Donnerstag, 28. August 2014

Baustellenausfahrt

Gegen Mittag entwickelt sich der Tag in Richtung "nix mehr los" und ich beschließe mich aus dem Staub zu machen. Rasch ist mein gelber Rucksack gepackt und ich habe mich in meine Motorradkleidung gepellt.
Heute habe ich ein besonderes Ziel: ich möchte nach Altleiningen. Dort bin ich schon mal gewesen, das war im Oktober 1982. Ich war elf und wir waren auf Klassenfahrt dort hin gefahren. 34 Figuren in einem Bus für knapp drei Tage in die Jugendherberge.

Wenn man alles aufhebt... Der Brief von der Schule seinerzeit mit der Ankündigung an meine Eltern und die Postkarte, die ich dann von dort geschrieben hatte.
Gesa blubbert wohltuend unter mir, als ich die Handschuhe anziehe und den Helm zuklappe. Gang rein und es geht los.In Wörrstadt stehen die ersten Schilder mit Umleitungshinweisen. Baustellen begleiten einen diesen Sommer, wohin man sich auch begibt. Diesmal betreffen sie mich aber noch nicht, denn ich möchte über Rommersheim fahren. Über den Bahnübergang hinweg komme ich nach Armsheim. Dort biege ich links ab, in Richtung Flonheim. Als ich dort ankomme, weist mich ein Schild am Kreisverkehr auf eine Baustelle auf meiner Route hin. Ich fahre trotzdem weiter in Richtung Bornheim und stehe am Ortseingang an einer Bauampel. Die erste Möglichkeit nutze ich um rechts von der Hauptstrasse abzubiegen. Ich habe vor, mich von hinten an Alzey heranzuschleichen. Ich komme über einen Hügel und vor mir liegt Bös - Bermersheim. Hier war ich doch auch schon mal. Das ist doch der Geburtsort der Heiligen Hildegard (von Bingen)! Ich folge im Ort den Wegweisern und stehe vor der Taufkirche der berühmten Frau.
Gesa lasse ich an der Pforte stehen und stapfe ein wenig um die Kirche herum und schaue mich um.


Nach einer Weile kehre ich zu Gesa zurück und wir machen uns wieder auf den Weg. Nicht weit hinter dem Ort, an der Kreuzung mit der Bundesstrasse landen wir an einer Absperrung. Hier geht es nicht weiter. Ich kann nur links abbiegen und würde so praktisch dorthin zurückgelangen, wo ich in Flonheim abgebogen bin. Das will ich aber nicht. Also fahre ich ein paar Meter auf der Bundesstrasse und biege dann auf die Autobahn ab. Sehr zur Freude eines Autofahrers, der schon an meinem Rücklicht am schnuppern war.
In Alzey verlasse ich die Autobahn und fahre in Richtung Stadt. Am Kreisverkehr ist das andere Ende der Sperrung, die mich auf die Autobahn getrieben hat. Mich kann das jetzt aber nicht mehr tangieren, ich folge der Bundesstrasse in Richtung Grünstadt. In flotter Fahrt geht es bis Flomborn, aber dann ist Schluss mit lustig. Baustelle. Ich folge einem Sprinter und einem Bus auf die Strasse in Richtung Gundersheim, da ich nicht nach Kirchheimbolanden möchte. Das ist erst später dran. In Gundersheim biege ich dann, weiterhin den Bus und den Sprinter verfolgend, Überholmöglichkeiten hat es keine gegeben, in Richtung Bermersheim ab. Dort verschwinden die beiden dieselnden Gesellen dann glücklicherweise beide alsbald ins Industriegebiet. Also freie Fahrt! Ich komme durch Bermersheim (das ist ein anderes als vorhin - puh!) und Gundheim von hinten nach Flörsheim - Dalsheim. Dort kann ich dann hinter der Baustelle wieder auf die B271 biegen und in Richtung Monsheim fahren. In Bockenheim bahnt mir dann ein recht forsch fahrender LKW den Weg durch die schmalen Gassen. Vor Grünstadt schon wieder Baustellenschilder. Ich biege also an der ersten Möglichkeit ab und gelange in ein Industriegebiet. Halt! Was steht da? Metzgerei? Warme und kalte Snacks? Prima! Ich halte an und gönne mir ein Fleischkäsebrötchen. Frisch gestärkt geht es dann weiter in Richtung Zentrum. An einem Kreisel nehme ich die Abfahrt in Richtung Wattenheim. Ich bin richtig, die Häuser habe ich damals aus dem Bus gesehen! Der Strasse folgend komme ich nach Neuleinigen. Hier möchte ich die Burg besichtigen, denn zu der sind wir damals hingewandert.
Ich fahre die Strasse in Richtung Hettenleidelheim hoch und biege dann links ab. Der Weg führt auf Pflaster durch ein Rundbogentor und dann durch eine ziemlich schmale Gasse in den alten Ortskern. An der Kirche ist auch die Burgruine und so ich biege auf den Parkplatz ab.

Gesa ist nicht mit auf den Turm gestiegen, sie wartet unten... Könnt Ihr sie sehen?
Wieder unten, mache ich mich fertig und rolle wieder langsam durch den kleinen Ort. Wir waren damals natürlich aus dem Tal auf Treppen hier hochgestiegen und die Gasse, auf der ich jetzt fahre, habe ich seinerzeit höchstens am Rande mitbekommen.
Ich schlängele mich wieder ins Tal, biege in Richtung Altleiningen ab und stehe schon wieder vor einer Bauampel. Als ich wieder losfahren darf, hat sich ein ganzer Pfropf Autos gebildet, die jetzt in das Tal drängen. So geht es also durch den schönen Wald in Kolonne und ich kann es nicht recht genießen. In Drahtzug- Maihof fällt mir ein Schild auf "Urlaub für junge Pärchen in Maihof" oder so ähnlich. Wer will denn hier Urlaub machen, gegenüber einer das Bild völlig bestimmenden Fabrik? Es ist ein Swingerclub, wie ich später erfahre, der hier auf neue Leute hofft. Ah so...
In Altleinigen angekommen wird es auf einmal haarig. Die Sonne steht mir entgegen und ich folge zwei Autos, die an parkenden Fahrzeugen vorbeifahren. Da ich immer recht viel Abstand lasse, ist als die wieder einscheren, die Strasse für den Gegenverkehr frei, der auch plötzlich vor mir auftaucht. Den Wagen hatte ich nicht als bewegtes Fahrzeug wahrgenommen vorher. Mit knapper Not können wir uns ausweichen. Etwas verunsichert biege ich in Richtung Burg ab und biege, nach einem kurzen Stück bergauf, zum Parkplatz ab. Ich stelle Gesa ab und atme erst mal durch. Ich schaue mich um. Der Bus hatte uns damals da vorne an der Strasse abgeladen, meine ich. Von irgendwoher dringt Rauschen an mein Ohr. Ich gehe auf die Brücke zur Burg. Da ist ein Schwimmbad im Burggraben! Gab es das damals auch schon? Oder hatte das nur geschlossen, weil ja schon Oktober war? Ich bin überrascht.

Ein Schwimmbad? Wo kommt das denn her?
Ich gehe durch das Tor auf den Hof und auf einer schmalen Treppe zum Ruinenteil der Burg.

In dem Fenster hatte ich damals gesessen

Dieser Tisch und die Tischtennisplatten, waren die auch schon da gewesen? Ich glaube nicht. Ich schaue in den Burghof.

Das Gebäude sieht anders aus. Es war seinerzeit nicht verputzt gewesen und es hatte auch kein Dach gehabt. Dafür war über dem Eingang noch eine Verzierung angebracht, die heute fehlt. "Mein" Zimmer war im ersten Stock, neben dem Blitzableiter.
Ich kehre zu Gesa zurück und überlege, wie ich weiterfahren soll. Da gibt es doch diese kleine Strasse unten im Tal. Die müsste doch in Richtung Hettenleidelheim gehen. Ich mache mich also fertig und rolle langsam im ersten Gang wieder vom Parkplatz und biege rechts ab. Es ist eine wirklich kleine Strasse. Kaum breiter als ein Auto und praktisch gar nicht begrenzt. Als ich vollkommen begeistert unten im Tal ankomme, biege ich in Richtung Wattenheim links ab und folge dem schmalen Asphaltband in den Wald. Es ist traumhaft. Nach kurzer Zeit erscheint allerdings so ein Muttipanzer im Rückspiegel. Ich drehe etwas am Gashahn und kann ihn auf Abstand halten. Sonnenlicht fällt in Streifen auf die Strasse, ich bin oft geblendet und kann die Strasse nur ahnen, da sie dann wieder im Dunkel liegt. - POAH!!- Was ist das??- Auf einmal biegt die Strasse um gut 120 Grad nach Rechts ab!! Ich gehe voll in die Hemme und werfe den Anker. Da kommt noch einer von rechts! Ach du je. Im letzten Augenblick gelingt es mir das Ruder rumzureißen und ich habe Glück daß es sich ausgeht. Ich habe diese Biegung nicht sehen und nicht ahnen können. Die Strasse ist nicht markiert gewesen und geradeaus ging ein Weg weiter auf einen Hof. Noch dazu lag das für mich im Dunkeln. Normalerweise stehen an solchen Stellen diese rot / weißen Tafeln - Fehlanzeige. Die Begrenzungslinie kann ich im Strassenstaub kaum ahnen.
Es geht den Berg rauf und als nach ein paar hundert Metern wieder so was ähnliches kommt, bin ich darauf vorbereitet. Da gerate ich nur ins Stocken, weil nicht wirklich ersichtlich ist, wo die Strasse nun wirklich weitergeht. Ich bin froh, als ich wieder auf einer "normalen" Strasse bin und in Richtung Autobahn steuere. Vor Hettenleidelheim - schon wieder Baustelle. Also geht es außen herum nach Eisenberg. Eigentlich wäre ich gerne durch die Ortschaften gefahren, aber dann halt nicht. Hinter Eisenberg biege ich in Richtung A63 ab und fahre den Berg rauf. Oben gibt es einen Wegweiser nach Marnheim. Da will ich hin. Aber - was ist das? Da steht ein Schild, daß es dort eine Baustelle gibt? Der Weg zur Pfrimmtalbrücke sei aber frei. Das ist ein Versteckter Hinweis an den Ortskundigen, wie sich herausstellt. Die Pfrimmtalbrücke liegt am Ortsende und wenn man dort hin kommt, dann kommt man auch weiter. Ich fahre also ungerührt an dem Schild vorbei. Und siehe da: es klappt wunderbar!

Reste der zu Kriegsende zerstörten Pfrimmtalbrücke. Sie war Teil der Eisenbahnstrecke von Mainz über Alzey nach Kaiserslautern.

Gegen den Berufsverkehr zuckele ich in Richtung Kirchheimbolanden und dann weiter in Richtung Alzey. Gesa läuft sehr gut, als ich hinter Kirchheimbolanden den Berg hinaufbeschleunige, wir fliegen durch die breite Allee auf der Hochebene und es ist wunderbar. Vergessen sind die blöden Dinge von vorhin und ich fühle mich einfach gut.
Alzey lasse ich in Richtung Gau Köngernheim hinter mir und fahre weiter nach Gau Odernheim. Diesmal nehme ich die neue Umgehungsstrasse, die auf dem ehemaligen Bahndamm verläuft. Als ich am Ende am Kreisel wieder auf die normale Strasse biegen will, gibt es einen kurzen Schreckmoment. Gesa rutscht, oder hopst - so genau kann ich das nicht sagen - ein wenig mit dem Hinterrad. Die Strasse war völlig trocken. Ich muss mich schwer zusammenreißen, damit ich die Verkrampfung wieder gelöst bekomme und aus dem Kreisel hinaus in die andere Richtung lenken kann. Die letzten Kilometer nach Hause kann ich mich zwar wieder beruhigen, aber ich empfinde sie trotzdem als anstrengend. Als Gesa wieder tickend in der Garage steht, als ob nichts gewesen sei, bin ich heilfroh.

Die Fahrt war zweigeteilt. Auf er einen Seite war sie wunderschön, ich bin an Orte gekommen, wo ich wahrlich lange nicht mehr gewesen bin und ich bin ein gutes Stück gefahren. Es waren tolle Landschaften und tolle Strassen. Aber auf der anderen Seite waren da auch diese drei blöden Erlebnisse. Ich weiß nicht, ob ich im Umgang mit der Situation alles richtig gemacht habe, ich habe zumindest mal nicht alles falsch gemacht um sie zu bewältigen. Es bedeutet aber, ich muss noch vorsichtiger sein und auf noch mehr achten. Die Sinne geschärft hat es allemal.





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