verwirrung. Wo lang? Die Strassen schauen gleichwertig aus, eine geht geradeaus, die andere biegt ab. Sie scheint aber die mehr genutzte zu sein. Ich nehme die, die abbiegt und bin richtig. Wieder mal ist aber der Weg nur mangelhaft ausgeschildert.
Die Strasse verschlechtert sich allerdings, es gibt zunächst einen recht langen Abschnitt, mit großfächigem, frischem Rollsplittauftrag und dann kommt bald ein Abschnitt mit Längsrillen. Ich drossele die Geschwindigkeit und fahre mit gerade mal 50 dort entlang. Solche Rillen habe ich auch noch nicht gesehen. Es ist, als ob man die Strasse von den Seiten her ein bissel zusammengedrückt hätte.
Über Breidenbach und Breidenstein komme ich nach Bad Laasphe. Ich komme an einer Tankstelle vorbei und beschließe zu tanken und noch was anderes zu erledigen. Ich wende im Kreisverkehr und fahre zu der Tankstelle zurück. Die ist gut besucht und ich ergattere eine freie Säule. Gesa braucht nicht viel, etwas über sieben Liter für zweihundert Kilometer seit Donnerstag.
Ich schiebe Gesa nach dem Bezahlen an den Rand und besuche die Waschgelegenheit. Dort fällt mir ein, daß ich meine Bürste zu Hause vergessen habe. Also frage ich die nette junge Frau hinter der Kasse, ob es hier einen dm gibt. Gibt es nicht, aber ein Rossmann sei in der Nähe, den steuere ich nun an. Die Bürste, die ich haben will, haben sie nicht, also google ich nach einem dm und finde in Erndtebrück einen. Ich kaufe aber zur Sicherheit eine neckische kleine klappbare Bürste mit Spiegel. Die passt prima in den Tankrucksack und gibts um 1,79€.
Als ich aus Bad Laasphe herausbeschleunige, fällt mir auf der linken Seite, in einem Gewerbegebiet etwas gelbes auf. Das ist doch...? Ein Berliner U Bahn Wagen! Ich wende an nächster Gelegenheit und fahre zurück.

           Mit Hilfe des Internets identifiziere ich ihn als U Bahn Beiwagen vom Typ "A1" von 1925/26

Er ist das Clubheim der Zweirad Veteranen Freunde Wittgenstein. Eine Veranstaltung von ihnen habe ich, wie das Plakat im Fenster verrät, verpasst, aber ich bin sicher, daß ich mir die noch mal ansehen werde.
Wie ich da so stehe und mir den Wagen ansehe, kommt ein Mann dazu, mit hellblauem Polohemd und dunkelblauem Pulli um den Hals und schaut sich auch das Plakat an und blickt in den Wagen. Ich komme mit ihm ins Gespräch und er erzählt mir, daß er mit seiner Simson nach der Wende zu einem Bekannten im Westen gefahren ist und dabei nur zweieinhalb Stunden gebraucht hätte. Mit dem Auto wäre es lediglich eine Stunde weniger gewesen. Dem Idiom nach tippe ich auf Sachsen und liege richtig. Er kommt aus Meerane, wohnt aber schon ein paar Jahre hier in der Gegend. Wir unterhalten uns ein wenig über Westfernsehen und die FDJ, die die Westantennen entfernen wollte ("Aktion Ochsenkopf") und was es für Tricks gab um von außen ungesehen eine Antenne zu haben.
Die beiden Frauen, mit denen er spazieren war, sind schon weitergegangen gewesen und kommen nun bereits zurück. Da verabschieden wir uns und ich fahre gut gelaunt wieder meines Weges. Auf solche Begegnungen hatte ich mich schon gefreut gehabt.
Die Fahrt auf der B62 ist wunderbar. Es ist wenig Verkehr und sie schaut auch nicht so aus, als ob hier je viel los wäre. So komme ich flott nach Erndtebrück. Ich sehe zwei Motorradfahrer, die ich schon in Laasphe auf der Tanke gesehen hatte und finde rasch den dm. Er liegt in einer Ansammlung an Einkaufsmärkten und zeichnet sich dadurch aus, daß er der einzige dort ist, der schon geschlossen hat um die Uhrzeit.
Auf dem Weg dort hin hatte der Bahnhof mein Interesse geweckt. Er sieht recht heruntergekommen aus und ich stelle Gesa davor ab. Ich brauche einen Schluck Wasser und beschließe mit der Kamera mich ein wenig umzuschauen.


Über dem Eingang befindet sich zwar eine Plakette, die "Denkmal" verkündet, aber das scheint eher als kategorischer Imperativ gemeint zu sein.
Ich mache mich bald wieder auf den Weg, ohne vernünftige Bürste und bin froh, daß aus den drei Tropfen vom Ortseingang nichts weiter geworden ist. Denn so konnte ich vor dem Bahnhof die Karte im Kartenfach des Tankrucksackes wechseln, ohne daß sie naß geworden wäre.
Weiter geht es auf einer tollen Strasse, die sich durch den Wald bergauf windet. Das sind hier noch humane Windungen, es kommen erst noch richtige, und so schwinge ich mit Gesa locker (was ein Glück! Es geht wieder!) empor. Als ich am Rhein Weser Turm vorbei bin, der den Scheitelpunkt bedeutet, bleibe ich beeindruckt stehen: Was für ein Ausblick!

                               Hier ist man über den Kahlschlag im Vordergrund mal nicht bös

                                              Weiter geht es in den finsteren Tann...

Jetzt kommen die Kurven. Vor der ersten stehen zwei rauchende, in Leder geschlagene Motorradfahrer und besprechen die Linie. Ich winke und fahre weiter. Aus der Linie wird aber nicht viel werden, denke ich mir bald. In den Haarnadelkurven liegt immerzu Schotter vom Strassenrand auf der Strasse. So geht die Fahrt nicht ganz so rund bergab.
In Würdinghausen biege ich dann ab. Es geht eine recht schmale Strasse nach Saalhausen und dann wieder links. Nach ein paar Minuten taucht dann auch schon das Hotel auf, in dem ich ein Zimmer reserviert habe.
Ich werde superfreundlich empfangen und bekomme Zimmer 58. Ich kann zum Hintereingang fahren, dann habe ich es nicht so weit mit dem Gepäck. Als ich mich frisch gemacht habe, frage ich noch nach einer Garage für Gesa (Sie soll ja in der ersten Nacht fern der Heimat nicht gleich draußen schlafen müssen...) und bekomme auch noch eine. Klasse!
Ich beschließe, da es noch nicht gar so spät ist, noch eine kleine Runde um den Kirchturm mit Gesa zu drehen und wir fahren nach Altenhundem. Dort sehen wir uns etwas um und fahren dann ein Stück in Richtung Norden. In Meggen biege ich ab in Richtung Elspe. In Halberbracht zieht ein altes Förderrad meine Blicke auf sich. Ich parke und gehe ein paar Schritte.


Danach fahre ich einem Wegweiser in Richtung einer Aussicht nach, finde die angegebene aber nicht. Na schön, dann nehme ich halt eine andere.


Da ich langsam Hunger bekomme, das Frühstück ist lange her, mache ich mich auf den Weg zurück zur Unterkunft. Kurz vor Meggen folge ich dann doch noch einem Wegweiser "Siciliaschacht". Den hatte ich auf dem Hinweg schon gesehen und nun möchte ich das noch eben besehen. Es geht durch ein Wohngebiet und dann in den Wald. Auf beiden Seiten parken Autos und Leute laufen rum. Unbeirrt fahre ich erst mal weiter. Bummm! Bummm! Bummm!! Pulverdampf vor mir, als ich aus dem Wald komme. Man hat Salut zur Begrüßung geschossen! Ein würdiger Moment. Ich überlege, wie ich die Huldigungen entgegen nehmen soll.

                                 Der Pulverdampf verzieht sich, schwarze Gestalten werden sichtbar.


Der Salut galt natürlich nicht mir, heute ist hier ein Konzert der Meggener Knappenkapelle. Ich komme ins Gespräch mit einem freundlichen älteren Herren, der sich als Führer durch das Bergbaumuseum Siciliaschacht entpuppt und ganz begeistert ist, daß ich mit dem Motorrad alleine unterwegs bin und daß ich von so weit mich her gewagt habe.
Er erzählt, sie seien alle so etwa sein Alter in dem Museumsverein und er fragt sich, wie es weitergehen soll, wenn sie mal nicht mehr können.
Ich verspreche mir das Museum bei Gelegenheit anzusehen und verabschiede mich, da ich merke, daß meine Kräfte nun langsam wirklich verbraucht sind. Das Konzert, so leid es mir tut, werde ich nicht mehr mit anhören.
Ich schwinge mich auf Gesa, winke und fahre zurück zum Hotel. Dort stelle ich sie in der Garage ab und gehe noch einmal um sie herum und schaue, ob es Auffälligkeiten gibt. Das ist nicht der Fall und ich wünsche ihr eine gute Nacht und mache das Garagentor zu.
Auf dem Zimmer ziehe ich mich erst mal um, die Stiefel von den Füßen zu bekommen ist eine wahre Wohltat. Mit Jeans, Ballerinas und T Shirt und mit der neuen Bürste frisch gebürsteten Haaren mache ich mich auf ins Restaurant. Den Tankrucksack nehme ich mit, denn da ist meine Kamera drinnen und mein Notizbuch und die Landkarten. Ich möchte etwas essen und den Tag in mein Notizbuch fließen lassen.
Das Restaurant ist sehr zu empfehlen. Hier gibt es eine gute regionale Küche, nichts für Kalorienzähler und ich ordere mit dem Waliser Schnitzel um 12,50€ inkl. Salat die vermutlich größte Menge an Kalorien, die ich auf einmal bekommen kann.



Nach dem Essen mache ich noch meine Hausaufgaben und schreibe die Erlebnisse des Tages nieder und danach sehe ich zu, daß ich ins Bett komme. Als ich auf dem Weg zum Zimmer noch mal kurz an die frische Luft hinaus möchte, stelle ich fest, daß es aus Eimern gießt. Wie gut, daß Gesa eine gemütliche Garage hat für die Nacht...

Es dauert nicht lange, dann mache ich das Licht im Zimmer aus und bin auch sofort und ohne Umschweife weg.


Der erste Tag "richtig" auf Tour war ganz große Klasse! So habe ich mir das vorgestellt! Das Fahren klappt auch wieder besser, ich hatte zwar am Anfang in den Kurven noch ein wenig Hemmungen, aber die haben sich mit jedem Kilometer verloren.
Ich bin gespannt, was der zweite Tag bringt...





Freitag, 29. August 2014

Spurensuche

Wie ich nach Nieder Olm reinkomme, merke ich, daß ich Hemmungen habe, den Kreisverkehr zu durchfahren. Es ist also was hängen geblieben von der gestrigen Fahrt und dem Schrecken in Gau Odernheim. Ich biege sehr viel langsamer als sonst an der ersten Abfahrt ab und fahre auf der Umgehungsstrasse entlang. Der zweite Kreisel ist ähnlich. Auch hier eiere ich ziemlich herum. Meine Gedanken kreisen um die Sache von gestern. Beim dritten Kreisel gehe ich schon wieder etwas beherzter heran, aber es ist trotzdem nicht wie vorher. Mir fehlt das Zutrauen. Ich muss mich mehrmals zusammenreißen, damit ich jetzt weiterfahren kann. Ich fahre in Richtung Saulheim die Steigung rauf und biege nach Udenheim ab. Die Ortsdurchfahrt ist recht anspruchsvoll, es kommen da recht enge und unübersichtliche Kurven auf mich zu. Ich muss mir sagen: "Ich fahre jetzt Motorrad! Über das von gestern kann ich später nachdenken." Das hätte ich nicht gedacht, daß mir dieser kleine, winzigkleine Rutscher im Kreisel gestern in Gau Odernheim so viel ausmachen würde. Es ist dabei überhaupt nichts passiert. Vielleicht ist es, weil ich nicht weiß warum und was es war. Vielleicht doch ein Hopser? Oder Oel? Es hat keinen Sinn, sich das Hirn zu zermartern, ich werde es gleich sehen. Ich fahre heute ein wenig wie auf rohen Eiern. Kurven sind echt ein Problem für mich heute. Sonst gleite ich hier in Richtung Schornsheim in beschwingter Fahrt, aber heute ist das fast schon Arbeit. Dabei ist gar nicht viel auf der Strasse los. In Schornsheim komme ich gut über die Bundesstrasse weg und es geht ungehindert nach Gabsheim hinunter. Als ich auf die Strasse von Bechtolsheim nach Biebelnheim treffe, ist es mit der Konzentration gerade mal wieder Essig. Bis jetzt ist kein guter Tag zum Fahren. Aber ich brauche auch solche Erfahrungen, denn ich werde mit solchen Situationen vielleicht wieder zu tun haben und muss dann damit umgehen. Mich nervt, daß ich mich von dieser Sache so beeindrucken lasse.
       Vielleicht gibt es ja auch gar keinen Grund? Ich werde vorsichtiger sein müssen.
Endlich komme ich in Gau Odernheim am Kreisel an. Ich fahre in einmal komplett, zwei Mal - ich kann nichts ungewöhnliches entdecken. Ein drittes Mal. Ist da der Asphalt nicht etwas glatter? So glänzend schwarz? Ich bin verunsichert. Ich verlasse den Kreisel in Richtung Gau Odernheim und setze meine Fahrt fort. Viel gebracht hat das jetzt nicht, denke ich mir. Ich habe ihn gesehen und ich bin ein paar Mal durchgefahren, ohne das was passiert ist. Aber den Grund für den Rutscher habe ich nicht gefunden. Vielleicht gibt es ja auch gar keinen? Ich werde vorsichtiger sein müssen.
In Dittelsheim - Hessloch biege ich in Richtung Westhofen ab. Meine Gedanken sind noch immer nicht ganz bei der Sache. In Westhofen am Kreisel nehme ich die Abfahrt in Richtung Gundheim und gebe Gas, den Berg hinauf. In Gundheim drehe ich eine kleine Runde durch den Ort und komme dabei endlich wieder auf andere Gedanken. Ich beschließe, in Richtung Abenheim zu fahren und komme abermals unter der Autobahn hindurch. "Ah! - Das ist der Ort mit der "Helikopter - Kirche!"" denke ich, als ich die kleine Kapelle am Hügel sehe. Die ist von der Autobahn aus gut zu sehen, und es standen da früher noch ein paar Bäume so drumherum, daß sie von der Ferne wie einer dieser großen amerikanischen Transporthubschrauber aussah, wenn man nur flüchtig hinschaute. Ich hatte das auch schon mal gedacht und mich gewundert, wieso der nicht vom Fleck kommt. Irgendwann, als ich mit einem Kollegen unterwegs war, meinte der an der Stelle, "was macht denn der Hubschrauber da? Wieso steht der denn da in der Luft?"
Ich biege ab nach Osthofen. Unzählige dieser winzigen Fruchtfliegen zerplatzen an meiner Visierscheibe. Diese Viecher sind im Moment eine echte Plage. Auch im Haus sausen die herum und man hat ständig ein schlechtes Gewissen und meint, man halte es mit der Hygiene nicht so genau. Es wird aber mit dem vielen Wein und Obst zu tun haben, das wir hier in der Gegend haben, denn im Radio habe ich auch schon davon gehört gehabt. Ich bin also nicht allein mit dem Problem und war beruhigt.
In Osthofen führt mich mein Weg zur Gedenkstätte. Ich parke Gesa auf dem Parkplatz und mache den Motor aus. Ich bleibe einen Moment noch sitzen und horche in mich hinein. Will ich da jetzt wirklich reingehen? Bin ich dazu bereit? Diese Orte kann ich nicht bei jeder Stimmung besuchen. Ich möchte ein paar Bilder machen und dazu muss ich auch innerlich dicht am Sujet sein. Schließlich mache ich mich doch auf. Ich hole die Kamera hervor, nehme den Tankrucksack ab und gehe hinein.
In Osthofen ist von 1933 - 1934 eines der ersten Konzentrationslager gewesen. Kein Vernichtungslager, auch nicht riesengroß, aber ein KZ. Jeder, der seinerzeit in der Gegend gelebt hat, hat davon mit Sicherheit gewusst. In den Zeitungen wurde zum Zwecke der Abschreckung berichtet, wer aus welchem Ort inhaftiert sei.
Man hatte eine ehemalige Papierfabrik genutzt, als es die Anordnung gab Läger zu schaffen und hatte dort in erster Linie politisch andersdenkende, aber auch Juden, "Bibelforscher", also Zeugen Jehovas und Sinti inhaftiert. Für viele war das nur die erste Station auf dem Weg in andere Läger. In diesem Lager konnten die Gefangenen zunächst auch noch Besuch von Angehörigen erhalten. Die Vernichtungsmaschine war noch nicht angelaufen.

                                                   Appellplatz bis Sommer '33

                                                                Schlafraum


Als ich zu Gesa zurückkehre, bin ich still geworden. Ich verpacke die Kamera und mache mich wieder fertig. Ein letzter Blick noch und dann gleite ich wieder über den Bahnübergang in den Ort hinein.
Auf dem Nachhauseweg fahre ich noch etwas Zickzack durch Rheinhessen und gelange schließlich wieder nach Saulheim. Dort tanke ich noch mal voll und fahre über Partenheim zurück.

Im Laufe des Tages hat sich meine Blockade vom Anfang wieder gelegt. Ich habe mir den Kreisel angeschaut und habe nichts bedrohliches feststellen können. Dennoch hat es gedauert, bis ich meine Sicherheit wiedererlangt habe. Wie es weitergeht, werden die nächsten Tage zeigen.



Donnerstag, 28. August 2014

Baustellenausfahrt

Gegen Mittag entwickelt sich der Tag in Richtung "nix mehr los" und ich beschließe mich aus dem Staub zu machen. Rasch ist mein gelber Rucksack gepackt und ich habe mich in meine Motorradkleidung gepellt.
Heute habe ich ein besonderes Ziel: ich möchte nach Altleiningen. Dort bin ich schon mal gewesen, das war im Oktober 1982. Ich war elf und wir waren auf Klassenfahrt dort hin gefahren. 34 Figuren in einem Bus für knapp drei Tage in die Jugendherberge.

Wenn man alles aufhebt... Der Brief von der Schule seinerzeit mit der Ankündigung an meine Eltern und die Postkarte, die ich dann von dort geschrieben hatte.
Gesa blubbert wohltuend unter mir, als ich die Handschuhe anziehe und den Helm zuklappe. Gang rein und es geht los.In Wörrstadt stehen die ersten Schilder mit Umleitungshinweisen. Baustellen begleiten einen diesen Sommer, wohin man sich auch begibt. Diesmal betreffen sie mich aber noch nicht, denn ich möchte über Rommersheim fahren. Über den Bahnübergang hinweg komme ich nach Armsheim. Dort biege ich links ab, in Richtung Flonheim. Als ich dort ankomme, weist mich ein Schild am Kreisverkehr auf eine Baustelle auf meiner Route hin. Ich fahre trotzdem weiter in Richtung Bornheim und stehe am Ortseingang an einer Bauampel. Die erste Möglichkeit nutze ich um rechts von der Hauptstrasse abzubiegen. Ich habe vor, mich von hinten an Alzey heranzuschleichen. Ich komme über einen Hügel und vor mir liegt Bös - Bermersheim. Hier war ich doch auch schon mal. Das ist doch der Geburtsort der Heiligen Hildegard (von Bingen)! Ich folge im Ort den Wegweisern und stehe vor der Taufkirche der berühmten Frau.
Gesa lasse ich an der Pforte stehen und stapfe ein wenig um die Kirche herum und schaue mich um.


Nach einer Weile kehre ich zu Gesa zurück und wir machen uns wieder auf den Weg. Nicht weit hinter dem Ort, an der Kreuzung mit der Bundesstrasse landen wir an einer Absperrung. Hier geht es nicht weiter. Ich kann nur links abbiegen und würde so praktisch dorthin zurückgelangen, wo ich in Flonheim abgebogen bin. Das will ich aber nicht. Also fahre ich ein paar Meter auf der Bundesstrasse und biege dann auf die Autobahn ab. Sehr zur Freude eines Autofahrers, der schon an meinem Rücklicht am schnuppern war.
In Alzey verlasse ich die Autobahn und fahre in Richtung Stadt. Am Kreisverkehr ist das andere Ende der Sperrung, die mich auf die Autobahn getrieben hat. Mich kann das jetzt aber nicht mehr tangieren, ich folge der Bundesstrasse in Richtung Grünstadt. In flotter Fahrt geht es bis Flomborn, aber dann ist Schluss mit lustig. Baustelle. Ich folge einem Sprinter und einem Bus auf die Strasse in Richtung Gundersheim, da ich nicht nach Kirchheimbolanden möchte. Das ist erst später dran. In Gundersheim biege ich dann, weiterhin den Bus und den Sprinter verfolgend, Überholmöglichkeiten hat es keine gegeben, in Richtung Bermersheim ab. Dort verschwinden die beiden dieselnden Gesellen dann glücklicherweise beide alsbald ins Industriegebiet. Also freie Fahrt! Ich komme durch Bermersheim (das ist ein anderes als vorhin - puh!) und Gundheim von hinten nach Flörsheim - Dalsheim. Dort kann ich dann hinter der Baustelle wieder auf die B271 biegen und in Richtung Monsheim fahren. In Bockenheim bahnt mir dann ein recht forsch fahrender LKW den Weg durch die schmalen Gassen. Vor Grünstadt schon wieder Baustellenschilder. Ich biege also an der ersten Möglichkeit ab und gelange in ein Industriegebiet. Halt! Was steht da? Metzgerei? Warme und kalte Snacks? Prima! Ich halte an und gönne mir ein Fleischkäsebrötchen. Frisch gestärkt geht es dann weiter in Richtung Zentrum. An einem Kreisel nehme ich die Abfahrt in Richtung Wattenheim. Ich bin richtig, die Häuser habe ich damals aus dem Bus gesehen! Der Strasse folgend komme ich nach Neuleinigen. Hier möchte ich die Burg besichtigen, denn zu der sind wir damals hingewandert.
Ich fahre die Strasse in Richtung Hettenleidelheim hoch und biege dann links ab. Der Weg führt auf Pflaster durch ein Rundbogentor und dann durch eine ziemlich schmale Gasse in den alten Ortskern. An der Kirche ist auch die Burgruine und so ich biege auf den Parkplatz ab.

Gesa ist nicht mit auf den Turm gestiegen, sie wartet unten... Könnt Ihr sie sehen?
Wieder unten, mache ich mich fertig und rolle wieder langsam durch den kleinen Ort. Wir waren damals natürlich aus dem Tal auf Treppen hier hochgestiegen und die Gasse, auf der ich jetzt fahre, habe ich seinerzeit höchstens am Rande mitbekommen.
Ich schlängele mich wieder ins Tal, biege in Richtung Altleiningen ab und stehe schon wieder vor einer Bauampel. Als ich wieder losfahren darf, hat sich ein ganzer Pfropf Autos gebildet, die jetzt in das Tal drängen. So geht es also durch den schönen Wald in Kolonne und ich kann es nicht recht genießen. In Drahtzug- Maihof fällt mir ein Schild auf "Urlaub für junge Pärchen in Maihof" oder so ähnlich. Wer will denn hier Urlaub machen, gegenüber einer das Bild völlig bestimmenden Fabrik? Es ist ein Swingerclub, wie ich später erfahre, der hier auf neue Leute hofft. Ah so...
In Altleinigen angekommen wird es auf einmal haarig. Die Sonne steht mir entgegen und ich folge zwei Autos, die an parkenden Fahrzeugen vorbeifahren. Da ich immer recht viel Abstand lasse, ist als die wieder einscheren, die Strasse für den Gegenverkehr frei, der auch plötzlich vor mir auftaucht. Den Wagen hatte ich nicht als bewegtes Fahrzeug wahrgenommen vorher. Mit knapper Not können wir uns ausweichen. Etwas verunsichert biege ich in Richtung Burg ab und biege, nach einem kurzen Stück bergauf, zum Parkplatz ab. Ich stelle Gesa ab und atme erst mal durch. Ich schaue mich um. Der Bus hatte uns damals da vorne an der Strasse abgeladen, meine ich. Von irgendwoher dringt Rauschen an mein Ohr. Ich gehe auf die Brücke zur Burg. Da ist ein Schwimmbad im Burggraben! Gab es das damals auch schon? Oder hatte das nur geschlossen, weil ja schon Oktober war? Ich bin überrascht.

Ein Schwimmbad? Wo kommt das denn her?
Ich gehe durch das Tor auf den Hof und auf einer schmalen Treppe zum Ruinenteil der Burg.

In dem Fenster hatte ich damals gesessen

Dieser Tisch und die Tischtennisplatten, waren die auch schon da gewesen? Ich glaube nicht. Ich schaue in den Burghof.

Das Gebäude sieht anders aus. Es war seinerzeit nicht verputzt gewesen und es hatte auch kein Dach gehabt. Dafür war über dem Eingang noch eine Verzierung angebracht, die heute fehlt. "Mein" Zimmer war im ersten Stock, neben dem Blitzableiter.
Ich kehre zu Gesa zurück und überlege, wie ich weiterfahren soll. Da gibt es doch diese kleine Strasse unten im Tal. Die müsste doch in Richtung Hettenleidelheim gehen. Ich mache mich also fertig und rolle langsam im ersten Gang wieder vom Parkplatz und biege rechts ab. Es ist eine wirklich kleine Strasse. Kaum breiter als ein Auto und praktisch gar nicht begrenzt. Als ich vollkommen begeistert unten im Tal ankomme, biege ich in Richtung Wattenheim links ab und folge dem schmalen Asphaltband in den Wald. Es ist traumhaft. Nach kurzer Zeit erscheint allerdings so ein Muttipanzer im Rückspiegel. Ich drehe etwas am Gashahn und kann ihn auf Abstand halten. Sonnenlicht fällt in Streifen auf die Strasse, ich bin oft geblendet und kann die Strasse nur ahnen, da sie dann wieder im Dunkel liegt. - POAH!!- Was ist das??- Auf einmal biegt die Strasse um gut 120 Grad nach Rechts ab!! Ich gehe voll in die Hemme und werfe den Anker. Da kommt noch einer von rechts! Ach du je. Im letzten Augenblick gelingt es mir das Ruder rumzureißen und ich habe Glück daß es sich ausgeht. Ich habe diese Biegung nicht sehen und nicht ahnen können. Die Strasse ist nicht markiert gewesen und geradeaus ging ein Weg weiter auf einen Hof. Noch dazu lag das für mich im Dunkeln. Normalerweise stehen an solchen Stellen diese rot / weißen Tafeln - Fehlanzeige. Die Begrenzungslinie kann ich im Strassenstaub kaum ahnen.
Es geht den Berg rauf und als nach ein paar hundert Metern wieder so was ähnliches kommt, bin ich darauf vorbereitet. Da gerate ich nur ins Stocken, weil nicht wirklich ersichtlich ist, wo die Strasse nun wirklich weitergeht. Ich bin froh, als ich wieder auf einer "normalen" Strasse bin und in Richtung Autobahn steuere. Vor Hettenleidelheim - schon wieder Baustelle. Also geht es außen herum nach Eisenberg. Eigentlich wäre ich gerne durch die Ortschaften gefahren, aber dann halt nicht. Hinter Eisenberg biege ich in Richtung A63 ab und fahre den Berg rauf. Oben gibt es einen Wegweiser nach Marnheim. Da will ich hin. Aber - was ist das? Da steht ein Schild, daß es dort eine Baustelle gibt? Der Weg zur Pfrimmtalbrücke sei aber frei. Das ist ein Versteckter Hinweis an den Ortskundigen, wie sich herausstellt. Die Pfrimmtalbrücke liegt am Ortsende und wenn man dort hin kommt, dann kommt man auch weiter. Ich fahre also ungerührt an dem Schild vorbei. Und siehe da: es klappt wunderbar!

Reste der zu Kriegsende zerstörten Pfrimmtalbrücke. Sie war Teil der Eisenbahnstrecke von Mainz über Alzey nach Kaiserslautern.

Gegen den Berufsverkehr zuckele ich in Richtung Kirchheimbolanden und dann weiter in Richtung Alzey. Gesa läuft sehr gut, als ich hinter Kirchheimbolanden den Berg hinaufbeschleunige, wir fliegen durch die breite Allee auf der Hochebene und es ist wunderbar. Vergessen sind die blöden Dinge von vorhin und ich fühle mich einfach gut.
Alzey lasse ich in Richtung Gau Köngernheim hinter mir und fahre weiter nach Gau Odernheim. Diesmal nehme ich die neue Umgehungsstrasse, die auf dem ehemaligen Bahndamm verläuft. Als ich am Ende am Kreisel wieder auf die normale Strasse biegen will, gibt es einen kurzen Schreckmoment. Gesa rutscht, oder hopst - so genau kann ich das nicht sagen - ein wenig mit dem Hinterrad. Die Strasse war völlig trocken. Ich muss mich schwer zusammenreißen, damit ich die Verkrampfung wieder gelöst bekomme und aus dem Kreisel hinaus in die andere Richtung lenken kann. Die letzten Kilometer nach Hause kann ich mich zwar wieder beruhigen, aber ich empfinde sie trotzdem als anstrengend. Als Gesa wieder tickend in der Garage steht, als ob nichts gewesen sei, bin ich heilfroh.

Die Fahrt war zweigeteilt. Auf er einen Seite war sie wunderschön, ich bin an Orte gekommen, wo ich wahrlich lange nicht mehr gewesen bin und ich bin ein gutes Stück gefahren. Es waren tolle Landschaften und tolle Strassen. Aber auf der anderen Seite waren da auch diese drei blöden Erlebnisse. Ich weiß nicht, ob ich im Umgang mit der Situation alles richtig gemacht habe, ich habe zumindest mal nicht alles falsch gemacht um sie zu bewältigen. Es bedeutet aber, ich muss noch vorsichtiger sein und auf noch mehr achten. Die Sinne geschärft hat es allemal.





Donnerstag, 7. August 2014

Falsch verstandenes Heldentum

Es gibt ja Dinge, die polarisieren. Zu dicke Bäuche (m / w) unter zu kurzen Hemden, oder Verwahrdauer ertappter Millionenbertrüger hinter schwedischen Gardinen je nach Bekanntheitsgrad des Delinquenten. Aber auch an sich ganz harmlose Rucksäcke. Das kann ich, wenn ich möchte, täglich selbst erleben. Ich habe mir für zum Motorrad fahren einen zu meiner Jacke passenden, gelben wasserdichten Rucksack gekauft. Der war herabgesetzt, da es sich wohl um einen Artikel handelt, der aus dem Programm genommen wird. Harmloser Vorgang ansich. Machen viele so.

                                                             - Serviervorschlag -

Es ist aber der Held Moto Flash Rucksack. Der Name des Herstellers ist groß und schwarz auf den Rucksack gedruckt und abgesehen davon daß es vom Standpunkt der gendermäßigen Verortung nicht ganz passt, verleitet er Automobilisten zu wahren Hasardeursstücken. Da fühlt sich dann selbst jede Studentin mit ihrem Ford Ka aufgerufen im "wie weit kann man ans Rücklicht eines Kradisten heranfahren, ohne daß man ihn anschiebt - Contest" auf den ersten Plätzen mitzuspielen. Von Zeitgenossen mit hohem Testosteronspiegel wollen wir da mal ganz schweigen. Da wird auf einmal überholt wo es gar nicht mehr geht, egal ob von vorne ein 40 Tonner kommt, oder nicht, das ganze möglichst dicht, damit ich auch richtig was von der Showeinlage habe. Ich bin versucht, mir nun so weiße Nummerntaferl zu machen, mit denen ich dann die Jurywertung gleich abgeben kann. Vielleicht bietet Held für so etwas ja auch die entsprechende, griffgünstig positionierte Unterbringungsmöglichkeit an.
Wenn ich den Rucksack nicht dabei habe, empirische Versuchsreihe, man merke auf, dann verhalten sich die anderen Verkehrsteilnehmer ganz normal. Dabei sind dann nicht weniger Hirsche unterwegs als wenn ich mit Rucksack unterwegs bin. Aber sie verhalten sich anders.

Sonntag, 3. August 2014

Hinter Festungsmauern

Der Briefkastenschlüssel knirscht im Schloß. Mit der andern Hand drehe ich die Post, die ich eben aus dem schmalen Kasten gefischt habe um. Oh, ein Brief von Walter ist dabei. Wieder drinnen öffne ich ihn gleich als erstes. Eine Postkarte ist darin, schwarz und es stehen die Buchstaben "CP" darauf.
Ah, stimmt, da war doch diese Veranstaltung in Koblenz. Davon hatte ich doch auch schon im Internet gelesen. "CP" bedeutet "Classic Photography", das ist eine Veranstaltungsreihe, die sich an alle richtet, Hersteller wie Anwender oder Sammler, die sich mit der klassischen Fotografie befassen. Also der mit Film oder ähnlichem. Ich schaue im Internet nach, die Reihe derer, die sich als Aussteller angekündigt haben, ist kurz, aber es sind zwei interessante Namen dabei. Unter anderem die Firma Spur, ein Hersteller und Erfinder von fotografischen Entwicklern. An denen, beziehungsweise an deren Produkten habe ich schon eine Weile Interesse, aber ich habe im Handel noch keine Entwickler von ihnen gefunden. Am morgigen Sonnabend und am Sonntag gibt es also Gelegenheit die mal kennenzulernen.
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Reichlich früh für einen Sonnabend klingelt der Wecker und nachdem ich Shauna beteuert habe, daß das alles seine Richtigkeit hat, rolle ich mich aus dem Bett. Der Blick auf die Wetterapp im Händi ergibt, daß es im Laufe des Tages durchaus zu Unwettern kommen kann. Na klasse. Nachdem ich jeden Wetterbericht, den ich finden kann, befragt habe, steht es fest: Ich werde da heute hinfahren. Es ist zudem ein guter Test für die Koffer, die ich die Tage abgeholt habe. Die Wetterberichte verheißen allesamt Temperaturen um die dreißig Grad und so knöpfe ich munter das Futter aus der Jacke und verstaue es in einem der Koffer, zusammen mit der Regenkombi. In den anderen kommt ein kleiner Rucksack, in dem sich unter anderem mein Fotoapparat befindet. Ich habe einen Tri X eingelegt, das wird eine würdige Gelegenheit sein.
Nach einem schmalen Frühstück verlasse ich, bepackt wie zu einer Weltumseglung, das Haus und gehe zur Garage rüber. Ich rolle Gesa auf den Hof und baue die beiden Koffer an. Dann fertig angeplünnt und das Bein mit Schwung über die Sitzbank. Los gehts.
Kurz hinter Jugenheim merke ich, daß es etwas verfrüht war das Futter herauszunehmen. Mit meinem Top unter der Jacke wird es reichlich kalt. Die Lüftung der Jacke funktioniert prima. Hinter Ober Hilbersheim beschließe ich, daß in den nächsten Minuten nicht mit plötzlich steigenden Temperaturen zu rechnen ist und ich biege auf einen Feldweg ab und baue das Futter wieder ein.
                          Den rechten Weg einschlagend, mache ich mich weiter auf nach Koblenz

Als ich aus Dromersheim herausbeschleunige habe ich ein paar Tropfen auf der Visierscheibe. Die begleiten mich auch bis Bingen, aber ein echter Regen wird nicht daraus. Durch Bingerbrück geht es wie immer schleppend, die Ampeln sind gegen uns. Danach habe ich dann einen Wiesbadener vor mir, mit seinem Audi, der die große weite Welt erkundet und hier auf der anderen Rheinseite in reichlich unbekanntes Terrain vordringt. So fährt er auch. Ich rechne mit allem, bis hin zur Försterwende, aber nach einer Weile ist die Gelegenheit günstig und ich ziehe rasch an ihm vorbei und lasse ihn im Rückspiegel kleiner werden.
Die Fahrt verläuft herrlich ruhig und ich komme durch die ganzen Ortschaften, die in der Rheinromantikwelle der fünfziger hängengeblieben, heute einen leicht dedeerigen Charme versprühen und ich würde mich über VEB und HO Anschriften keineswegs wundern. Der Verlauf der B9 tut sein Übriges um den Häusern die nötige Patina zu verleihen.
Daß Ferien sind, merke ich daran, daß mir jede Menge Autos und Wohnmobile mit fremden Kennzeichen entgegenkommen und auch haufenweise Motorradfahrer. Teils in Mannschaftsstärke. Mit dem Grüßen komme ich kaum nach.
Was mir wieder auffällt ist, wie viel mehr man mit dem Motorrad sieht und wahrnimmt. Ich entdecke Dinge, die ich mit dem Auto nie gesehen hätte, einfach weil ein Dach, oder ein Holm im Wege wäre.
Dem Mittelrheintal werde ich mich demnächst einmal gesondert widmen, somit sause ich heute eigentlich nur durch. In Brey mache ich dann aber doch einen kleinen Stop.

Diese historischen Wegweiser sind mir schon vor einiger Zeit einmal aufgefallen und ich habe auch heute schon ein paar davon am Wegesrand entdeckt. Die Wegangaben auf ihnen sind in Deutschen Meilen abgefasst und so ist es von hier aus noch eineinhalb Meilen bis an mein Ziel, also was bei zehn Kilometern.

Am Ortseingang von Brey ist auf einer Säule auf einer Verkehrsinsel ein steinerner Kopf angebracht. Als ich vorhin da vorbeikam, hatte ich mich schon gleich darüber gewundert. Nun schaue ich ihn mir genauer an.


Zuerst habe ich ja gedacht, das würde als Mahnmal dort stehen, für einen der seinen Brey nicht brav aufgegessen hat, aber ein Schild auf der Rückseite der Säule verrät was es wirklich mit diesem Kopf auf sich hat.
          Verwirrung: Hatte Lucius nicht bei "Truck Stop" gesungen? Oder war das doch ein anderer?


Um Wissen reicher mache ich mich auf den Weg an den Rhein um das Panorama zu genießen. Es geht eine schöne neue Treppe hinunter und unter der Bahn durch. Dahinter fällt mein Blick auf eine schwarze Stele, und einen Touristen bei der Arbeit.

Als er fort ist, nehme ich seinen Platz ein und tue ebenfalls meine Pflicht an dieser Stelle, nur ohne Fahrrad halt.
                                  Der auserwählte Blick wird durch die Marksburg bereichert.


Als ich gehe, fasse ich einen klaren Gedanken. An dieser Stelle könnte die zuständige Verwaltung eigentlich gleich ein Stativ fest einrichten. Das würde den touristischen Nutzwert immens heben.

Gesa steht noch artig dort, wo ich sie hingestellt habe und ich mache mich fertig, steige auf, stosse uns rückwärts zurück auf die Strasse und fahre zur B9 zurück. An der Kreuzung sehe ich eine Familie, deren Sonnabendvormittagsvergnügen es zu sein scheint, mit Campingstühlen im Hofeingang an der Bundesstrasse zu sitzen und dem Verkehr zuzuschauen. Auch mich haben sie interessiert als willkommene Abwechslung zur Kenntnis genommen. Ich grüße kurz und fahre meines Weges.
Langsam wird es städtischer und es kommt mehr und mehr Beton in Sicht. Ich komme in Oberwerth auf die vierspurige Strasse und fahre hinter dem Hauptbahnhof entlang. Dann biege ich ab in Richtung Lahnstein und stehe an den Ampeln, in Richtung Pfaffendorfer Brücke, durch die Stadt. Hinter dem Fluß folge ich der Strasse in Richtung Ehrenbreitstein durch einen Tunnel. Ich ordne mich rechts ein und biege an der zweiten Ampel ab. Nun schlängelt sich die Strasse durch Niederberg bergan. Als ich schon denke, ich habe die Abfahrt verpasst, kommt schließlich ein Kreisverkehr, an dem es zur Festung Ehrenbreitstein abgeht. Da setze ich meinen Blinker. Es geht durch eine ehemalige Militärsiedlung und dann ein gutes Stück auf dem Hochplateau wieder zurück. Dann versperrt eine mobile Sperre den Weg. Ein Mann mit orangener Weste, der dort postiert ist, ruft mir zu: "Motorradfahrer haben hier immer freie Fahrt!" Oh, danke..! Ich fahre einen langen Weg entlang an Grünanlagen und der oberen Seilbahnstation, bis ich an einen Parkplatz komme. Die Schranke bleibt geschlossen und ein abermaliger Mann mit orangener Weste erklärt mir, daß auch Motorradfahrer hier eine Karte ziehen und bezahlen müssten. Na schön. Ich tue wie mir anempfohlen und die Schranke hebt sich. Ziemlich weit vorne, in der Nähe des Haupteinganges, findet sich dann beim Motorradparklatz eine Tafel mit den Modalitäten, auf die ich mich hier eingelassen habe. Wenn ich bis drei Stunden parken will, kostet das drei Euro, wenn ich in die Festung einzutreten gedenke, dann kostet das Parken nur noch einen Euro pauschal. Der Eintritt kostet sechs Euro und ist auch für mich fällig, denn mein Ziel liegt am hintersten Ende der Festung. Dafür kann ich mir dann auch die sonstigen Ausstellungen anschauen.

                               Der Eingang zur Festung mit dem Emblem der Haager Konvention

Die anderen Ausstellungen lasse ich heute allerdings links liegen, lediglich das Haus der Fotografie nehme ich mit.
Die hohen Festungsmauern umgeben mich und es ist ein bedrückendes Gefühl. Ein Gefühl, das mich immer wieder befällt, wenn ich an solche Stätten komme. Auf jedem Zentimeter ist zu sehen welchem Zweck sie gedient haben. Der Eindruck wird hier noch durch Tondokumente verstärkt, die durch verschiedentlich angebrachte Lautsprecher auf die Besucher rieseln. Da ist Marschmusik zu hören - ich hatte zunächst an ein Militärkonzert geglaubt -, oder das Geräusch von Truppen im Gleichschritt.

                                                   mit verstecktem Hinweis auf mein Ziel...

Für viele Besucher ist dies einfach nur ein weiterer Ort auf ihrer Reise, viele haben sie wohl schon gesehen, an sich vorüberziehen lassen und so laufen sie mitunter recht gelangweilt durch die Mauerschluchten und Gänge. Auf dem großen Platz, mit dem besten Blick aufs Deutsche Eck, bittet mich ein asiatischer Reisender von ihm und den ihn begleitenden drei Damen ein Bild vor der Kulisse des Tales zu machen.
Die Veranstaltung, die ich eigentlich besuchen wollte, entpuppt sich als recht übersichtlich. Es gibt eine kleine Ausstellung schwarzweißer Fotografien und ein paar weitere Stände. Bei der Firma Spur bleibe ich stehen und gerate ins Gespräch mit Heribert Schain. Er zeigt mir seine Entwickler und Drucke nach Negativen, die damit entwickelt sind. Insgesamt unterhalten wir uns sehr angeregt und besuchen schließlich noch die Verdun Fotoausstellung von Martin Blume und Emmanuel Berry nebenan. Am Ende nehme ich zwei Entwickler gleich mit.

Zurück auf dem Parkplatz erwartet mich Gesa, geduldig und begierig daß es weitergeht.



Meine Motorradjacke hatte ich im Koffer gelassen, genauso meinen Helm und war nur mit dem Rucksack als Gepäck aufgebrochen. Aus der Jacke mache ich nun abermals das Futter heraus, denn es ist wirklich warm geworden. Von Gewitter und Unwetter ist weit und breit nichts zu sehen und so mache ich mich, nachdem ich meinen Euro Parkgebühr bezahlt habe, wieder auf den Weg.
Den Rückweg werde ich auf der anderen Rheinseite als auf dem Hinweg nehmen. Zunächst geht es wieder den Berg hinunter bis an die Eisenbahn und dann biege ich links ab. Das Namensschild eines Bestattungsunternehmens "Pohren" fängt meinen Blick und ich überlege, wo ich an der Ampel stehe, ob nicht "Pohren - tief - rein" ein Slogan für die sein könnte, verwerfe aber den Gedanken wieder als es grün wird.

Die Fahrt verläuft bis Braubach auf der schnellstrassenähnlich ausgebauten Bundesstrasse 42 und überquert dabei Lahnstein auf einer respektablen Brücke. Ab Braubach wird es gemütlicher, es ist wieder die alte Strasse am Rhein entlang. Viel Verkehr ist nicht, und wenn, dann wieder wie am Vormittag auch, aus der anderen Richtung. So habe ich gut meine Ruhe und kann fahren wie ich möchte. Lediglich in Kamp Bornhofen geht es etwas stöckerig vorwärts, aber danach habe ich wieder freie Fahrt.
Am hinteren Ende von St. Goarshausen erscheint ein Wegweiser in Richtung Bornich und dem folgend setze ich den Blinker links und biege ab. Da habe ich allerdings das Pech, daß sich vor mich ein Reisebus gemogelt hat. Der wird zur Loreley zur Freilichtbühne wollen, dämmert mir irgendwann als ich mich mit dem Bus zusammen mit kaum vierzig Sachen die Schleifen hochquäle. Der Bus macht einen Höllenlärm und der Ausstoß an dunklen Gasen ist beachtlich. An Überholen ist nicht zu denken, ständig kommen Fahrzeuge von vorne und die Strecke ist denkbar unübersichtlich und eng. Schließlich biegt der Bus oben dann, wie erwartet, zur Freilichtbühne ab. Dort hat auch schon ein Motorradpolizist Stellung bezogen, es ist dort also eine Veranstaltung. Das "Loreley Tattoo", wie ich später erfahre.
Als ich Bornich erreiche, ist es nicht weit bis zu Walter. Ich parke Gesa unter den neugierigen Blicken der Nachbarn vor der Tür und klingele. Ich habe ihm ein paar Prospekte mitgebracht und die möchte ich jetzt abgeben. Wir haben uns eine Weile nicht gesehen und so sitzen wir in der Stube und unterhalten uns lange, bis ich letztlich dann doch aufbrechen muss, da das Barometer nach unten gesackt ist. Draußen scheint zwar noch die Sonne, aber Unwetter muss nicht sein.
Ich fahre die steile Strecke hinunter nach Kaub und dann wieder am Rhein entlang. Nach Regen sieht es dann allerdings doch nicht aus und ich gleite bei schönstem Abendsonnenschein dahin. Zu kalt ist es auch nicht und so bin ich tief zufrieden.
Als ich dann nach einer Weile und zwei Baustellen im Rheingau bin, da scheint es, als hätte es hier doch eben geregnet. Aus den Hängen des Rheingau steigen Wolkenfetzen in der Sonne empor. Die Strasse ist feucht und als ich hinter Frauenstein auf die Schiersteiner Brücke komme, da regnet es auch tatsächlich. Da ich ohnehin tanken muss, fahre ich in Mombach ab und statte Aral einen weiteren Besuch ab. Dort wird dann das Futter erneut in die Jacke gebaut, damit sie wieder richtig wasserdicht ist. Als ich dann in die Stadt komme, ist von Regen und dergleichen Spuk nichts zu sehen. Dort ist alles trocken.

Als Fazit der Fahrt kann ich sagen, daß es ein wunderbarer Tag und eine herrliche Tour gewesen ist. Demnächst werde ich das Mittelrheintal noch mal gesondert unter die Lupe nehmen. Auf der Festung Ehrenbreitstein war ich schon längere Zeit nicht mehr gewesen, das letzte Mal zur Gartenbauausstellung, da war ich beruflich dort.
Die Koffer haben sich voll bewährt, die werden mir vor allem hier bei Fahrten in der näheren Umgebung, oder zum Einkaufen gute Dienste leisten können. Praktisch ist, daß man ihr Volumen verändern kann. Dann passt auch mein Helm gut hinein und ich kann wie ich es heute gemacht habe, Sachen am Motorrad lassen und muss sie nicht mit mir herumschleppen. Die Koffer sind mit einem Griff abgenommen und die Halter hatte Gesa ja ohnehin schon gehabt. Das stört also nicht weiter.



Der Film wurde übrigens mit "Spur Acurol - N", einem dem guten alten Rodinal nicht unähnlichen Hervorrufer entwickelt.