Sonntag, 3. August 2014

Hinter Festungsmauern

Der Briefkastenschlüssel knirscht im Schloß. Mit der andern Hand drehe ich die Post, die ich eben aus dem schmalen Kasten gefischt habe um. Oh, ein Brief von Walter ist dabei. Wieder drinnen öffne ich ihn gleich als erstes. Eine Postkarte ist darin, schwarz und es stehen die Buchstaben "CP" darauf.
Ah, stimmt, da war doch diese Veranstaltung in Koblenz. Davon hatte ich doch auch schon im Internet gelesen. "CP" bedeutet "Classic Photography", das ist eine Veranstaltungsreihe, die sich an alle richtet, Hersteller wie Anwender oder Sammler, die sich mit der klassischen Fotografie befassen. Also der mit Film oder ähnlichem. Ich schaue im Internet nach, die Reihe derer, die sich als Aussteller angekündigt haben, ist kurz, aber es sind zwei interessante Namen dabei. Unter anderem die Firma Spur, ein Hersteller und Erfinder von fotografischen Entwicklern. An denen, beziehungsweise an deren Produkten habe ich schon eine Weile Interesse, aber ich habe im Handel noch keine Entwickler von ihnen gefunden. Am morgigen Sonnabend und am Sonntag gibt es also Gelegenheit die mal kennenzulernen.
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Reichlich früh für einen Sonnabend klingelt der Wecker und nachdem ich Shauna beteuert habe, daß das alles seine Richtigkeit hat, rolle ich mich aus dem Bett. Der Blick auf die Wetterapp im Händi ergibt, daß es im Laufe des Tages durchaus zu Unwettern kommen kann. Na klasse. Nachdem ich jeden Wetterbericht, den ich finden kann, befragt habe, steht es fest: Ich werde da heute hinfahren. Es ist zudem ein guter Test für die Koffer, die ich die Tage abgeholt habe. Die Wetterberichte verheißen allesamt Temperaturen um die dreißig Grad und so knöpfe ich munter das Futter aus der Jacke und verstaue es in einem der Koffer, zusammen mit der Regenkombi. In den anderen kommt ein kleiner Rucksack, in dem sich unter anderem mein Fotoapparat befindet. Ich habe einen Tri X eingelegt, das wird eine würdige Gelegenheit sein.
Nach einem schmalen Frühstück verlasse ich, bepackt wie zu einer Weltumseglung, das Haus und gehe zur Garage rüber. Ich rolle Gesa auf den Hof und baue die beiden Koffer an. Dann fertig angeplünnt und das Bein mit Schwung über die Sitzbank. Los gehts.
Kurz hinter Jugenheim merke ich, daß es etwas verfrüht war das Futter herauszunehmen. Mit meinem Top unter der Jacke wird es reichlich kalt. Die Lüftung der Jacke funktioniert prima. Hinter Ober Hilbersheim beschließe ich, daß in den nächsten Minuten nicht mit plötzlich steigenden Temperaturen zu rechnen ist und ich biege auf einen Feldweg ab und baue das Futter wieder ein.
                          Den rechten Weg einschlagend, mache ich mich weiter auf nach Koblenz

Als ich aus Dromersheim herausbeschleunige habe ich ein paar Tropfen auf der Visierscheibe. Die begleiten mich auch bis Bingen, aber ein echter Regen wird nicht daraus. Durch Bingerbrück geht es wie immer schleppend, die Ampeln sind gegen uns. Danach habe ich dann einen Wiesbadener vor mir, mit seinem Audi, der die große weite Welt erkundet und hier auf der anderen Rheinseite in reichlich unbekanntes Terrain vordringt. So fährt er auch. Ich rechne mit allem, bis hin zur Försterwende, aber nach einer Weile ist die Gelegenheit günstig und ich ziehe rasch an ihm vorbei und lasse ihn im Rückspiegel kleiner werden.
Die Fahrt verläuft herrlich ruhig und ich komme durch die ganzen Ortschaften, die in der Rheinromantikwelle der fünfziger hängengeblieben, heute einen leicht dedeerigen Charme versprühen und ich würde mich über VEB und HO Anschriften keineswegs wundern. Der Verlauf der B9 tut sein Übriges um den Häusern die nötige Patina zu verleihen.
Daß Ferien sind, merke ich daran, daß mir jede Menge Autos und Wohnmobile mit fremden Kennzeichen entgegenkommen und auch haufenweise Motorradfahrer. Teils in Mannschaftsstärke. Mit dem Grüßen komme ich kaum nach.
Was mir wieder auffällt ist, wie viel mehr man mit dem Motorrad sieht und wahrnimmt. Ich entdecke Dinge, die ich mit dem Auto nie gesehen hätte, einfach weil ein Dach, oder ein Holm im Wege wäre.
Dem Mittelrheintal werde ich mich demnächst einmal gesondert widmen, somit sause ich heute eigentlich nur durch. In Brey mache ich dann aber doch einen kleinen Stop.

Diese historischen Wegweiser sind mir schon vor einiger Zeit einmal aufgefallen und ich habe auch heute schon ein paar davon am Wegesrand entdeckt. Die Wegangaben auf ihnen sind in Deutschen Meilen abgefasst und so ist es von hier aus noch eineinhalb Meilen bis an mein Ziel, also was bei zehn Kilometern.

Am Ortseingang von Brey ist auf einer Säule auf einer Verkehrsinsel ein steinerner Kopf angebracht. Als ich vorhin da vorbeikam, hatte ich mich schon gleich darüber gewundert. Nun schaue ich ihn mir genauer an.


Zuerst habe ich ja gedacht, das würde als Mahnmal dort stehen, für einen der seinen Brey nicht brav aufgegessen hat, aber ein Schild auf der Rückseite der Säule verrät was es wirklich mit diesem Kopf auf sich hat.
          Verwirrung: Hatte Lucius nicht bei "Truck Stop" gesungen? Oder war das doch ein anderer?


Um Wissen reicher mache ich mich auf den Weg an den Rhein um das Panorama zu genießen. Es geht eine schöne neue Treppe hinunter und unter der Bahn durch. Dahinter fällt mein Blick auf eine schwarze Stele, und einen Touristen bei der Arbeit.

Als er fort ist, nehme ich seinen Platz ein und tue ebenfalls meine Pflicht an dieser Stelle, nur ohne Fahrrad halt.
                                  Der auserwählte Blick wird durch die Marksburg bereichert.


Als ich gehe, fasse ich einen klaren Gedanken. An dieser Stelle könnte die zuständige Verwaltung eigentlich gleich ein Stativ fest einrichten. Das würde den touristischen Nutzwert immens heben.

Gesa steht noch artig dort, wo ich sie hingestellt habe und ich mache mich fertig, steige auf, stosse uns rückwärts zurück auf die Strasse und fahre zur B9 zurück. An der Kreuzung sehe ich eine Familie, deren Sonnabendvormittagsvergnügen es zu sein scheint, mit Campingstühlen im Hofeingang an der Bundesstrasse zu sitzen und dem Verkehr zuzuschauen. Auch mich haben sie interessiert als willkommene Abwechslung zur Kenntnis genommen. Ich grüße kurz und fahre meines Weges.
Langsam wird es städtischer und es kommt mehr und mehr Beton in Sicht. Ich komme in Oberwerth auf die vierspurige Strasse und fahre hinter dem Hauptbahnhof entlang. Dann biege ich ab in Richtung Lahnstein und stehe an den Ampeln, in Richtung Pfaffendorfer Brücke, durch die Stadt. Hinter dem Fluß folge ich der Strasse in Richtung Ehrenbreitstein durch einen Tunnel. Ich ordne mich rechts ein und biege an der zweiten Ampel ab. Nun schlängelt sich die Strasse durch Niederberg bergan. Als ich schon denke, ich habe die Abfahrt verpasst, kommt schließlich ein Kreisverkehr, an dem es zur Festung Ehrenbreitstein abgeht. Da setze ich meinen Blinker. Es geht durch eine ehemalige Militärsiedlung und dann ein gutes Stück auf dem Hochplateau wieder zurück. Dann versperrt eine mobile Sperre den Weg. Ein Mann mit orangener Weste, der dort postiert ist, ruft mir zu: "Motorradfahrer haben hier immer freie Fahrt!" Oh, danke..! Ich fahre einen langen Weg entlang an Grünanlagen und der oberen Seilbahnstation, bis ich an einen Parkplatz komme. Die Schranke bleibt geschlossen und ein abermaliger Mann mit orangener Weste erklärt mir, daß auch Motorradfahrer hier eine Karte ziehen und bezahlen müssten. Na schön. Ich tue wie mir anempfohlen und die Schranke hebt sich. Ziemlich weit vorne, in der Nähe des Haupteinganges, findet sich dann beim Motorradparklatz eine Tafel mit den Modalitäten, auf die ich mich hier eingelassen habe. Wenn ich bis drei Stunden parken will, kostet das drei Euro, wenn ich in die Festung einzutreten gedenke, dann kostet das Parken nur noch einen Euro pauschal. Der Eintritt kostet sechs Euro und ist auch für mich fällig, denn mein Ziel liegt am hintersten Ende der Festung. Dafür kann ich mir dann auch die sonstigen Ausstellungen anschauen.

                               Der Eingang zur Festung mit dem Emblem der Haager Konvention

Die anderen Ausstellungen lasse ich heute allerdings links liegen, lediglich das Haus der Fotografie nehme ich mit.
Die hohen Festungsmauern umgeben mich und es ist ein bedrückendes Gefühl. Ein Gefühl, das mich immer wieder befällt, wenn ich an solche Stätten komme. Auf jedem Zentimeter ist zu sehen welchem Zweck sie gedient haben. Der Eindruck wird hier noch durch Tondokumente verstärkt, die durch verschiedentlich angebrachte Lautsprecher auf die Besucher rieseln. Da ist Marschmusik zu hören - ich hatte zunächst an ein Militärkonzert geglaubt -, oder das Geräusch von Truppen im Gleichschritt.

                                                   mit verstecktem Hinweis auf mein Ziel...

Für viele Besucher ist dies einfach nur ein weiterer Ort auf ihrer Reise, viele haben sie wohl schon gesehen, an sich vorüberziehen lassen und so laufen sie mitunter recht gelangweilt durch die Mauerschluchten und Gänge. Auf dem großen Platz, mit dem besten Blick aufs Deutsche Eck, bittet mich ein asiatischer Reisender von ihm und den ihn begleitenden drei Damen ein Bild vor der Kulisse des Tales zu machen.
Die Veranstaltung, die ich eigentlich besuchen wollte, entpuppt sich als recht übersichtlich. Es gibt eine kleine Ausstellung schwarzweißer Fotografien und ein paar weitere Stände. Bei der Firma Spur bleibe ich stehen und gerate ins Gespräch mit Heribert Schain. Er zeigt mir seine Entwickler und Drucke nach Negativen, die damit entwickelt sind. Insgesamt unterhalten wir uns sehr angeregt und besuchen schließlich noch die Verdun Fotoausstellung von Martin Blume und Emmanuel Berry nebenan. Am Ende nehme ich zwei Entwickler gleich mit.

Zurück auf dem Parkplatz erwartet mich Gesa, geduldig und begierig daß es weitergeht.



Meine Motorradjacke hatte ich im Koffer gelassen, genauso meinen Helm und war nur mit dem Rucksack als Gepäck aufgebrochen. Aus der Jacke mache ich nun abermals das Futter heraus, denn es ist wirklich warm geworden. Von Gewitter und Unwetter ist weit und breit nichts zu sehen und so mache ich mich, nachdem ich meinen Euro Parkgebühr bezahlt habe, wieder auf den Weg.
Den Rückweg werde ich auf der anderen Rheinseite als auf dem Hinweg nehmen. Zunächst geht es wieder den Berg hinunter bis an die Eisenbahn und dann biege ich links ab. Das Namensschild eines Bestattungsunternehmens "Pohren" fängt meinen Blick und ich überlege, wo ich an der Ampel stehe, ob nicht "Pohren - tief - rein" ein Slogan für die sein könnte, verwerfe aber den Gedanken wieder als es grün wird.

Die Fahrt verläuft bis Braubach auf der schnellstrassenähnlich ausgebauten Bundesstrasse 42 und überquert dabei Lahnstein auf einer respektablen Brücke. Ab Braubach wird es gemütlicher, es ist wieder die alte Strasse am Rhein entlang. Viel Verkehr ist nicht, und wenn, dann wieder wie am Vormittag auch, aus der anderen Richtung. So habe ich gut meine Ruhe und kann fahren wie ich möchte. Lediglich in Kamp Bornhofen geht es etwas stöckerig vorwärts, aber danach habe ich wieder freie Fahrt.
Am hinteren Ende von St. Goarshausen erscheint ein Wegweiser in Richtung Bornich und dem folgend setze ich den Blinker links und biege ab. Da habe ich allerdings das Pech, daß sich vor mich ein Reisebus gemogelt hat. Der wird zur Loreley zur Freilichtbühne wollen, dämmert mir irgendwann als ich mich mit dem Bus zusammen mit kaum vierzig Sachen die Schleifen hochquäle. Der Bus macht einen Höllenlärm und der Ausstoß an dunklen Gasen ist beachtlich. An Überholen ist nicht zu denken, ständig kommen Fahrzeuge von vorne und die Strecke ist denkbar unübersichtlich und eng. Schließlich biegt der Bus oben dann, wie erwartet, zur Freilichtbühne ab. Dort hat auch schon ein Motorradpolizist Stellung bezogen, es ist dort also eine Veranstaltung. Das "Loreley Tattoo", wie ich später erfahre.
Als ich Bornich erreiche, ist es nicht weit bis zu Walter. Ich parke Gesa unter den neugierigen Blicken der Nachbarn vor der Tür und klingele. Ich habe ihm ein paar Prospekte mitgebracht und die möchte ich jetzt abgeben. Wir haben uns eine Weile nicht gesehen und so sitzen wir in der Stube und unterhalten uns lange, bis ich letztlich dann doch aufbrechen muss, da das Barometer nach unten gesackt ist. Draußen scheint zwar noch die Sonne, aber Unwetter muss nicht sein.
Ich fahre die steile Strecke hinunter nach Kaub und dann wieder am Rhein entlang. Nach Regen sieht es dann allerdings doch nicht aus und ich gleite bei schönstem Abendsonnenschein dahin. Zu kalt ist es auch nicht und so bin ich tief zufrieden.
Als ich dann nach einer Weile und zwei Baustellen im Rheingau bin, da scheint es, als hätte es hier doch eben geregnet. Aus den Hängen des Rheingau steigen Wolkenfetzen in der Sonne empor. Die Strasse ist feucht und als ich hinter Frauenstein auf die Schiersteiner Brücke komme, da regnet es auch tatsächlich. Da ich ohnehin tanken muss, fahre ich in Mombach ab und statte Aral einen weiteren Besuch ab. Dort wird dann das Futter erneut in die Jacke gebaut, damit sie wieder richtig wasserdicht ist. Als ich dann in die Stadt komme, ist von Regen und dergleichen Spuk nichts zu sehen. Dort ist alles trocken.

Als Fazit der Fahrt kann ich sagen, daß es ein wunderbarer Tag und eine herrliche Tour gewesen ist. Demnächst werde ich das Mittelrheintal noch mal gesondert unter die Lupe nehmen. Auf der Festung Ehrenbreitstein war ich schon längere Zeit nicht mehr gewesen, das letzte Mal zur Gartenbauausstellung, da war ich beruflich dort.
Die Koffer haben sich voll bewährt, die werden mir vor allem hier bei Fahrten in der näheren Umgebung, oder zum Einkaufen gute Dienste leisten können. Praktisch ist, daß man ihr Volumen verändern kann. Dann passt auch mein Helm gut hinein und ich kann wie ich es heute gemacht habe, Sachen am Motorrad lassen und muss sie nicht mit mir herumschleppen. Die Koffer sind mit einem Griff abgenommen und die Halter hatte Gesa ja ohnehin schon gehabt. Das stört also nicht weiter.



Der Film wurde übrigens mit "Spur Acurol - N", einem dem guten alten Rodinal nicht unähnlichen Hervorrufer entwickelt.





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