Donnerstag, 23. Juni 2016

Der Ruf der Landstrasse - oder Rhein - Elbe - Express

+++28.05.2016+++


Mittwochabend. 
Ich bin mit Lasse zum Essen beim Vietnamesen.  Irgendwas kratzt da in meinem Hals. Das wird doch nicht...? Oh nein!
Donnerstag. 
Feiertag. Na klasse. Das Kratzen ist immer noch da. Ich hasse es jetzt schon. Bis zum Abend ist eine respektable Erkältung daraus geworden, mit Husten und allem Komfort. Ich dusche so heiß es geht und lege mich mit Wärmeflasche und doppelter Decke ins Bett.
Freitag. 
Ich bin total neben der Spur und laufe den halben Tag wie Falschgeld rum. Abends sitzen wir trotzdem bei Ikea und ich huste und schniefe noch ein wenig.

Sonnabend! Sonne! Neun Uhr morgens! Los!
Ich habe Gesa mit den Koffern und dem Tankrucksack behängt und starte in den sonnigen Morgen. Ich fahre auf die Autobahn, über den Rhein und biege dann ab, in Richtung Taunus. Der Verkehr ist außergewöhnlich moderat, ich komme sehr gut durch und finde mich bald, je höher ich komme, im Nebel wieder. Hinter Niedernhausen habe ich kurzzeitig eine blöde Golffahrerin vor mir, die konstant nicht blinkt und mit willkürlich wechselnder Geschwindigkeit vor mir herzockelt. Und dabei ist der Nebel nicht wirklich dicht. In Idstein bin ich sie schließlich irgendwann los und schlage mich ins Hinterland. 
Eine kurze Irritation ob des Weges gibt es noch, aber ich war im Prinzip schon richtig und gebe Gas. Je weiter ich komme, desto schöner wird auch das Wetter wieder. Der Nebel verschwindet, die letzten Wolken verschwinden und machen für Klärchen Platz. Ich singe, soweit das mit der Erkältung geht, aus vollem Hals "Ding a Dong" von "Teach In" in meinen Helm. Die Straße trocknet zusehends ab und ich schwinge fröhlich singend durch den Wald. Bis jetzt klappt mein Vorhaben "Umfahre Frankfurt so gut es geht" ganz vorzüglich. Ich nähere mich Butzbach. Bisher ist auch alles sehr gut ausgeschildert. Die kleine Straße, die ich jetzt fahre, ist anscheinend ein offizieller Schleichweg nach Butzbach. 
Nach ein paar Kilometern laufe ich auf einen BMW und einen Trakor mit Anhänger auf. Der Traktorist transportiert Holzscheite und ist engagiert unterwegs. Von seinem zweiten Anghänger sehe ich, hängt einer der Scheite bedrohlich zur Seite raus. Hoffentlich ist der noch länger, als das Stück, das ich sehen kann. In einer Ortschaft köpft er damit fast einen Radfahrer, brummt aber unvermindert weiter. Als er dann an der nächsten Kreuzung abbiegt, höre ich das typische, hohle "Klong Bong Bong..." Der Holzscheit ist der Fliehkraft gefolgt. Seinen Eigentümer kratzt das nicht, er braust davon und biegt kurz drauf in eine kleinere Strasse ab. Der BMW vor mir hält jetzt auch respektvoll Abstand zu ihm.
In Butzbach angekommen, wird der Verkehr kurzzeitig etwas dichter, die ganzen Sonnabendvormittags - Einkäufer dammeln zu ihren Supermärkten am Rande der Stadt, ich bin aber bald schon wieder draußen und lasse die Stadt hinter mir. Die Straße wird jetzt etwas breiter. Ich fahre die direkte Linie in Richtung Giessen.
Auf dem Giessener Ring ist immer viel los. Auch, wenn Sonnabend ist, denn es gibt zur Zeit eine episch lange Baustelle. Ich habe aber Glück und treffe auf eine freie Lücke und habe vor mir Leute, die vernünftig fahren. Ein kurzes Stück ist dann die Strasse wieder frei, aber es gibt in Richtung Marburg noch mal eine Baustelle. In der Zwischenzeit bin ich Zeugin geworden vom Rennen zweier getunter Landjugendrennautos. Die schenken sich nichts, biegen aber dann doch an der selben Abfahrt ab.
Diese Straße nach Marburg ist noch nicht so sehr lange so, wie sie ist. Ich kann mich noch gut erinnern, wie man sich über kleine Ortschaften schlängelte und dann irgendwann die Lahn über eine uralte kleine Brücke querte. Davor hat es sich gerne mal gestaut. Einmal standen wir da in dem Stau und es riefen die Kollegen  auf dem C - Netz Telefon im Wagen an, wo wir denn blieben. Wir hätten lange schon zurück sein müssen. Aber wir waren noch nicht mal am Ziel unserer Hinfahrt angelangt. Das ist mittlerweile alles Geschichte, die Straße und die Firma, ich bin ein paar Minuten später, als ich diese Stelle von damals passiert habe, schon in Marburg und brumme auf der vierspurigen Bundesstraße durch die Stadt. Das geht eigentlich immer ohne Probleme. Diesmal stelle ich nebenher fest, daß es das Hotel nicht mehr zu geben scheint, in dem ich mal übernachtet habe. Es stand unmittelbar neben der Hochstraße und ich hatte schon sonstwas befürchtet. Als ich das Zimmer aufschloss und eintrat, fuhr unmittelbar vor dem Fenster ein dicker LKW vorbei. Aber - ich hörte - Nichts. Nichts, einfach nichts. Das war alles so gut gedämmt, daß ich wunderbar geschlafen habe, trotz Bundesstrasse vor dem Fenster.
Hinter Marburg biege ich in Richtung Korbach ab. Meine Nase hat angefangen zu laufen, was beim Helmtragen besonders blöd ist, also suche ich mir eine Stelle zum Anhalten. Nach kurzem Weg erscheint auf der rechten Seite ein Parkplatz und ich setze Blinker. Das ist eine gute Gelegenheit, auch mal was zu trinken. Wie ich noch an meinem Tankrucksack herumnestele, kommt ein weiterer Motorradfahrer auf den Parkplatz gefahren und stellt sich nicht weit von mir auf. Er hat aber nur Augen für sein Telefon, das er rasch nach der Ankunft aus der Tasche zieht. Ich packe meine Flasche aus der Plastiktüte aus und wundere mich ein wenig darüber, daß sie noch feucht ist. Ich hatte sie doch abgewischt? Egal. Vielleicht war sie auch nicht richtig zu gewesen, ich wische sie noch mal trocken und packe sie wieder weg. Noch ein paar Meter gehen und dann mache ich mich auch schon wieder fertig zur Weiterfahrt.
Als ich Gas gebe, nickt mir der andere doch noch mal kurz zu und ich nicke zurück. Ich reihe mich in den stärker gewordenen Verkehr ein und gebe Gas. Diese Straße nach Korbach ist mit Blitzern verseucht. Es könnte eine so schöne Strecke sein, aber es macht eigentlich kaum Spaß, dort zu fahren, denn in jedem Ort steht mindestens ein solch ein Ding. Entsprechend fahren die Leute da auch. Die Ortsfremden gehen bisweilen motiviert in die Eisen, man muss ständig mit dem Schlimmsten rechnen. Irgendwann aber habe ich Korbach hinter mir, auch dieses Mal wieder, ohne was von der Stadt gesehen zu haben, und rolle Richtung Bad Arolsen. Dieses Stück der Strecke habe ich im letzten April auch genommen gehabt. In Arolsen hatte ich eine Tankstelle gefunden und die steht heute auch wieder auf meiner Liste. Denn in Arolsen muss ich abbiegen. Ich suche mir also die Tankstelle vom letzten Jahr und lasse die Luft aus Gesas Tank. Das war auch dringend nötig, denn ich war gestern nicht, wie ursprünglich geplant, zum Tanken gekommen und so nicht mit vollem Tank gestartet.
An der Tanke steht noch ein weiterer Motorradfahrer, mit einer alten Honda, er nickt mir gleich freundlich zu, als ich an die Zapfsäule rolle. Er ist aber schon fertig und verschwindet, bevor ich ins Gebäude zum Bezahlen gehe. 
Wo ich schon mal dort bin, denke ich auch an mich und genehmige mir einen Kaffee, der auch dieses Mal wieder unglaublich heiß ist und eine Wurst im Teigmantel. Ein Riesending, aber mein Frühstück war, wie immer bei solchen Gelegenheiten, eher frugal. Bis mein Kaffee in den trinkbaren Bereich abgekühlt ist, vertreibe ich mir die Zeit, einen Zwischenbericht an Tom ins Händi zu tippen. Schließlich ist der Kaffee getrunken und die Wurscht gegessen und ich mache mich fertig zur Weiterfahrt. Diesmal fahre ich mitten durch Arolsen. Jetzt kann ich verstehen, wieso mein Onkel und meine Tante hier immer wieder im Urlaub hingefahren sind. Das ist ja doch ein ganz hübsches Städtchen.
Ich verlasse Bad Arolsen in Richtung Volkmarsen. Meine Erkältung lässt mich glücklicherweise einigermaßen in Ruhe zur Zeit. Es ist nicht kalt, es scheint die Sonne, alles gut. Auf der Straße bin ich jetzt fast alleine. Ein paar langsamere Autos habe ich rasch im Rückspiegel und so gleiten Gesa und ich durch die wunderhübsche Landschaft. Eigentlich immer habe ich einen "Führer" vor mir, jemanden mit einheimischen Kennzeichen, der mir zeigt, wie man hier fährt. Ich lasse diesem Führer aber immer etwas Vorsprung, damit ich rechtzeitig reagieren kann, sollte er einmal etwas noch nicht kennen. So komme ich gut voran. 
In Brakel fahre ich kurz von der Bundesstrasse ab und trinke einen Schluck. Da ist doch schon wieder die Flasche feucht. Hatte ich die doch nicht richtig abgetrocknet? Oder schwitzt die im Tankrucksack. Das hat sie ja noch nie getan. Egal, weg mit dem Ding und weiter. In Brakel fallen mir mehrere Kirchen und Bethäuser verschiedener Gemeinschaften auf, von denen ich zum Teil noch nie gehört habe. Aber ich denke nicht weiter drüber nach und folge meinem Weg. Bald hat sich wieder jemand gefunden, der zeigt, wie man hier fährt. Schön.
In Blomberg irritiert mich eine Baustelle. Ich bin mir nicht sicher, ob ich tatsächlich auf der richtigen Straße herauskomme und fahre rechts ran. Doch, ich bin hier nicht verkehrt, also weiter. An einer Kreuzung in der Umleitung hatte es offenbar eine Auseinandersetzung zwischen einem Auto und einem Motorradfahrer gegeben. Polizei steht da und interviewt die Beiteiligten. Bloß weiter und aufgepasst. Am Ende passiert mir auch noch so was, wo ich nicht ganz auf dem Damm bin.
Nach einer Weile schöner Fahrt durch herrliche grüne Landschaft, komme ich ins Exertal. An einem Schild, das "Museumsbahn" verheißt, biege ich ab und mache eine kurze Rast. Wasser ist von Nöten und Nase putzen. Ich stehe auf einem Hof, neben einem Bahngleis und wundere mich noch über meine immer noch feuchte Wasserflasche, da nähert sich auf einmal eine Fahrraddraisine
Hey, cool! Mit sowas bin ich bei mir in der Gegend auch schon mal gefahren. Das war total toll. Das muss hier wunderschön sein, so durch den Wald und durch Wiesentäler zu radeln. Ich setze das mal auf meine To - Do - Liste.
Als meine Wasserflasche verstaut ist, fädele ich mich wieder auf die Exertalstrasse ein und gebe Gas. Die Bahnlinie nähert sich immer wieder der Straße an und überquert sie auch mitunter. Ich sehe immer wieder mal wieder Leute mit Fahrraddraisinen und winke. An Rinteln werde ich großzügig vorbeigeleitet und überquere die Weser. Bald drauf passiere ich die A2 und rolle durch Buchholz weiter Richtung Norden.
Ich schlängele mich durch Stadthagen, das ich mir irgendwie netter vorgestellt habe und bin wieder mal erstaunt, wie rasch es hier wieder ländlich werden kann. Das ist etwas, das mich in vielen norddeutschen Städten, Hamburg eingeschlossen, schon verwundert hat.
Der Mittellandkanal ist nur ein kurzer Wischer im Augenwinkel, dann geht es weiter durch Wald, Felder und langgestreckte Dörfer. Hier irgendwo weiche ich etwas von meiner ursprünglich geplanten Route ab. Aber das ist alles nicht schlimm, die Straße, auf der ich jetzt bin, führt auch zum Ziel. Sie ist nur etwas schmäler. 
Dafür habe ich dann allerdings einen freien Blick auf das Kohlekraftwerk Heyden. Ich biege hinter Ilse auf die B482 und gebe Gas. Ich fliege über Felder, rolle durch Dörfer und überquere bei Leese die Grenze nach Niedersachsen. Hier biege ich ab und überquere die Weser abermals. In Stolzenau richtet sich mein Weg wieder in Richtung Norden. Mein Etappenziel ist nicht mehr weit. Hier, auf der anderen Weserseite ist auf einmal etwas mehr Verkehr. War ich bislang die meiste Zeit alleine auf der Straße, so bin ich hier Teil einer größeren Ansammlung an Fahrzeugen. Kilometer um Kilometer spult Gesas Zähler ab, es kann nicht mehr weit sein. Die Strasse macht eine Biegung an einem Waldrand, hier muss es sein. Ein Haus erscheint auf der linken Seite. Ich setze den Blinker. Ich stehe vor dem Forsthaus in Oyle. 
Hier war ein Vorfahr von mir "Gehender Förster". Ich stelle Gesa und mich in den Schatten neben dem Grundstück und mache eine kurze Pause. Als meine Wasserflasche und die Plastiktüte, in der sie steckt, immer noch feucht ist, dämmert mir, daß die Flasche irgendwo undicht sein muss. Aber das ist doch eine Aluminiumflasche! Ich beschaue sie genauer. Sie hat da unten so eine weiße Stelle, so ein Shice, da korrodiert sie! Die werde ich wohl ausrangieren können. Und sowas habe ich getrunken...
Allzulange halte ich mich in meinen Gedanken um die lecke Flasche allerdings nicht auf, ich laufe ein paar Schritte, mache ein paar Bilder und verschwinde wieder. Der Weg ist noch weit. Von Oyle fahre ich allerdings erstmal nach Marklohe. Dort haben auch Vorfahren von mir gelebt. Sie haben zu derselben Linie gehört, wie die, deren Spuren ich im letzten Jahr in Wettin verfolgt habe. Marklohe ist wohl das Kirchdorf der Dörfer dort gewesen, aber ich habe keine weitern Angaben, also mache ich dort einen kurzen Stop, mache ein Foto und bin auch gleich wieder verschwunden. Expresstourismus. 
Die Gegend werde ich aber noch mal gesondert bereisen müssen. Ich kehre zurück zur Weserbrücke vor Oyle und biege auf die Bundesstrasse. Da ich etwas von Nienburg sehen möchte, fahre ich an der nächsten Abfahrt wieder ab und folge den Schildern in Richtung Innenstadt.
Ich muss zugeben, Nienburg hatte ich mir anders vorgestellt. Das, was ich sehe, überzeugt mich nicht und ich sehe zu, rasch weiter zu kommen. Vermutlich war ich in der falschen Ecke gewesen.
An einem Kreisverkehr muss ich einmal scharf bremsen, weil sich die Frau mit dem Passat Kombi sehr spät entscheidet, doch noch im Kreisel zu bleiben. Aber es geht sich aus und ich kann unbehelligt weiterfahren. Ich folge der B215 und nach den letzten Ausläufern Nienburgs ist es nicht mehr weit, bis ich auf die B209 abbiege. 
So brumme ich mit Gesa sehr zufrieden durch die norddeutsche Landschaft in Richtung Heide. "When you're feeling all right- everything is uptight- try to sing a song that goes ding ding a dong..." Nach einer Weile unterquere ich die A27 und komme nach Walsrode. Hier bin ich einen Moment unsicher, ob ich auf dem richtigen Weg bin, und stelle mich auf ein totes Stück Strasse, um die Karte zu sortieren und zu schauen wo ich bin. 
Wäre ich ein paar Meter weitergefahren, hätte ich den Wegweiser schon sehen können, der mir sagt, daß ich absolut richtig gelegen habe, mit meiner Route. So geht es nach kurzem Aufenthalt weiter nach Visselhövede. Ich bin jetzt schon seit rund acht Stunden im Sattel, aber ich fühle mich immer noch wohl. Die Erkältung hat sich bisher gut verhalten und ich habe einen einigermaßen freien Kopf.
In Sprengel gibt es wieder eine Umleitung, aber die ist zum Glück nicht besonders lang und führt auch nicht zu weit von der ursprünglichen Route ab. Das Licht wird langsam goldener und wärmer. Gesa und ich sprinten fröhlich in Richtung Schneverdingen. "Ding a dong every hour, when you pick a flower..." Hier gibt es schon eine Harburger Strasse. Ich bin richtig. Kurz vor der B3 schnupfe ich noch einen Pensionistentoyota. Auf der B3 bleibe ich aber nur ein paar Kilometer, ich verschwenke in Welle Richtung Osten. In Handeloh gönne ich mir einen kurzen Abstecher in die Lüneburger Heide. Der Apriliafahrer hinter mir biegt indes ab. 
In Wesel biege ich dann ab, nach Jesteburg. Von dort ist es nicht mehr weit bis Hittfeld. Hier bekommt Gesa erst einmal wieder was in den Tank. Ich sehe auf dem Parkplatz, gegenüber der Aral, wie Leute mit Anzug und Schlips sich zusammenrotten und auf den Weg zu Sponagel machen. Dort wollte ich auch hin und etwas essen. Schließlich knurrt bei mir auch schon was. Ich beeile mich also und erkunde mit Gesa den Parkplatz beim Lokal. Da ist noch ein freier Platz und ich beschließe, mein Glück zu versuchen. Ich parke Gesa, binde den Helm fest, nehme den Tankrucksack und mache mich auf den Weg in die Gaststube. Ich habe Glück, die Gesellschaft sitzt in den hinteren Räumlichkeiten und auf der Terrasse. Vorne im normalen Gastraum ist alles leer. Nun muss ich nur noch vor den ganzen anderen bestellen. Ich überfliege die Karte und lande bei "Maischolle Finkenwerder Art". Wenn das nichts ist. Das bekomme ich, dort wo ich wohne, nicht. Also her damit!
Ich habe noch nicht lange gewartet, da kommt die junge Frau mit einem großen Tablett wieder. Sie stellt mir eine Kumme mit Kartoffeln hin, einen Teller mit Salat und einen Teller mit zwei Fischen drauf. Ich bin genau so platt, wie die beiden Kameraden da auf meinem Teller. Damit hatte ich nicht gerechnet. Das ist genau das, was ich jetzt brauche. Dazu trinke ich alkoholfreies Hefeweizen, das baut auf. Ich sauge die Gräten ab, bis nichts mehr dran ist und sinke zufrieden auf meiner Bank zurück.
Nachdem ich bezahlt habe, mache ich noch einen Abstecher auf den Friedhof, meine Familie besuchen. Ich laufe, den Tankrucksack in der Hand, den Hauptweg entlang und biege schließlich in den Weg ein, in dem unser Grab liegt. Sonne scheint zwischen den Bäumen durch, es ist ein schönes Bild. Ich wundere mich, wieso der Grabstein von meiner Mutter so seltsam aussieht. Was stimmt denn mit den Buchstaben da nicht? Die sind ja runtergefallen! Ich suche mit den Händen im Efeu, kann aber nichts finden. Mir dämmert, daß die nicht alle zugleich heruntergefallen sein können. Die muss jemand geklaut haben! Aber er hat nur Buchstaben genommen, aber nicht alle. Zwei "A" sind noch da und der Geburtsname. Bei den anderen beiden Steinen, die dort stehen, sind noch alle Buchstaben vorhanden. Dabei sind sie viel größer als auf dem kleinen Stein meiner Mutter. Ich lasse die Schultern hängen. Wer zum Henker macht so etwas?? Etwas durcheinander  stapfe ich zurück zu Gesa. Wofür bezahle ich eigentlich diesen Gärtner? Sind die alle blind da? Ich versuch mich zu beruhigen, denn so kann ich nicht weiterfahren. Und das Stück, das jetzt kommt, ist noch mal etwas anspruchsvoll. Ich ziehe mich also wieder an und schwinge mich in den Sattel. Als ich Gesa starte, kann ich mich wenigstens schon wieder aufs Fahren konzentrieren.
Wie ich aus Hittfeld herauskomme, sehe ich, daß sie die Straße nach Eddelsen umgebaut haben. Da gibt es jetzt einen Kreisverkehr, ein Stück weiter. Die bekommen doch alles kaputt, oder? Ich gebe Gas, rolle am Hittfelder Bahnhof vorbei und nach Harburg rein. Hinter dem ehemaligen Strassenbahndepot ist eine Baustelle. Da hat man ziemlich großzügig etwas abgerissen. Ich fahre vor der Phoenix auf die Hochstrasse in Richtung Wilhelmsburg. Nach ein paar hundert Metern empfängt mich eine Baustelle. Aber es ist schon recht spät, schon bald neun, da ist nicht mehr viel los. Ich komme über die Süderelbbrücke. "Gesa schau, die Elbe!" An Wilhelmsburg komme ich gut vorbei und über die Norderelbbrücken. nach Hamburg rein. Ich muss mich recht weit rechts einsortieren, damit ich auf den Heidenkampsweg gelange. Am Berliner Tor muss ich kurz aufpassen. Nanu? Was ist das denn? Da ist eine tiefe Baugrube. Irgendwas fehlt hier. Ich halte auf die Mundsburgtürme zu. Hier staut es sich ein wenig, aber es ist nicht schlimm. Das liegt an der Baustelle hinter dem Berliner Tor. An der Mundsburg biege ich auf die Oberaltenallee ab und gebe Gas. Hier in Hamburg muss man etwas schneller fahren als im Süden. Sonst ist man ein Verkehrshindernis. Hier in Barmbeck erst recht. Nun muss ich nur noch geradeaus fahren. Irgendwann kommt dann der Hinweis "Poppenbüttel". Da muss ich abbiegen. Ein Stück meines Weges in die beginnende Nacht begleitet mich eine Thruxton in British Racing Green. Der Sound ist einmalig. Mal ist er ein Stück vor mir, dann ein Stück hinter mir, dann wieder vor mir. Irgendwann gibt er Gas und verschwindet. Als ich weit hinter Bramfeld schon glaube, ich bin zu weit gefahren, kommt meine Kreuzung doch noch. 
Ich hänge mich hinter einen Bus und komme so günstig davon. Am Poppenbüttler Bahnhof vorbei und dann einmal links und einmal rechts. Nun nur noch geradeaus. Die Spannung steigt. Hier bin ich schon etliche Male gewesen, aber nie bin ich hier im Dunkeln in dieser Richtung gefahren. Vorne am T- Stück muss ich links und dann den Berg runter. Da ist es. Es ist Licht an. Sehr gut. Ich fahre auf den Hof und stelle Gesa unter Bäumen ab. Feierabend. Ich nehme nur Tankrucksack und Helm mit und gehe rein. Ich checke heute das erste Mal im Hotel an der Mellingburger Schleuse ein. Das Hotel hat genau seit fünfzehn Tagen wieder geöffnet, nachdem es zwei Jahre geschlossen gewesen war. Ich hatte von der Schließung gehört und war ganz erstaunt, als ich beim Hotel buchen es in der Liste fand. Die junge Frau vom Empfang bringt mich hoch auf mein Zimmer, ich hole rasch die Koffer und ziehe mich um. Wenn ich mich beeile, bekomme ich vielleicht noch ein Bier, denn die Wirtschaft macht um zehn zu. Das ist es jetzt praktisch. Ich habe Glück, die junge Frau fragt den Ober, ob noch ein Bier für mich denkbar sei und er nickt wohlwollend. Ich bin gerettet.
Nachdem ich ausgetrunken habe, mache ich noch einen kurzen Gang hinunter an die Schleuse. Alles ist noch so, wie ich es kenne. Hier sind wir oft mit dem Boot gewesen, hier haben wir eingesetzt und sind in Richtung Duvenstedt gepaddelt. Vorbei an der Stelle, wo mein Urgroßvater das Haus gebaut hatte.
Eine Fledermaus huscht durch das Dunkel über dem Schleusenbecken, ich kehre aber besser um und kümmere mich noch mal um Gesa. Ich mache das Bremsscheibenschloss klar und sprühe noch mal die Kette ein. Dann sehe ich zu, daß ich ins Bett komme. Der Tag war lang genug, ich habe immer noch die blöde Erkältung und ich will morgen früh fit sein. Also hoch ins Zimmer und mich fertig gemacht. Die Koffer ausgeräumt und ins Bad gestellt und dann Ende für heute. Bevor ich das Licht endgültig ausmache, schreibe ich noch in mein Buch und sinke dann zufrieden zurück. Gute Nacht, Welt!

Ein ziemlicher Stremel! Bis auf das Stück am Anfang und das Stück an Giessen vorbei, bin ich alles auf Landstrassen gefahren. 603 Kilometer im Ganzen. Wäre die Erkältung nicht gewesen, wäre das alles noch viel schöner gewesen. Aber das werde ich in den kommenden Tagen noch mehrmals denken...


23 Kommentare:

  1. Sauber die Strecke....Respekt.
    Und das mit dem Grabstein ist ja wohl ne Sauerei. An welcher Prollkarre jetzt die Buchstaben ein Tina oder Kevin bilden...die soll sofort verrecken und verrosten.

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    1. Dankeschön!
      Ja, das mit dem Grabstein ist eine wirkliche Sauerei. Ich vermute sogar, daß es irgendein Steinmetz gewesen ist, der die Buchstaben gut gebrauchen konnte. Auf jeden Fall sollen ihm mindestens mal die Hände abfaulen!

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  2. SECHSHUNDERTDREI Kilometer? Ui! Die Strecke bin ich damals von Rømø zurück gefahren, ab Kiel aber alles auf der Autobahn... und ich war bedient! Aber du hattest ja ein Ziel, das hast du gut erreicht und klingst auch sehr zufrieden. Hach, schön :-)

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    1. Ja, das war ordentlich. Mein Hintern hat danach, trotz Komfortsitzbank, ganz ordentlich weh getan. Aber es war wirklich eine schöne Fahrt, bloß die olle Erkältung hätte ich nicht gebraucht.

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  3. Alter Schwede - ich wäre TOT nach den Kilometern. Gesa scheint genau richtig zu sein für deine Bedürfnisse.
    Etliche Namen und Ortschaften in deinem Bericht kenne ich persönlich. Alte Heimat ... In Hamburg-Hammerbrook hatte ich häufig zu tun, als ausgebildete Groß-und Aussenhandelskauffrau war die Gegend damals welche, wo man ständig bei den Speditionen aufzutauchen hatte.
    Das mit dem Friedhofs-Klau wird immer schlimmer :-(. Sogar Kindergräber werden geplündert. Möge die Verursacher der Blitz beim ... naihrwisstschonwas !!!

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    1. Im Prinzip war ich überrascht, daß ich nach dem Essen eigentlich noch hätte weiter fahren können. Ich hatte mir die Etappe durch Hamburg, wegen der Konzentration die man dort wegen des Verkehrs braucht, eigentlich schlimmer vorgestellt. Ich finde es immer wieder spannend, wie sehr das Gefühl bei und nach einer Autofahrt von dem auf dem Motorrad abweicht. Wäre ich das mit dem Auto gefahren, ich habe so was ähnliches vor vielen Jahren mal gemacht, dann wäre ich wirklich hinüber und zu keiner menschlichen Regung mehr fähig gewesen. Vielleicht ist es die viele frische Luft.

      Was mich bei der Friedhofssache am meisten gewundert hat, die großen Buchstaben auf den anderen Steinen hat er da gelassen. Um den Materialwert, wenn es den bei zwei Händchen voll Buchstaben geben sollte, kann es ihm also nicht gegangen sein. Ich denke, der hatte tatsächlich Interesse an diesen bestimmten Buchstaben.
      Leider kann ich nicht zur Polizei gehen, da ich nicht mal den Zeitraum einkreisen kann. Da lande ich nur in dem Ordner "Friedhofsdiebstähle A - G".

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    2. Du solltest den Diebstahl dennoch anzeigen. So werden Tatschwerpunkte deutlich und außerdem lässt sich das Stehlgut im Fall einer Durchsuchung zuordnen.
      Der einfachste Weg: Schriftlich über die Onlinewache. Leider kenne ich die für dein Bundesland nicht, aber die solltet ihr auch haben, wenn sogar SH sowas hat. Kurz den Sachverhalt niederschreiben und darin auch den Satz: "Ich stelle Strafantrag wegen aller in Frage kommender Tatbestände. Auf einen Einstellungsbescheid verzichte ich NICHT."
      Den Tatzeitraum grenzt du ein, so gut du das eben kannst.

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    3. Dankeschön!
      Das habe ich gerade gemacht. In Rheinland Pfalz gibt es so etwas wie eine Online Wache noch nicht, aber in Niedersachsen. Da liegt ja auch der Tatort.
      Ich bin gespannt, was passiert.

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  4. Meine Güte, du hast das echt drauf. 9 Stunden auf Gesa! Das ist nicht Hammer, das ist Vorschlaghammer, sozusagen. Aber blöde Grabräuberschweine!

    Du kommst vom Gießener Ring nach Marburg hinein und befährst dort eine 4spurige Bundesstraße. Meinst du die Stadtautobahn? Falls ja, bist du genau da vorbei gekommen, wo ich dereinst mein Moped in die Leitplanken geworfen hatte :-)

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    1. Das muss die Stadtautobahn gewesen sein. Viel mehr so breite Strassen haben ja in dem Tal keinen Platz.
      Da habe ich aber keine "Fundurina - Bresche" mit entsprechender Erinnerungstafel gesehen. Sonst hätte ich sicher ein Foto gemacht!

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  5. Das war eine ganz schön lange Etappe, Minya, aber gut gemeistert. Das Wetter und Deine Kondition scheinen es ja gut mitzumachen. Meine Wohlfühldistanz liegt da eher bei 400km und es muss immer noch Zeit für Kulturelles, bzw. Sightseeing bleiben.

    Das mit dem Buchstabenklau finde ich traurig und armselig. Ich hoffe, dass die Person mit entsprechendem Karma "versorgt" wird.

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    1. Das stimmt, das war ein ordentliches Stück. Aber nachdem ich im letzten Jahr in Delmenhorst war und das gut geklappt hatte, war ich guten Mutes.
      Ich bin überrascht, wie wenig mir so eine Strecke ausmacht. Mit dem Auto wäre ich danach wohl kaum noch ansprechbar gewesen. So kam ich aber immer noch halbwegs frisch in Hamburg an.

      Ich hoffe, daß dem Buchstabenklauer mindestens mal die Ohren klingeln wie blöde.
      Aber insgeheim hoffe ich noch viel derbere Dinge...

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  6. Es war mal wieder toll Minya, von deinen Erlebnissen zu lesen. Es ist schon beeindruckend, was du mittlerweile für Powerstrecken hinter dich bringst - da hätte ich ja vielleicht doch mit dem Bike bis nach Tirol fahren sollen ;-)
    Unsere nächste Tour geht dann nicht ganz so weit - nur bis in den Hunsrück. Über eine Info an meine Mail-Adresse im Impressum würde ich mich freuen.

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    1. Ich finde es immer so sehr interessant, eine Strecke, die man sonst nur von der Autobahn aus kennt, auch mal auf der Landstrasse zu fahren. Man sieht so viel und entdeckt so viel. Dafür ist das Motorradfahren geradezu prädestiniert.
      Bei einer Reise gehört für mich die Anreise unbedingt mit dazu.

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  7. Wenn ich Deutschland durch dein Visier betrachte, dann bekomme ich richtig Lust, auch einmal eine große Deutschlandtour zu fahren und all unsere schönen Ecken zu besuchen. Du hast wirklich ein Händchen für schöne Strecken.

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    1. Dankeschön!
      Ich fahre immer gerne bei Dir mit, durch all die fremden Länder, in die ich sonst wohl nie kommen würde.

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  8. Ach übrigens ;)
    http://www.arthurstochterkochtblog.com/2016/04/your-friendly-reminder-vom.html

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    1. Das letzte Mal Scholle gegessen habe ich irgendwann im Juni 2007 oder 2008. Damals noch selbst gebraten. An mir gehen die Bestände nicht zu Grunde.
      Übrigens wurde früher nur bis Sommersonnenwende auf Schollen gefahren, danach ging es auf Zungen.


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  9. Minya? Du bist immer noch in Hamburg! ... O.o

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    1. Ja, ich weiß! Das brennt mir auch auf den Nägeln! Ein neuer Artikel ist auch in Arbeit. Wir wollen ja alle wissen, wie es weitergeht.
      Ich habe die letzten Wochen viel um die Ohren gehabt, mit dem Garten und mit anderen blöden Dingen. (Auto putt und so...)

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