Donnerstag, 29. August 2019

New Kid on the Blog

 +++11.08.2018+++

Der rote Bahnbus schaukelt der Stadt entgegen. Neben mir liegen die Lederjacke und der Helm. Vor ein paar Wochen war ich schon mal Bus gefahren. Allerdings ohne Lederjacke. Ich hatte nur ein paar Erinnerungen und ein paar Teile, die ich behalten wollte beim letzten Mal dabei. Ich hatte mich getrennt. Getrennt von meinem alten Leben, getrennt von meinen alten Träumen und Hoffnungen, getrennt von meinem alten Beruf. Diese letzte Fahrt war ein echter Einschnitt gewesen. Sie war aber auch der Aufbruch zu etwas Neuem gewesen. Dieses Neue wartete nun in Dreieich, unterhalb von Frankfurt, auf mich.
Von der Bushaltestelle bis zu Tom sind es nur ein paar Meter, die sind mit der neuen Motorradjeans und den etwas leichteren Stiefeln gut zu bewältigen. Nur mit meiner dicken Lederjacke und dem Helm falle ich ewas auf. Dicke Jacke ist heute reichlich overdressed. Tom wartet schon mit Kaffee auf mich, viel Zeit haben wir nicht, denn es ist Sonnabend und da machen die interessanten Läden früh zu. Also gieße ich den heißen Balsam in mich hinein und bald schon rumpelt der Aufzug mit uns in den Keller, wo Toms Auto steht.
In rund einer Dreiviertelstunde Fahrt haben wir uns durch das halbe Rhein - Main - Gebiet katapultiert und stehen in Dreieich vor der BMW Niederlassung. Hier hatte ich meinen Firmenbus neulich abgegeben, hier werde ich heute etwas Neues in Empfang nehmen. Mit Herzklopfen betreten wir den Verkaufsraum. Ich blicke mich um. Mein forschender Blick geht über die Reihen an Motorrädern, die dort versammelt sind. Dort, am Fenster steht sie!
Ich nicke dem Verkäufer zu, der gerade noch anderweitig engagiert ist und wir pirschen uns an. Neu, unberührt, mit Nummernschild, kein Zweifel, das ist sie.
Wir werden noch auf einen Kaffee vertröstet und ziehen ein paar Runden durch den Raum. Die Minuten werden zu Stunden. Dann, endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, kommt der Verkäufer zu uns. Er begrüßt uns, entschuldigt sich für die Verzögerung und bittet uns an die Maschine.
Die wesentlichen Dinge sind rasch erklärt, viel hat sie nicht, keinen großartigen elektronischen Klimbim, reduziert auf das, was man wirklich braucht. Ich bekomme noch eine Tasche mit Waschlotion für Mensch und Maschine mit und wird sie auch schon raus auf die Straße geschoben. Noch einen Hinweis zu den Reifen, und daß sich schon Mancher mit der funkelnagelneuen Maschine auf den ersten Metern auf den Appel gelegt hätte, dann werden Hände geschüttelt und ich stehe mit ihr da. Tom holt bereits das Auto, ich fummele mich in die Jacke hinein, setze den Helm auf und stopfe die Hände in die Handschuhe. Der Schlüssel steckt, also Bein über die Sitzbank, Schlüssel gedreht und Startknopf gedrückt: "Wrommm!" startet der Motor. Die Maschine schüttelt sich und brabbelt im Standgas. Ich schubse mich zurück, stelle die Spiegel ein, entdecke Tom hinter mir und lasse den ersten Gang einrasten. Klick. Langsam das Gas aufgedreht, die Kupplung kommen gelassen, wir fahren.
Ich bin eine solche Maschine schon gefahren, auch schon die Schwestern, aber mit der eigenen ist das doch noch was anderes. Ich biege an der Ampel rechts ab und wir fahren ein kurzes Stück Autobahn, bevor wir wieder auf die Landstrasse zurückkehren werden. Ich möchte eigentlich nicht gleich als erstes ein schnelleres Stück fahren, also belasse ich es bei 80 Km/h. Die nächste Ausfahrt, nach ein paar Kilometern, ist bereits wieder unsere. Danach geht es sehr behutsam durch den südlichen Speckgürtel von Frankfurt, bis wir bei Rüsselsheim wieder die Autobahn zu fassen bekommen. Durch Rüsselsheim durch, das möchte ich Tom nicht antun, also fahren wir gemütlich auf der Autobahn. In Mainz Hechtsheim, noch vor dem Tunnel fahren wir wieder ab und nehmen den Weg durch die Stadt. Bei Tom angelangt, lässt er mich in die Tiefgarage fahren und mich auf seinen Platz stellen. Er selbst parkt draußen irgendwo. Der Motor dröhnt in der Tiefgarage. Ich drehe den Schlüssel, Brapp, aus.
Den Nachmittag verbringen wir in der Mainzer Neustadt, ohne Motorrad, bei den Hofflohmärkten, gegen Abend, kurz bevor es dunkel wird, mache ich mich dann auf den Weg nach Hause. Unterwegs geht die Tankleuchte an, wie versprochen hält die Tankfüllung nicht allzulange.
Am nächsten Tag bin ich früh auf den Beinen und stehe drüben in der Garage. Gesa schaut etwas neidisch auf die Neue im Stall. Ich drehe eine Runde über Laubenheim und Rheinhessen und bin am frühen Nachmittag wieder da. Ein seltsames Gefühl. Die letzten Wochen waren voll von Wechselbädern der Gefühle, dies ist eines davon. Unter anderen Umständen würde ich mich vermutlich noch viel mehr freuen können. So ist es ein sehr seltsames Gefühl, das ich habe. Ich kann es schwer beschreiben. Es ist toll, aber auch traurig, ich bin etwas leer, aber dennoch stolz und auch ein wenig glücklich.
Am Sonntag drauf drehe ich auch wieder eine kleine Runde, diesmal mit einer "richtigen" Kamera ausgestattet. Ich suche mir eine schöne Location und platziere die Maschine. Das Fotografieren fällt mir schwer, ich kann auf der Mattscheibe der Kamera kaum sehen, ob die Bilder scharf sind, oder nicht. Auch auf dem Monitor kann ich es mehr ahnen, als daß ich es genau sehen kann.









Eigentlich ist es Wahnsinn, mit diesen Augen noch Motorrad zu fahren. Aber andere habe ich in diesem Moment nicht. Ich bin noch hin und hergeworfen in meinen Gefühlen. Da ist Angst, ja auch etwas Panik, da ist Ungewissheit und ein großes schwarzes Loch vor mir. Dennoch spule ich bis zum Winter knapp tausend Kilometer mit der Neuen, noch Namenlosen ab. Bis ich im späten Winter endgültig beschließe es zu lassen, bis sich durch die nun endlich anstehenden Operationen Klarheit über die Zukunft zeigen wird.
Über den Winter habe ich auch Zeit, mich an die Neue etwas anzunähern. Und ihr einen Namen zu geben.
Ladies and Gentlemen, darf ich vorstellen? Paula. Von ihrem Charakter ist sie so, wie man sich eine berliner Göre vorstellt. Und die muss eigentlich Paula heißen. Und sie kommt ja auch aus Berlin.
Ein paar Tage später klingelt des Sonnabends der Paketbote. Es ist Post von BMW.


Eine Broschüre...

...und ein Halstuch. Beim letzten Mal gab es einen USB Stick.

6 Kommentare:

  1. Paula....also ist Gesa Geschichte! Und von der Augengeschichte bin ich auch überrascht. Jede Menge los, und tut mir leid zu lesen.
    Gute Besserung in allen Belangen und trotzdem viel Spaß mit Paula...

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    1. Nein, Gesa ist nicht Geschichte! Sie erfreut sich bester Gesundheit! Nur teilen sich jetzt zwei Zweiräder die Garage.
      Die Augensache ist wirklich blöde gewesen. Da war ich auch in meinem Alter eigentlich noch nicht drangwesen damit. Das haben die in der Klinik auch gesagt. Aber, jetzt ist das besser, also blicken wir nach vorne!

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    2. 2 Mopeds....das ist schick. Hab ich ja auch. Allerdings leidet eine immer, wenn die andere bewegt wird...XD

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  2. Ich glaube, das galt dem seltsamen Spampost, den ich entfernt habe.

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