Donnerstag, 10. September 2015

Zeitenreise 2015 Tag 7 Sonntagsausflug

+++31.05.2015+++


Geschwinden Schrittes laufe ich in der Morgensonne vom Waschhaus zurück zum Zelt. Es ist ein wenig kühl heute morgen, aber die Sonne scheint und es ist herrliches Wetter. Am Morgen als ich aufgewacht bin, hatte ich geschwitzt in meinem Winteroberteil. Das Zelt heizt sich also sehr gut in der Sonne auf.
Im Waschhaus war um diese Uhrzeit schon viel Betrieb, fast alle Waschbecken sind belegt gewesen und es war ein ständiges Kommen und Gehen, fast wie im Bienenstock. Ich musste einen kurzen Moment warten, bis eine Duschkabine frei wurde. Hier habe ich das bereits dritte System für die Dusche auf dieser Reise  kennengelernt, man wirft einfach Geld in den Kasten und duscht das ab. Keine Wertmünze, kein elektronischer Schnickschnack. Was mir nicht so wirklich richtig gefällt, ist, daß alles dort unter Wasser steht. Das ist kein Wunder bei dem Betrieb, aber fand ich doch jetzt nicht sooo toll. Zudem nutzt kaum jemand den Wasserschieber, der an der Wand des Duschraumes lehnt.
Zurück im Zelt habe ich mich rasch angezogen und stadtfein gemacht. Flugs meinen kleinen schwarzen Rucksack gepackt mit allem, was ich brauche den Tag über und los.
Der Wohnpark Sanssouci ist eine recht große Anlage. Wie es heute so üblich ist, in erster Linie für Freunde des Wohnwagens oder des Wohnmobils. Viele, insbesondere in erster Reihe, scheinen auf länger geplant zu haben und haben sich besonders häuslich eingerichtet. In etwa der Mitte des Platzes gibt es ein älteres Gebäude, an das die Sanitärgebäude sich schmiegen. Es gehört zu dem ursprünglichen Landschaftspark, in dem sich der Wohnpark befindet. Da es sich um einen historischen Landschaftspark handelt, wird auf Schildern um Verständnis geworben, daß es kaum asphaltierte Wege und Flächen gibt. Ein wenig schüttele ich darüber schon den Kopf, denn eigentlich hatte ich Camping, und die Plätze auf denen das stattfindet, am wenigsten mit Asphalt in Verbindung gebracht.
Vorne an der Einfahrt steht ein größeres neueres Holzgebäude, in dem sich ein Gastronomiebetrieb mit Biergarten befindet, sowie ein Laden und die Rezeption.
Ich betrete die Rezeption und frage nach einem Fahrrad. Das kann man hier nämlich um kleines Geld mieten. Die Dame von hinter dem Schalter kommt mit mir raus und zieht ein Fahrrad, das gut aussieht, aus einem Fahrradständer am Rande der Straße heraus. "Das müsste passen!" Ich bekomme noch ein Schloß und einen kleinen Stadtplan und bin somit bereit für meinen Sonntagsausflug.
Heute bliebt Gesa mal beim Zelt und passt auf, während ich mich aufgemacht habe, die Stadt unsicher zu machen. In Potsdam bin ich vor vielen Jahren schon mal kurz gewesen, aber habe von der Stadt seinerzeit überhaupt nichts gesehen. Das wird heute geändert.
Ich muss mich erst einmal ein wenig an das fremde Rad gewöhnen und an seine Schaltung. Denn mein Fahrrad, das ich zu Hause habe, hat keine Schaltung, da gibt es nur einen Gang und Rücktritt. Den hat das Rad hier auch. Also muss ich mich da zumindest nicht so sehr umstellen.
Zunächst geht es den asphaltierten Weg durch den Wald, auf dem ich gestern gekommen bin. Gestern hatte mich ein Gebäude aufmerksam werden lassen, das schaue ich mir heute also als erstes an. Es ist der Potsdamer Hauptbahnhof gewesen. Der "neue" Potsdamer Hauptbahnhof. Der "alte" und heutige lag zu dicht an Westberlin ran und war verkehrstechnisch wohl auch etwas isoliert gewesen, da hat man also, als der Außenring fertig war, hier einen neuen Hauptbahnhof errichtet. Das war 1958. Seit Anfang der Neunzigerjahre ist er zu weiten Teilen stillgelegt, es gibt nur noch ein Gleis, das im Personenverkehr genutzt wird und entsprechend trostlos ist das Bild das er bietet.
Nach ein paar Bildern wende ich das Fahrrad und suche mir einen schönen Weg am Templiner See entlang. Hier sieht es teilweise aus wie in Hamburg. Moderne Bauten, frisches Grün, es riecht ein wenig nach Geld, viele Sportanlagen, ein Olympiastützpunkt, Kanus, Segelboote und dazu ein netter Weg am Wasser.
Die "Bastion"
Irgendwann drifte ich etwas ab und lande an der Straße und erreiche nach ein paar hundert Metern die Innenstadt. Es ist viel los. Ich stehe noch an der Ampel und bin dabei mich zu orientieren, als ich hinter mir schon jemanden rufen höre "Grüner wirds nicht!" Wie Hupen, nur anders. Ich sehe zu, daß ich Platz mache und biege ab.
Auf einem Platz vor dem Filmmuseum findet heute morgen ein Stoffemarkt statt. Mal wieder was nähen könnte nett sein, aber ich kann ja nichts transportieren auf dem Fahrrad und auch nicht auf dem Motorrad. Und ich bin lange noch nicht wieder zu Hause. Ich überquere die Straße und stehe vor einem Bau, der eindeutig aus der DDR Aera stammt. Es ist die Fachhochschule Potsdam. Davor höre ich zwei Frauen, die vorbeigehen bemerken, daß dieser Schandfleck auch endlich mal weg müsse.
Dahinter liegt der Alte Markt, ansonsten zum Schmuckkästchen herausgeputzt, das Gebäude der Fachhochschule stört das Bild also schon ein wenig. Aber es ist auch Geschichte. Nur neuere halt und vielleicht auch etwas unliebsame.
In der Zwischenzeit habe ich Hunger bekommen. Ich habe schließlich noch nicht gefrühstückt. Let's go.
Im Holländischen Viertel finde ich ein nettes Lokal mit Poffertjes und Pannekoeken, also tatsächlich holländischen Speisen, aber das Lokal ist gerade erst dabei, sich für den Tag fertig zu machen. Die nette Bedienung vertröstet mich auf in zehn Minuten, sie wollen noch gerade die Tische draußen aufstellen und decken. Also vertrete ich mir noch ein wenig die Füße und schaue mich um. Die Läden haben heute geöffnet, es ist Verkaufsoffener Sonntag und so ist auch der viele Betrieb in der Stadt zu erklären. Ich belasse es aber bei Window - Shopping, auch wenn diese schwarze Jacke da echt gereizt hätte. Mit den coolen Reißverschlüssen. Aber vermutlich eh viel zu klein. Wie immer. Geht mir mit Schuhen genauso. Ich mache also ein paar Bilder und schaue dann mal, ob die Sache mit dem Frühstück jetzt was werden kann.
Am Nauener Tor
Ehrenmal auf dem Russischen Soldatenfriedhof auf dem Bassinplatz
Sie kann! Ich sitze draußen in der Sonne, habe bald einen Latte M. vor mir stehen und einen Pannekoeken mit Schafskäse, Spinat und Ei. Seeehr lecker!
Angespornt durch den Verkaufsoffenen Sonntag, schaue ich auf dem Händi mal im Netz, ob es etwa so was wie einen Outdoorladen geben könnte, in dem ich noch ein paar Heringe kaufen könnte. In der Fußgängerzone, der Brandenburger Straße, könnte ich Glück haben. Nachdem ich aufgegessen und bezahlt habe, mache ich mich also auf den Weg. Ich schiebe das Fahrrad mit mir und bummele durch die Stadt. Die Geschäfte haben hier noch nicht geöffnet, sie machen erst um zwei auf, aber es gibt einen Flohmarkt und Musik und und und. Auf dem Flohmarkt entdecke ich eine alte Altix Kamera, die auch nicht viel kostet, aber wo soll ich die denn auf dem Motorrad lassen? Da ist ja schließlich schon jeder Platz vergeben. Also muss die Kamera hier bleiben. Schad.
Das Brandenburger Tor
Ich nutze die Zeit, noch mal eben zur Bank zu fahren und ein wenig Geld zu ziehen, die Bank ist auch nicht weit weg von mir. Das passt also gut.
Als es dann zwei Uhr wird und die Geschäfte öffnen, macht auch das Sportgeschäft auf. Ich schließe das Fahrrad bei anderen Rädern fest und betrete den Laden. Ob die Campingausrüstung haben? Ich schaue auf der Tafel an der Rolltreppe. Ja, oben. Also rauf. Und siehe da, sie haben mehrere Packen mit Heringen in verschiedenen Größen parat. Ich suche mir welche raus, die nicht zu teuer sind und nicht zu groß und gehe zur Kasse. Die Kasse ist allerdings nicht auf sonntägliche Arbeit eingestellt und die Kassiererin ringt verzweifelt mit dem Gerät. Aber da ist nichts zu machen. Sie muss mehrmals telefonieren um schließlich Anweisung zu erhalten, wie mit jemandem wie mir nun zu verfahren ist. Schließlich wechseln doch Geld und Heringe die Besitzer.
Als ich wieder raus komme, habe ich noch knappe zwei Stunden Zeit. Soll ich nach Sanssouci? Schaff ich das? Keine Ahnung, also erst mal hin. Der Park liegt auch gleich um die Ecke, so wie in Potsdam nichts wirklich weit weg zu sein scheint. Aber mit dem Fahrrad komme ich nicht rein. Nicht mal schieben dürfte ich es. Ich müsste es also am Tor stehen lassen. Das würde bedeuten, ich müsste auch zu diesem Tor zurückkehren und kann nicht einfach auf der anderen Seite wieder raus. Na schön, also kein Sanssouci.
Ich beschließe, langsam mich mal wieder in Richtung Wasser zu bewegen. Ich fahre auf kleinen gepflasterten Straßen und lande irgendwann vor einem Torhäuschen zu einem Park. Ich bin unschlüssig. Umdrehen? Hier werden ja vermutlich auch wieder Fahrräder verboten sein. Als ich gerade wenden will, kommen zwei Leute auf Fahrrädern aus dem Park geradelt. Es geht also doch. Niemand hat sie beachtet. Also nichts wie rein.
Es gibt in dem Park sogar einen Weg, auf dem Fahrräder fahren dürfen, also ist es tatsächlich nicht illegal. Das muss auch zum Park Sanssouci gehören, denn auf einmal stehe ich vor dem Neuen Palais. Ein französischer Tourist fragt mich nach dem Weg, aber ich kann ihm auch nicht helfen. Hier war ich selbst noch nie.
Über die Landkarte im Händi orientiere ich mich und suche mir den Weg zu meinem Treffpunkt. Ich muss mich nun auch langsam sputen, daß ich da hinkomme, denn sonst bin ich am Ende noch zu spät.
Ich bahne mir meinen Weg durch eine Laubenkollonie und an einem Bahndamm entlang. Irgendwie habe ich mich ein klein wenig verfahren, aber es ist halb so wild, ich bin bald da.
Ich gelange wieder auf die Zeppelinstraße und biege ab, in Richtung Havel.
Stop! Hätte ich dort nicht abbiegen müssen? Ich drehe um und stoße grad mein Fahrrad wieder an, als mir eine Radfahrerin, die von vorne kommt, irgendwie bekannt vorkommt. Sie schaut mich auch an und hat mich sofort erkannt. Das ist sie ja, Mrs Tamron, mit der ich mich heute treffen wollte! Wir kennen uns bislang nur aus der Fotocommunity und haben uns bisher auch noch nie live gesehen gehabt. Klasse, cool, wir begrüßen uns lachend und schieben die Räder ein paar Meter bis zu unserem eigentlichen Treffpunkt.
Am Ufer der Havel betreibt ein Hotel einen kleinen Biergarten, einen Pavillon mit ein paar Bierzeltgarnituren, an dem Getränke und kleine Speisen verkauft werden. Wir lassen uns bei Kaffee und Kuchen nieder. Sofort verstehen wir uns blendend und unterhalten uns über alles mögliche. Es geht natürlich auch um Fotografie, aber wir haben so viele andere Themen, daß uns nicht langweilig wird. Erst gegen acht muss Jutta dann wirklich aufbrechen und wir verabschieden uns schweren Herzens.
Es gab nicht nur Kaffee...
Ich fahre wieder den schönen Weg an der Havel entlang und bin gegen neun zurück am Campingplatz. Das Fahrrad zurückgegeben, den Schlüssel abgegeben und erst mal zum Zelt. Das Restaurant hatte noch geöffnet, habe ich gesehen, der Magen knurrt, also wird es heute dort etwas geben. Zuvor kaufe ich im Laden noch ein paar Souvenirs für Tom, Martina und mich und suche mir dann einen Platz drinnen, denn jetzt wo die Sonne hinter den Bäumen verschwunden ist, wird es rasch kalt. Ich entscheide mich für Bratheringe und eine hausgemachte Limettenlimonade. Das Lokal ist gemütlich, das Essen ist gut, aber es ist auch recht dunkel dort, so kann ich weder ein hübsches Foto von meinem Essen machen, noch in meinem Büchlein schreiben. Nach dem Essen wandere ich zurück zum Zelt, hole meine Waschsachen und sehe zu, daß ich ins Bett komme.
Wie ich dann im Zelt, schon in meinem Schlafsack bin und meine Erlebnisse des Tages zu Papier bringe, fallen mir die Augen zu. Die Wörter die ich schreibe sind irgendwann völlig unlesbar. Das hat keinen Sinn, ich packe das Buch, die Brille und die Lampe weg und lasse mich auf die Matte zurückfallen. Den Reißverschluß zu und Feierabend.

2 Kommentare:

  1. Wow, das sind ja spektakuläre Aufnahmen. Und dazu jede Menge lokaler Informationen und Trivia. Das ist echt alternativer Reiseliteratur-Stoff. Arbeitest Du an einem Buch über den Trip?

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    1. Dankeschön! Über ein Buch habe ich tatsächlich schon mal nachgedacht. Ich muss mal sehen, was daraus werden kann.

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