Der freundliche Tullius und ich stehen
vor der Tür. Er hält die Hand über eine rote Maschine, sieht mich
fest an und raunt mir zu: „160PS! E – Gas! Die hat den Motor von
der 1000R.“ Ich stehe andächtig daneben und betrachte das
nagelneue Eisen. Kleine Räder, hohe Stelzen, eine rote Verkleidung,
zwei Scheinwerfer. Vor uns steht die S 1000 XR.
„Das Rad hier, das braucht Dich nicht
zu interessieren, das ist für das Navi. Hier ist der Tempomat, da
klickst Du Dich durch das Fahrwerk durch und da, da kannst Du das
Mapping beeinflussen. Die 160PS stehen immer an, Du kannst hier
bestimmen, wie hart sie Dich treffen.“
Die Worte habe ich noch im Ohr, als ich
den Schlüssel in die „Ignition“ Position drehe. Noch nie hatte
ich auf einem Motorrad dabei so sehr Assoziationen an Raketenstarts,
wie wir sie in den Siebzigerjahren im Fernsehen gesehen hatten. Ich
drücke den Startknopf. Es ist, als wenn man einem schlecht
gefrühstückten Tiger auf den Schwanz tritt. Die Maschine knurrt,
faucht zähnefletschend. Da spielt es sich wirklich unglaublich ab,
das merke ich jetzt schon. Ich trete den ersten Gang rein und drehe
am Griff. Wir setzen uns in Bewegung. Ich fahre hinter einem
Fahrschulauto hinterher, das gerade bei der Motorradausbildung ist.
Eben haben sie noch neben mir gestanden und er hat seinem Schützling
die Dinge erklärt, die bei der Abfahrtskontrolle zu tun sind. Dann
hatte der Fahrschüler den Einzylinder in Gang gesetzt, ein wenig
klang das nach Dampfmaschine und war losgeeiert. Nun zuckele ich
hinter ihnen her. Gut so. So kann ich mich langsam an die Maschine
gewöhnen. Ich komme nicht in Versuchung gleich am Kabel zu ziehen.
Erst einmal nimmt mich der Verkehr in Anspruch. Ich fahre in Richtung
Innenstadt, ich möchte mir einen Weg suchen, der mich ein wenig in
die Außenbezirke von Wiesbaden bringt, und dann möglichst ohne
größere Staus über den Rhein.
Bald schon rolle ich in Richtung Gibb
auf dieser langen, geraden Straße. Fünfzig ist hier. Warum also
fahren wir das nicht auch? Warum muss der vor mir so elendig langsam
dahinschleichen? Ich lege mir Schmähungen zurecht, die ich dem vor
mir genussvoll um die Ohren hauen kann, in denen die Zahl dreißig
vorkommt, sowie etwas mit Schnecken - und schaue zur Untermauerung
auf den Tacho. Oh shit. Wir fahren fünfzig. Ein bisschen darüber
sogar. OK...
Ich komme auf die Biebricher Allee und
schlängele mich durch den Feierabendverkehr. Der ist heute wieder
besonders dicht, das merke ich auch gleich darauf, als ich auf den
Südfriedhof zufahre. Da geht auf einmal nichts mehr. Also biege ich
beim Mediamarkt ab und fahre durch zum Stadion. Nun schaue ich etwas
genauer auf den Tacho. Die Maschine rollt sehr gut, die
Bodenunebenheiten federt sie prima weg. Mir fällt ein schwarzer
Nöppel auf der Mutter vom linken Gabelkopf auf. Da kommt ein Kabel
raus. Das ist ein aktives Fahrwerk!
Dynamic ESA - Electronic Suspension Adjustment |
Lenkungsdämpfer |
Als ich endlich Bierstadt hinter mir
gelassen habe, kann ich ein wenig Gas geben. Allzuviel traue ich mich
nicht, denn die Straßen sind noch naß vom Regen des frühen
Nachmittages und die Maschine gehört mir nicht. Der Motor macht die irresten Geräusche unter mir.
Bröööööm, brööööööm!! Vier Zylinder toben da umeinander
wie die Derwische. Allerdings, das fällt mir bald auf, nicht so soft
und samtpfötig wie bei anderen Vierzylindern, die ich bisher
gefahren bin. Hier gibt es durchaus ernsthafte Vibrationen am Lenker.
Hinter ein paar Autos zuckele ich auf Medenbach zu. Die Straße ist
auch hier noch naß und es gibt Gegenverkehr. Hinter Auringen kann
ich Gas geben. Der Volvo vor mir macht es vor und ich ihm nach. Wie
ich ihn überhole denke ich mir so „und wieso hat der denn jetzt
gebremst?“ - hat er nicht. Nur ich habe Gas gegeben. Die
Beschleunigung ist wirklich schwer Welt!
Ich komme in Hochheim auf die Autobahn.
Souverän. Mehr kann man dazu nicht sagen. Ein kurzer Dreh am Griff
und ich bin von den anderen weit genug entfernt und in Sicherheit.
Die Abfahrt in Weisenau nehme ich recht sportlich. Viel schneller als
sonst. An die etwas gefühllose Vorderachse habe ich mich hier schon
gewöhnt, die bereitet mir hier keine Kopfprobleme mehr. Es ist
möglich mit dieser Maschine und ich mache es einfach. Genauso, wie
ich auf der Straße nach Bodenheim einfach etwas das Gas aufdrehe.
Die anderen bleiben zurück, ich gleite noch recht entspannt dahin.
140 steht auf der Uhr, das sind 40 zu viel, also drossele ich das
Tempo ein wenig. Über allem ist der gnadenlose Klang des Motors
unter mir. Dieses Brüllen wird nicht vom Winde verweht wie bei Gesa,
wenn ich schneller fahre. Es dröhnt, brüllt, vibriert – das ganze
Ding lebt irgendwie. Die Leute drehen sich in Bodenheim nach mir um,
als ich durch die schmalen Gassen rolle. Dabei hat kein Slowene am
Abgasschacht die Finger im Spiel gehabt. Der Klang ist von sich aus
schon so.
Die letzten Kilometer bis nach Hause vergehen buchstäblich wie im Fluge, aber ich bin am Ende fast schon froh, den lauten Motor in meiner Garage nun ausschalten zu dürfen.
Die letzten Kilometer bis nach Hause vergehen buchstäblich wie im Fluge, aber ich bin am Ende fast schon froh, den lauten Motor in meiner Garage nun ausschalten zu dürfen.
Die Bremsen: vorne Brembo... |
...hinten BMW. Was immer das bedeuten mag. |
Das Aufbocken auf Gesas Rollwagen geht
einfach, der tiefe Schwerpunkt kommt da ins Spiel und so kann ich sie
leicht in der Garage herumrangieren, was mir morgen beim
Fotografieren sicher nützlich sein wird.
Die Griffbügel sind nur aus Kunststoff. Der Kupplungshebel ist nichts für kleine, schwache Hände. Er ist nicht verstellbar. |
Gut versteckt. Hinterer Bremsbehälter |
Es mag zwar so ausschauen, es ist aber lediglich normale Plaste. |
Gut erreichbar: Die Batterie |
Für den entspannten Wochenendtrip zum nächsten Lago... |
Nach dem Fotoshooting am nächsten
Morgen mache ich mich auf den Weg zurück nach Wiesbaden. Ich
beschließe, in Wörrstadt auf die Autobahn zu fahren, um wenigstens
ein wenig den Tempomaten auszuprobieren und um – naja, auch mal
etwas schneller zu fahren. Schon auf dem Weg dorthin fällt mir auf,
daß ich die Kurven, die es dort gibt, um einiges flotter angehe als
sonst. Auch hier ist der tiefe Schwerpunkt wieder mein Freund.
Auf der Autobahn muss ich erst einmal
einen BMW vor mir davon überzeugen, daß es besser ist, mich
vorbeizulassen und drehe dann auf. Mit einem Höllenlärm aus dem
Keller schieße ich an dem BMW Fahrer vorbei und lasse ihn im
Rückspiegel rasch kleiner werden. Die Zahlen im Display steigen
rapide. Bei 197 muss ich Schluss machen, denn die Verkehrslage läßt
noch mehr nicht zu. Das reicht allerdings auch. Der Fahrtwind ist bei
dem Tempo durchaus ein Thema. Mit der höhenverstellbaren Scheibe
hatte ich gestern schon mal rumexperimentiert, mich letztlich aber
für die niedrige Position entschieden, weil die andere wieder
unangenehme Verwirbelungen erzeugt hatte.
Der Tempomat funktioniert prima,
allerdings ist es wie im Auto auch, wirklich über lange Distanzen
kann man ihn hierzulande nicht nutzen. Ein schönes Spielzeug für
die Interstate, aber da nützen mir die 160PS wiederum nichts.
Das Runde über dem Eckigen: Ein Schaltblitz |
Am Kreuz Mainz biege ich ab und hinter
der nächsten Abfahrt stehe ich an einer Ampel. Allerdings in der
Pole. Als es grün wird, ein kurzer Dreh am Griff, mit dem linken Fuß
eine kleine Bewegung nach oben, zweiter Gang, noch mal, dritter Gang,
ich bin schon weit den anderen voraus. Der Schaltautomat mit Blipperfunktion ist eine
feine Sache. Ich kann das Gas einfach stehenlassen und schalte ohne
zu kuppeln rauf und runter nach Belieben. Die letzten Kilometer durch
die Stadt sind eher unspektakulär, ich schlängele mich leichtfüßig
durch den beginnenden Feierabendverkehr, fahre gemütlich mit
Tempomat am Rheinufer entlang und biege kurz vor Schluss noch mal auf
die Tanke ab. Etwas mehr als hundert Kilometer bin ich gefahren seit
gestern, knappe sieben Liter gehen in den Tank rein. Damit stimmte
die Anzeige im Display ziemlich gut, die einen Verbrauch von etwas
über sechs Liter prognostizierte. So ganz sparsam ist das nicht,
aber wer ein Motorrad nach Benzinverbrauch kauft, der hat den Film
eh nicht verstanden.
-Alle Bilder übrigens sind nicht etwa bei BMW geklaut, sondern in der eigenen Garage selbst gemacht!-
-Alle Bilder übrigens sind nicht etwa bei BMW geklaut, sondern in der eigenen Garage selbst gemacht!-
Fazit...wäre das was für dich!
AntwortenLöschenWenn die plötlich neben Gesa in der Garage stünde würde ich mich nicht wehren...
LöschenAber als Ersatz? Nein, dafür sind mit die Vibrationen am Handgelenk zu arg. Und die 160 PS sind wirklich viel.
Ja genau als zweit oder dritt Fahrzeug OK. Ansonsten wäre mir das zuviel. Nicht das es keinen Spaß macht, in den meisten Fällen wird man aber zu schnell damit unterwegs sein.
LöschenSchön nachvollziehbar. Wieder ein echter Minya Bericht!
AntwortenLöschenDankeschön! Ich möchte immer wissen, wie die Dinger fahren. Wie das ist. Daß da eine Menge Engineering drinsteckt, eh klar. Das kann man auch auf der Webseite vom Hersteller lesen.
LöschenLass Dir die Bilder ja nicht umsonst von BMW abschwatzen....so chic bekommen die das nicht hin. ..;-)
AntwortenLöschenWer weiß, vielleicht melden die sich ja bei mir... :)
LöschenIch hätte nichts dagegen.
Ich mag Moppeds die nicht so brav sind! Röhren, vibrieren, ballern......gerne!
AntwortenLöschenOh, ich auch! Hier sind die Vibrationen zum Teil aber unangenehm gewesen, weil mir die Hände davon taub wurden. Da lässt sich dann schlecht gefühlvoll Gas geben, oder bremsen.
LöschenKlingt nach einer sehr spannenden Ausfahrt, liebe Minya. Toller Bericht! :)
AntwortenLöschenDas war wirklich spannend! Das Ding hatte mehr PS als meine ersten beiden Autos zusammen.
LöschenGnadenlos gut fotografiert, Minya.
AntwortenLöschenDankeschön! Ich wollte halt nicht immer am Feldweg stehen und Bilder machen... :)
LöschenSchön geschrieben und phantastische Bilder.
AntwortenLöschenDanke Dir! Keine halben Sachen nach Möglichkeit...
LöschenTolle Bilder zu einem ehrlichen Bericht - das bekommt man nicht überall ;-)
AntwortenLöschenMein Vorteil dabei ist ja, ich bin denen gegenüber zu nichts verpflichtet. Ich kann schreiben was mir so aufgefallen ist und wie es sich für mich angefühlt hat.
LöschenSehr schön und echt interessant. Manchmal wünschte ich, das ich auch ein Stück grösser wäre. Dann könnte ich auch solche Maschinen fahren :(
AntwortenLöschenMit der niedrigen Sitzbank bekommt man sie auf 820mm runter. Das sind zwei Zentimeter weniger als in der Serie. Aber wenn ich mich recht erinnere, dann ist das immer noch zu hoch für Dich, oder?
LöschenDafür kann ich nicht wirklich mit einer KTM Duke 390, oder so, rumfahren. Das würde grotesk anmuten...
Meine Güte, bei dem 'rasanten' Bericht musste ich tatsächlich schneller lesen und mein Puls schoss in die Höhe, vor lauter Aufregung :-)
AntwortenLöschenDas Ding geht aber auch ordentlich zur Sache. Da hast Du recht!
Löschen:)