Freitag, 17. Juni 2016

Ein Traum von Africa - Honda Fun & Safety Adventure 2016

+++12.05.2016+++


"Du hast mich nicht gesehen!" - Ich drehe mich um. Gerhard, der Fotograf, steht hinter mir. "Du bist hinter mir gefahren und hast mich nicht gesehen!" - "Öhm, nö, tut mir leid, ich habe vermutlich versucht den Verkehr vor dir zu beobachten..." Er gibt mir trotzdem die Hand, alles wieder gut.
Wir sind in Bauschheim, bei Mainz Bischofsheim, am Rand des Hessischen Rieds. Auf der Autobahn war im Bereich der Rheinbrücke und danach die allmorgendliche Versammlung der Bürgerkäfige. Ich habe mich nach kurzer Zeit an einen anderen Kradisten drangehängt und durch die Blechbüchsen nach vorne geschlängelt. Heute ist Honda Testtag, beziehungsweise Honda Fun & Safety Adventure. Es gilt etwas Willkommen zu heißen, das lange von den Fans der Flügelmarke vermisst worden ist. Die Africa Twin.
Neben uns auf dem Hof steht eine lange Reihe der brandneuen Maschinen. Es sieht zunächst so aus, als dürften wir nachher alle eine mit nach Hause nehmen, aber es kommt anders.
Foto: Buenos Dias
"Damit" klärt man uns auf, "werden wir gleich ins Gelände gehen!" Ich hatte zwar auf Fahren gehofft, aber bitte. Gelände also. Deshalb haben wir uns also auf der ADAC Trainingsanlage in Bauschheim versammelt. Es gibt hier einen deutlich sichtbaren Offroadteil. Den werden wir also gleich unter die Räder nehmen. Wir suchen uns ein Motorrad aus und machen uns fertig.
In der ganzen langen Reihe der Maschinen, die für die Offroadpassage bereit stehen, gibt es nur eine, die über das DCT Getriebe verfügt. Ich bin nicht schnell genug und werde schalten müssen. Beziehungsweise Kuppeln.
Als wir gerade die Motoren starten, fängt es wie auf Kommando an zu regnen. Zunächst sieht es nicht schlimm aus, aber es wird binnen Minuten ein respektabler Landregen daraus. Egal. Wir starten. Unser Trainer erklärt uns, worauf wir achten sollen, daß wir aufpassen sollen, nicht in die Gegenrichtung zu geraten und daß wir zunächst eine Einführungsrunde drehen würden. Damit kuppelt er ein und brummt los. Also, erinnern, wie war das noch im letzten Jahr? Was haben wir gelernt? Oh je. Es klappt allerdings ganz gut, nur bin ich - wie üblich - nicht die schnellste am Ort. Die Maschine liegt zwar gut, den tiefen Schwerpunkt hatte ich ja schon mal bewundert, dennoch wiegt sie deutlich über 200 Kilo. Daran und auch daran, wie die Maschine überhaupt reagiert und fährt, muss ich mich erst mal gewöhnen. Irgendwann kommt mir Sandra entgegen. Entweder bin ich falsch, oder sie ist es. Wir halten an. Es stellt sich heraus, daß sie den Anschluss verloren hat und dann an eine Stelle gekommen ist, an der sie nicht weiterkommt. Nach wenigen Augenblicken hat uns aber unser Trainer wiedergefunden und bringt uns zurück auf den Weg.
Der Regen hat in der Zwischenzeit an Stärke etwas zugelegt, aber die Strecke ist noch nicht zu matschig. Also starten wir zu einer weiteren Runde. Nun ist der Weg klar, ich komme gut voran. Immer noch ist die Maschine schwer für mich. Das legt sich auf die Kondition. Fit wie ein Sack Zement halt. 
Für meine Begriffe ist die Strecke anspruchsvoll, das kommt aber in erster Linie daher, weil ich nichts gewohnt bin. Letztes Jahr, in Aufenau, war das Niveau ähnlich, vermutlich sogar höher. Damit bin ich trotz Hitze gut zurechtgekommen. Dennoch bin ich jetzt nach zwei, drei weiteren Runden geschlaucht. Der Trainer meint, wer nicht mehr kann, der soll die Maschine einfach auf dem Wendeplatz stehen lassen und zurück zu den anderen gehen. Davon mache ich Gebrauch. Die Strecke weicht zudem zusehends auf. Als ich absteige, merke ich, daß ich regelrecht weiche Knie habe. Weit wäre ich so oder so nicht mehr gekommen. Ich gehe erst mal ein Brötchen essen. Und Kaffee trinken. Und den Regen abwarten.
währenddessen
Auf die Strasse!
Als der Regen tatsächlich nach einiger Zeit schwächer wird, beschließen wir, zum Straßenteil überzugehen.
Ich hatte es vielleicht schon mal erwähnt, ich bin nicht unbedingt der größte lebende Fan des Hessischen Ried. Entsprechend turnen mich die drei vorgeschlagenen Routen nicht so wirklich an. Es wird viel geradeaus gehen, es wird langsam gehen, es wird überall Blitzer geben und schleichende Autos. Viele Autos. Was liegt da näher, als sich einfach einen Weg auf der anderen Rheinseite zu suchen. Sandra und ihr Mann schließen sich mir spontan an, als ich mich auf die NC 750 X schwinge und verkünde, einen kleinen Törn durch Rheinhessen zu machen. Die Gegend kennen beide noch so gar nicht und so fahre ich also als Guide voraus.



Die NC 750 X, die ich hier zur Verfügung habe, hat ein DCT Getriebe. Die "S" Schwester kenne ich vom letzten Jahr, da hatte ich eine Variante mit Schaltgetriebe gefahren. Die "X" ist etwas höher, aber nicht zu hoch, es ist ein auf Anhieb sympathisches Motorrad. Der Motor gurrt unter mir, als wir vom Hof rollen und auf die Strasse nach Bischofsheim einbiegen. Als wir an der Ampel vor der Autobahnauffahrt Gas geben, schleudert mein Hinterreifen stark. Es regnet immer noch. Also Aufgepasst. Der Reifen scheint sich mit Nässe nicht zu vertragen. Auf der Autobahn macht sie gleich gut Tempo, es ist von etwa fehlenden PS nichts zu spüren. Lange bleiben wir allerdings nicht auf der Autobahn, gleich hinter Weisenau ist unsere Abfahrt, es geht dann am Rhein entlang. In der Abfahrt merke ich wieder, wie die Maschine leicht rutscht. Sie läuft unruhig und kippelt dadurch. Die Reifen schwächeln stark. Bei solchem Wetter habe ich schon anderes erlebt. Das ist alles durchaus machbar. Wir geben auf der B9 Gas und kommen so rasch aus dem Gewühl heraus. Der Windschild der NC 750 X passt mir sehr gut, es ist fast wie mit Gesa, die Verwirbelungen sind moderat, nichts unangenehmes, nichts ungewöhnliches. In Bodenheim setze ich den Blinker, wir fahren ab, denn wir wollen etwas weiter ins Hinterland und wir haben nicht ewig Zeit für eine Testrunde. Andere wollen schließlich auch noch. Durch Bodenheim geht es, wie üblich, langsam. Beim DCT ist ja im ersten Moment ungewöhnlich, daß die Maschine an Stellen schaltet, wo man selbst nie schalten würde. Zum Beispiel in Kreisverkehr. Eh man draußen ist, schaltet sie schon in den vierten Gang.
Motor an, aus, Fahren, oder nicht Fahren.
Automatisch schalten lassen, oder alles selbst machen
Gang runter
Gang rauf.
Vom Schaltvorgang als solchem bekommt man nicht viel mit, es gibt eine winzige Vibration, Ruck kann man wirklich nicht sagen. Es ist wirklich nur ganz sanft spürbar. Man hört es am Motorengeräusch und man sieht es, wenn man nach der Anzeige schielt. So fahre ich im fünften durch die Ortschaft, gefühlt knapp über der Leerlaufdrehzahl. Immer wieder greife ich in den ersten Minuten nach dem Kupplungshebel. Da ist aber keiner. Als wir aus Bodenheim rausbeschleunigen, habe ich das Getriebe bereits völlig vergessen und fahre einfach drauf los.
In Gau Bischofsheim gibt es eine Stelle, die hat es in sich. Es geht in einer leichten Steigung an einer Kreuzung direkt in eine starke Steigung. Die Abbiegung ist zudem recht eng. Da kommt man mit dem Schaltmotorrad manchmal in die Bredouille. Da muss man zuweilen in den ersten Gang runter. Auch nach vielen vielen Malen, die ich da gefahren bin, habe ich vor dieser Stelle immer noch etwas Respekt. Mit DCT aber pfeiffe ich mir was, gebe Gas und erklimme die Steigung. DCT macht den Rest. Abwürgen geht nicht.
Die beiden anderen hinter mir sind mit der Kreuzung indes auch zurechtgekommen und so gleiten wir tiefer nach Rheinhessen  hinein. 
In Mommenheim biege ich ab, in Richtung Schwabsburg, das ist eine schöne kleine Straße, die durch Wiesen und Felder führt. Von Schwabsburg, da ist die Ortsdurchfahrt auch ein wenig tricky, geht es über Dexheim nach Oppenheim. Der Regen hat schon in Bodenheim aufgehört gehabt, hier draußen sind die Straßen seit Mommenheim vollkommen trocken und so können wir normal fahren. Hier sind die Reifen wieder so, wie man sie erwartet. Hui, wie das geht! Die "X" fährt sich unwahrscheinlich einfach, fast gedankengesteuert. So macht das wirklich Spaß. Wir schlängeln uns durch das alte Städtchen, vorbei an dem Haus, in dem Luther auf dem Weg zum Reichstag in Worms übernachtet hat und kehren zurück auf die B9. Es geht wieder in Richtung Norden, die Runde schließt sich. Als wir wieder am Testgelände angekommen sind, zufriedene Gesichter. Sandra und ihr Mann haben die Fahrt sichtlich genossen und loben die schöne Gegend.
Wie habe ich die NC 750 X erlebt?
Toll. Ein wunderbares Motorrad, absolut aus der Reihe "sollte in keiner Garage fehlen". In der 2016er Ausführung ist sie optisch noch etwas näher an die Crosstourer und Crossrunner herangerückt, sie ist etwas länger, der "Kofferraum" in der Tankattrappe ist etwas größer geworden und man hat sie mit ein paar Nettigkeiten noch mal aufgewertet. Beide Daumen hoch!
Neue Front
Mit LED Licht
Größeres Ablagefach, soll einen Vollvisierhelm schnupfen.
Den vom Le Fronc schon mal nicht
Den von der Moto- Minya auch nicht...
Aber den vom Hondamitarbeiter!
Königliche Runde
Nach der Mittagspause stehe ich etwas blöde da, alle Radln, mit denen ich fahren wollte, sind besetzt, oder reserviert. Also nehme ich das, was da steht. Das ist in dem Falle das größte Schiff am Pier, die Goldwing
Mit ihr bin ich ja schon mal im letzten Jahr unterwegs gewesen, diesmal habe ich also Gelegenheit, sie auf einer längeren Tour zu erleben. Le Fronc, von seiner Tour durchs Ried am Vormittag nicht so recht begeistert, schließt sich mir spontan an, als er hört, wo ich hinfahren will. Wir setzen uns also in Bewegung. Die Runde wird, der besseren Vergleichbarkeit wegen, die selbe sein, wie vorhin. Also erst mal Richtung Autobahn. Das gibt mir Zeit, mich an dieses Riesending zu gewöhnen. Beim Stop an der Auffahrt kipple ich zwar ein wenig, habe aber die Lage sofort wieder im Griff. Auf der Autobahn merke ich gleich, daß ich mit dem Windschild mich nicht anfreunden werde. Das gibt wirklich unangenehme Geräusche und es zieht mich zu sich heran. Das ist der Unterdruck hinter der großen Scheibe. Vom Radio höre ich so nichts mehr. Beeindruckend ist allerdings, wie die Goldwing abgeht. Einmal in Fahrt, stoppt sie so rasch nichts mehr. Ein Fall für Schockbilder am Lenker und innen am Windschild. Brennende oder zerissene Führerscheine wären das Idealmotiv.
In Kurven habe ich immer etwas Angst, daß ich aufsetze. Sie scheint allerdings unbegründet zu sein. Denn es gelingt mir nicht einmal, mit irgendwas am Asphalt zu kratzen. Muss ja auch nicht sein.
Als wir durch die Ortschaften cruisen, passiert es mehr als einmal, daß Passanten ehrfürchtig einen Schritt zurück treten, wenn wir kommen. Wir hinterlassen Eindruck. Sehr gut. Wenn ich jetzt noch das Radio bedienen könnte, würde ich es vielleicht lauter drehen. Fürs Image.
Von Motor und Straße ist auf der Goldwing nichts zu spüren. Durchs große Fenster vor sich sieht man zwar, daß die Straße da sein muss und durch den Vortrieb ist es wahrscheinlich, daß es einen Motor gibt, aber ganz sicher kann man sich in beiden Fällen nicht sein. Du lümmelst dich auf deiner Wohnzimmercouch durch die Landschaft. Fehlt noch die Fernbedienung in der Hand. Und die Beine kann man nicht überschlagen. Gibt so eine noch zwanglosere Haltung, ist aber nicht damenhaft.
Mich beeindruckt immer wieder auf der Runde, wie schnell man mit diesem riesigen Ding unterwegs ist. Man merkt die Geschwindigkeit eigentlich nicht. Nur wenn die Geräusche am Helm noch stärker werden, weiß man, man fährt schneller. Wenn diese Geräusche vom Helm nicht wären, man könnte die Fahrt wirklich genießen. Ich rutsche im Sessel hin und her und versuche es mit Ducken und mit Strecken, aber ich finde keine Position, in der es ideal wäre. In sofern bin ich froh, als wir wieder auf dem Hof stehen. Eigentlich schade.
Auch hier die Frage, wie habe ich die Goldwing auf einer größeren Runde erlebt?
Eigentlich klasse, aber. Es ist das übliche Aber bei mir. Aber das Windschild. Es muss doch auch anderen Leuten so gehen wie mir? Ich habe alle möglichen Positionen auf solchen Motorrädern schon ausprobiert, aber es findet sich nicht wirklich eine, in der es gut wäre. Diese großen Scheiben sehen zwar toll und komfortabel aus, sie passen aber wohl nur einem kleinen Bevölkerungskreis. Oder die Leute nehmen das einfach so hin  und denken sich nichts dabei. Wie Fahrer bestimmter Automarken. Die auch immer wieder so einen kaufen und denken, es sei normal, wenn Teile während der Fahrt abfallen.
Eh das jetzt einer missversteht! Davon kann bei Honda keine Rede sein! Alles, was ich bisher von Honda in der Hand hatte, war von großer Solidität und über jeden Zweifel erhaben. Dieses Problem mit der Scheibe ist Markenübergreifend. Da ist es völlig egal, wie das Logo auf der Seite aussieht. Deshalb ist die Goldwing ansonsten auch wirklich große Oper. Da spielts dir eine Arie nach der nächsten und es ist irr, wie du mit diesem großen Gefährt um die Ecken biegst. Unbeeindruckt. Lässig. Von Passanten bewundert. Eine Königin mit Rädern unten dran.*
Nach dieser Runde wird es für Le Fronc Zeit, nach Hause aufzubrechen, er muss noch bis Bielefeld und so verabschieden wir uns und ich wünsche ihm eine gute Heimreise.

Mit Gasmaske durch Rheinhessen?
Nun stehe ich aber wieder vor dem Problem von vorhin. Was soll ich fahren? Es sind immer noch einige Motorräder reserviert, oder nicht da, also gehe ich die Reihe ein paar Mal ab, bis ich mich schließlich auf die CB 1000R setze. Das könnte gehen. Also los. Der Motor und das Handling sind sofort angenehm, als ich auf das Zelt zurolle, um die Nummer der Maschine durchzugeben. 
Ich fahre also in Richtung Autobahn. Es ist ein Naked Bike, also gibt es hier auch keine Verwirbelungen am Helm. Der kann hier zeigen, was er kann. Ich sitze gut auf der an mir klein wirkenden Maschine. Auf der Autobahn sammelt sich so langsam der beginnende Feierabendverkehr, aber als ich in Weisenau abfahre, habe ich die Straße wieder fast für mich alleine und kann Gas geben. Die Maschine ist agil und ausgesprochen wendig. Das ist mir sofort aufgefallen. Sie ist aber auch flott. Dabei nicht brutal, nicht überfordernd.
Ich zirkle durch Bodenheim und Gau Bischofsheim. Das Abbiegen macht Spaß, enge Ecken werden rund. Ich brauche bloß zu denken, wo ich hinwill und schon folgt die Maschine. Der Lenkkopfwinkel erscheint mir recht steil, deshalb lenkt sie sich fast wie ein Fahrrad. Keine Probleme. Immer alles im Griff. Der Vierzylinder läuft erwartungsgemäß ruhig, das macht Spaß. Wenn man Gas gibt, passiert auch direkt etwas, aber man hat nie das Gefühl, nicht mehr Herr der Lage zu sein. Im Vergleich zur 160 PS Klasse beißt sie mit ihren 125 Pferden natürlich ab, aber das Handling macht da sehr viel wett. Im Winkelwerk kommt es eh nicht auf die letzten PS an, sondern darauf, wie man ums Eck kommt. Da können auch unerfahrene Fahrer, wie ich, Meter gut machen.
Die Fahrt ist wirklich entspannend, kein Knattern am Helm, kein Rupfen, kein Zupfen, einfach dahingleiten. Durch Oppenheim geht es einfach, ich nehme einen etwas anderen Weg aus der Stadt heraus und stehe einen kurzen Moment am Bahnübergang. Unter mir knistert die Maschine, ich komme mir vor, wie eine ganz große.




Einstellbares Federbein
Viel zu rasch vergeht diese Runde und ich bin fast schon traurig, daß ich schon wieder am Hof stehe.
Die CB 1000 R. Was soll ich sagen?
Toll. Sie ist zwar nicht die neueste im Honda Sortiment, aber das macht gar nichts. Sie ist für mich die Überraschung des Tages. Nie hätte ich gedacht, daß sie sich so einfach fahren lassen würde. Die etwas eigenwillig aggressive Optik mit der Gasmaskenanmutung hatte mich bislang eigentlich abgeschreckt.
Für ambitionierte Ein- und Wiederaufsteiger ist das die ideale Maschine. Ich könnte mir vorstellen, daß es insbesondere anderen Frauen genau so geht wie mir bisher, daß die Optik sie von dieser Maschine abhält. Sollte sie nicht. Probiert es aus!

Afrika! Oh, Afrika!
Zum guten Schluss: Die Africa Twin! Ich habe Glück und es steht die DCT - Variante noch auf dem Hof. Die Zeit reicht auch noch gerade so, also schnappe ich sie mir und reite davon. Was mir gleich auffällt, der Motor. Er hat etwas mehr Leben als der von Gesa. Mehr Eigenleben. Gesa schnurrt wie eine Katze, die Africa Twin bollert und vibriert. Das ist für mich erst mal ungewohnt, aber nicht unangenehm.
Das DCT der Africa Twin ist ein anderes, als zum Beispiel in der NC 750 X. Das muss es schon wegen des angedachten, etwas anderen Zwecks der Maschine sein. Die Africa Twin ist ein wahres Geländeross. Mit ihr kann man, wir haben das heute vormittag selbst er - fahren dürfen, ernsthaft ins Gelände. Auch wenn das praktisch niemand jemals tun wird, man könnte es jederzeit. Sie ist eine Art SUV auf zwei Rädern. In ihr steckt allerdings mehr Dakar als in den vierrädrigen Pendants. Deshalb schaltet das DCT auch ein wenig anders. Man merkt mehr von den Schaltvorgängen, es ist nicht ganz so nahtlos, wie bei den anderen. Es gibt zum Beispiel einen "G" Knopf, gleich neben dem Knopf, mit dem man das Hinterrad - ABS sedieren kann. Mit diesem "G" Knopf kann man im Gelände die Schaltungssteuerung ändern, so daß man besseren Vortrieb hat. Zudem lässt sich bei der Africa Twin die Traktionskontrolle in drei Stufen einstellen. Das alles bei fahrendem Motorrad. Das gibt es sonst nicht allzuhäufig.
Schalter für die Traktionskontrolle
Auch auf der Africa Twin muss ich mich erst einmal daran gewöhnen, daß die Automatik anders schaltet, als ich das tun würde. Sie schaltet immer sehr rasch hoch, auch wenn man noch in recht niedrigen Drehzahlbereichen ist. Das führt einen automatisch zu einem etwas gemütlicheren Fahrstil. Oder anders, man kommt nicht aus dem Quark, wenn man am Ortsausgang am Kabel zieht. Dafür hat der Konstrukteur uns aber auch etwas mitgegeben. Zum einen könnte ich jetzt die Kontrolle selbst übernehmen, entweder dadurch, daß ich mit der Plus und der Minustaste am linken Lenker meine Meinung zum Geschalte des DCT Kund tue, oder indem ich die Automatik ganz auschalte und komplett von Hand über diese Tasten schalte. Denn, wenn ich einfach so im Automatikbetrieb rauf, oder runterschalte, werde ich nach wenigen Metern bereits vom System wieder überstimmt und in die Ecke zum Schämen gestellt. Aber, es gibt ja auf der anderen Lenkerseite noch einen Schalter. 
Du erzählst uns was von DCT! Da ist aber doch ein Kupplungshebel. Gar nicht!! Das ist die Feststellbremse.

Auf dem steht nicht nur "N" und "D", wie man es von "normalen" Automatikgetrieben kennt, sondern auch noch "S". Hinter diesem Buchstaben verbergen sich drei "Sport" Modi. Ich kann also den Charakter der Schaltsteuerung einstellen. Wählt man da einen anderen Modus, geht es gleich ganz anders zur Sache. Dann läuft sie so, wie man es von ihr erwartet.
Getriebewellen aus einem DCT Getriebe. Vorgelege und Antriebswelle.
Aussendeckel mit den Ventilen für die Schaltvorgänge
Kupplungspakete
Auch bei der Africa Twin brauche ich allerdings nicht weit zu fahren, um festzustellen, daß ich mit dem Windschild nicht zurecht komme. Wenn ich in den Rasten stehe, was bei ihr angenehmer als bei Gesa ist, dann habe ich Ruhe am Helm, aber fahr mal die ganze Strecke im Stehen, oder wenn ich mich fast platt auf den Tank lege, oder mit krummen Rücken ganz tief bücke, dann geht es auch.
Aber weiter. Der tiefe Schwerpunkt zahlt sich auch auf der Landstraße aus. Ruhig und sicher gleitet man dahin. Kurven, egal ob schnell oder langsam, eng oder weit, bereiten keine Probleme. Allerdings ist das alles nichts, was andere Motorräder nicht etwa auch könnten. Mindestens mal genau so gut. 
Ich kann also verstehen, wenn manche Tester sich etwas enttäuscht über sie geäussert haben. Das ist etwas, was ich vermutlich genauso bei der BMW R1200GS erlebt hatte. Man erwartet vielleicht mehr, als das Motorrad jemals leisten kann. Es kann nicht fliegen, und wenn, ist das nicht gewünscht, es kann keinen Kaffee kochen und auch sonst keine wunderbaren Kunststücke. Aber dafür fährt es. Das allerdings sehr gut. Auf wirklich hohem Niveau. Es geht hier wirklich nur noch um persönliche Vorlieben, wie etwa beim Design, wo ich schon Stimmen hörte, die besonders lobten, daß sie keinen Schnabel habe, wie etwa andere ähnliche Gerätschaften und sie deshalb vorzuziehen sei. Mag sein. Oder der große Name, der bei vielen wohlige Erinnerungen weckt, oder den Geschmack nach weiter Welt auf die Hausrunde zaubert. Was mir wirklich gefällt, Honda hat es mit der Motorisierung nicht übertrieben. Keine PS Orgien. Da wäre bei einem Liter Hubraum aus zwei Zylindern vielleicht mehr als 95 PS drin gewesen, dafür ist sie standfest und die Africa Twin kann tatsächlich an vielen Orten der Welt repariert werden. Mit relativ einfachen Mitteln.
So verläuft meine Runde mit ihr durchs Rheinhessische harmonisch, aber ohne Auffälligkeiten. Sie ist ein Motorrad, wie man es erwartet hat. Nicht mehr und vor allem nicht weniger. Ich habe mich auf ihr wohl und sicher gefühlt, auch wenn ich schon wieder über den Windschild meckern muss und die Bereifung bei ihr auch auf Nässe etwas geschwächelt hat. Das lässt sich aber beim Reifenhändler des Vertrauens abstellen.




Und? Die Africa Twin?
Ja, ein tolles Motorrad! Und ein vielseitiges Motorrad. Eines, auf dem ganz unterschiedlich große Personen ihren Spaß haben werden. Die Sitzbank ist um zwei Zentimeter nach oben oder nach unten verstellbar und es gibt noch weitere Sitzbänke im Programm, mit der man sie individuell noch weiter anpassen kann. Ein Hondamitarbeiter sprach sogar davon, daß sie am Vortage jemanden mit 1,50m Körpergröße hätten glücklich machen können. Mir hat sie gut gepasst, ich bin sofort mit ihr gut zurecht gekommen, wenn nicht die leidige Scheibengeschichte wäre, wäre alles super. Eine niedrigere Scheibe gibt es leider nicht, im Gespräch stellte mir ein Mitarbeiter eine höhere in Aussicht. Das bliebe auszuprobieren.
Wie alles von Honda, ist sie durchdacht konstruiert, sogar an die Scheinwerferlampen käme man supereinfach und ohne großes Brimborium dran. Aber, was sollte man dort wollen, das sind LED Lichter.
Wenn man ein Multitalent sucht, das zudem auch für kleine Fahrer und Fahrerinnen passen soll, dann sollte man auf jeden Fall eine Probefahrt buchen. Bei der wird es dann auch zunächst bleiben müssen, denn sie ist bis Oktober schon ausverkauft. Wenn man Glück hat, bekommt man noch eine, die ein weiser Händler auf Vorrat bestellt hat. 


Welch ein toller Tag! Die Vorstellung der neuen Africa Twin hätte Honda für uns nicht besser inszenieren können! 
Vielen Dank noch mal für alles an das tolle Honda Team!




*Frei nach "Foyer des Arts"...

11 Kommentare:

  1. "Wenn ich jetzt noch das Radio bedienen könnte, würde ich es vielleicht lauter drehen. Fürs Image." Großer tränenlachender Emoticon!!! Ich kugele mich auf dem Sofa! Ach Kinners, nee min Deern. Den Rest des Artikels lese ich später!
    Im Grunde beschreibst Du sehr gut selbst, warum die Goldwing-Fans die Windgeräusche tolerieren, gar ignorieren: Die oftmals nicht mehr jungen Fahrer kaufen sich dieses Modell, um mit der Gattin nebst Urlaubsgepäck durch Kroatien oder die Toskana zu reisen. Das Hightech Kommunikationssystem überträgt die Wolfgang Petri CD, die Hinweise der Navi-Dame sowie Muddi's Wunsch mal Pipi zu machen direkt in den Helm. Ansonsten liegt Mann gemütlich auf der Couch und lässt den Tempomat fahren. So schafft man Strecke und schiebt als Rentner eine ruhige Kugel. (Ungefähr so. .... Image und so....)

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    1. Du meinst, die sind schon alle so taub, daß sie der Lärm vom Windschild nicht mehr stört? Hm, das kann natürlich auch sein. :)

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  2. Tzaaaaa! Als ob du unerfahren wärest ... *empört guck* ...

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    1. Naja, ich werd halt ständig hergebrannt. Und im ernsten Geschlängel der Straßen, wie in den Alpen etwa, habe ich wirklich nicht viel Erfahrung.

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  3. Ich bewundere Deinen Mut, so eine Einbauküche auszuprobieren. Mal wieder ein perfekter Fahrbericht von allen Modellen.
    SO machen Fahrberichte etwas her. Verständlich, mit Humor und Augenzwinkern, und informativ dazu!

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    1. Ja, "Zimmer - Kuchl - Kabinett", die die Österreicher die Goldwing nennen, das ist ein besonderes Erlebnis. Es ist schon anderes Motorradfahren. Aber, interessanterweise ist es immer noch Motorradfahren. Das ist eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
      Diese Zahlen, Daten, Fakten Orgien sind auch nicht so mein Ding. Wenn ich die Zahlen wissen will, dann schaue ich im Netz, oder im Prospekt. Ich denke mir immer, man (frau) will doch wissen, wie sich so etwas fährt.

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  4. Ich glaube, du denkst das über die Africa Twin, was ich über die F800GS denke. Ein tolles Motorrad, "harmonisch, aber ohne Auffälligkeiten", doch irgendwie fehlt der Bezug zum jeweils anderen Motorrad. Vielleicht ist es der Größenunterschied zwischen dir und mir- was ich bei Gesa an Wind direkt ins Gesicht bekomme, bist du etwas versteckt, sitzt auf der Africa Twin aber genau im Abreißstrudel, aus dem ich wiederrum etwas herausrage.
    Ich bin aber auch noch nicht fertig mit der Scheibe. Der Sitz muss irgendwann 3cm höher, dann komme ich ganz aus den Verwirbelungen raus, muss mir aber was vor den Tank basteln, weil eine Menge Luft an den Gabelholmen vorbei zum Helm gelenkt wird...
    Ich könnte mich kurz fassen: Ich mag deine Gesa sehr, aber meinen Harlekin liebe ich :-)

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    1. Über diese Sache mit der Scheibe denke ich auch schon eine ganze Weile nach. Besonders darüber, daß Du mit der Scheibe der F800GS nicht zurechtgekommen bist, mit der von Deiner Africa Twin aber gut leben kannst und ich umgekehrt. So sehr weit entfernt sind wir von der Größe nicht. Das ist eine wirklich spannende Frage.
      Die Africa Twin gefällt mir wirklich gut. Für meine Begriffe ist sie etwas schwer, aber der Schwerpunkt liegt bei ihr so ideal, daß man davon nichts merkt. Die ist wirklich ein Motorrad zum Liebhaben und es sind tatsächlich nur die persönlichen Vorlieben, die einen zum einen, oder zum anderen Motorrad greifen lassen.
      Bei vielen waren die Erwartungen höher als ein Motorrad sie je erfüllen könnte. Vor allem nicht ein Motorrad, daß zu vielen Zwecken taugen soll. Es soll Dich auf der Hausrunde glücklich machen, im Urlaub in Nah und Fern, im Gelände (und das darf gerne gröber sein, als Feldweg), auf dem flotten Weg auf der Autobahn und das alles mit und ohne Gepäck und Sozius. Da wird es schwierig, Wunder zu vollbringen. Das ist Honda in dem Fall allerdings sehr gut gelungen. Ich glaube aber, manche der Tester haben Erwartungen gehabt, die mit den Grenzen der Physik nicht in Einklang stehen.
      Du hast Dir mit Deiner Harlekin ein ganz tolles Motorrad gekauft, die Deine Liebe sicher erwidern und Dich nicht im Stich lassen wird!

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  5. Deine Tests und Berichte lese ich oftmals lieber als die Tests der großen Macher der einschlägigen Fachpresse.
    Mach weiter so.

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  6. Das tut mir aber leid, dass es Dir in Nienburg nicht gefallen hat. Ich finde es ganz schön hier.

    Gold Wing:
    Warum grüßt ein Goldwing-Fahrer nicht zurück?
    Er ist gerade hinten und räumt die Spülmaschine aus.

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    1. Ich nehme ja an, daß ich ganz einfach die FAlsche Ecke von Nienburg erwischt habe. Diese falsche Ecke, die es in jeder Stadt gibt und die schon so viele Leute abgeschreckt hat. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen, denn ich habe schon so hübsche Bilder aus Nienburg gesehen!

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