+++14.05.2017+++
Am Morgen reißt mich der Wecker des Händis wieder hoch. Es ist schummrig im Zimmer. Über Nacht hat es etwas geregnet und die Prognose für den Tag sieht auch nicht so richtig übermäßig goldig aus.
Als ich in den Frühstücksraum komme, habe ich bereits bezahlt und meine Sachen weitestgehend gepackt. Der Frühstücksraum mutet auch wieder nach einer Mischung aus Jugendherberge und kirchlicher Bildungseinrichtung an. Ich suche mir einen Tisch und mache mich auf den Weg ans Buffet. Das Frühstück ist letztendlich gut, allerdings entdecke ich niemanden von meiner Reisegruppe unter den anderen Leuten. Der Altersdurchschnitt liegt bei weit über 60. Am Nebentisch nehmen ein paar jüngere Leute vom
Motorrad Action Team Platz, nehmen aber von mir keine großartige Notiz. Ich bin jetzt nicht mehr die einzige mit Motorradklamotten.
Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg, hole meine Sachen aus dem Zimmer, verstaue sie an Gesa und frage am Empfang noch mal nach dem Weg. Den kann man mir auch nicht wirklich erklären, nur die grobe Richtung kann man mir geben.
Ich rolle die Straße zurück zur Bundesstrasse und biege nach links ab. Es geht ein paar hundert Meter und danach kann ich dann nach rechts abbiegen. Die Straße ist stellenweise autobahnähnlich, es wird aber bald ländlicher. Als ich nach Boxberg komme, finde ich nur spärliche Hinweise auf mein Ziel. Ich finde es fast mehr aus Zufall und durch die Mithilfe von Guugel Maps. Der Betreiber meines Zielortes ist vermutlich nicht an allzuviel Publicity interessiert. Die Firma
Bosch betreibt hier eine
Testanlage, auf der Prototypen erprobt werden, aber auch Fahrzeugkomponenten in nach außen hin normalen Serienfahrzeugen. Am Eingang kann ich jedoch erkennen, daß ich richtig bin. Es kommt auch gleich jemand auf mich zu und fragt mich, wer ich bin und was ich will und ich bekomme daraufhin einen Parkplatz zugewiesen und den Hinweis, mich bitte am Empfang zu melden.
Vom Empfang werde ich weitersortiert in den hinteren Teil des Gebäudes, dort findet sich ein größerer Aufenthaltsraum mit einer weiteren Anmeldung. Hier bin ich endlich richtig. Ich sehe ein paar bekannte Gesichter und kann kurz Hallo sagen, dann werden wir alle in einen angrenzenden Konferenzraum zum Briefing geladen. Es wird mehrere Gruppen geben, die farblich markiert werden und die den Tag abwechselnd mit anderen Aktivitäten verbringen. Ich bekomme einen blauen Punkt auf den Helm geklebt. Es folgt die übliche Belehrung, daß wir nichts tun sollen, was man normalerweise auch im Straßenverkehr nicht tut, man erklärt uns auch noch mal die Regeln für das Fahren im Konvoi und dann geht es auch schon los. Ich bin in einer Gruppe gelandet, die zunächst die geführte Tour fahren wird. Es wird besprochen, daß bei den Stops die Motorräder auch mal getauscht werden und somit jeder eigentlich mal alles fahren kann.
Die Motorräder stammen alle von
Triumph, ich befinde mich auf dem Tryday 2017.
Ich ergattere als erstes den
Bobber. Ich sitze tief, ähnlich wie auf der
Iron 883, allerdings etwas weiter nach vorne gespannt. Die Maschine macht einen für Triumph üblichen guten Eindruck. Unsere Ausfahrt beginnt. Die Maschine läuft markig, aber nicht unangenehm. Vom Auspuff hätte ich mir etwas mehr erwartet. Die Federung ist nicht zu sanft. Ein schönes Gerät, aber nicht für längere Strecken. Soviel merke ich sehr rasch. Zumindest nicht für jemanden meiner Größe. Man sitzt sehr niedrig. Ich habe immer das Gefühl, ich setze gleich mit irgendwas auf. Das lässt mich in den Kurven etwas unrund fahren. Ansonsten ist die Maschine 1a. Sie beschleunigt gut, läuft gut. Wir haben ein Wiesental durchfahren und sind durch ein paar Ortschaften gebrummt und kommen irgendwann an eine kleine alte Brücke. Hier hält der ganze Tross inne und wir beschauen erst mal die Motorräder und machen Bilder und dergleichen.
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Liebevolle Details |
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Das Schlüsselloch ist klassisch etwas versteckt. |
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Man denkt zuerst "Boah, Starrahmen!" Ist aber keiner. |
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Lenkerschloss. Manches ändert sich nicht. |
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ABS. Eh kloar. |
Danach wird das erste Mal getauscht. Ich lande auf der
Bonneville T120 Black.
"Bonneville" spricht man im übrigen Bonnevill. Also mit dem "e" in der
Mitte. Aber ohne das am Ende. Auf der Bonnie sitze ich gleich richtig.
Als ich schon mal eine Bonneville gefahren bin, kam sie mir sehr klein
vor. Das hat sich etwas relativiert.
Auf der T120 sitze ich echt gut.
Der Motor blubbert sehr angenehm, er ist nicht zu laut, hat aber dennoch
einen markigen Spruch. Wenn ich Gas gebe, dann passiert auch wirklich
etwas und in Kurven verhält sie sich sehr neutral.
Sie hat beinahe etwas
fahrradhaftes an sich.
Wir schlängeln uns eine Weile um die ehemalige
Schmalspurbahn von Möckmühl nach Dörzbach herum und haben schon ein paar
Male die ehemalige Bahntrasse gequert, da kehren wir zur ersten Pause
ein. Erst mal Kaffee! Es ist Sonntag und wir sind die ersten Gäste des
Tages mit diesem wirklich befremdlichen Wunsch. Die Leute in der
Wirtschaft geraten reichlich ins Schwitzen. Wir sitzen draußen und
schauen ins Grüne. In der Nähe plätschert ein Flüsschen. Der Himmel ist
in der Zwischenzeit etwas verhangen, aber es ist milde und es sieht noch
nicht nach Regen aus.
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Alles schwarz, auch die Auspuffanlage. |
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ABS. Klarer Fall. |
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Das ist kein oranger Effektstein, oder sowas, das ist nur meine Kamera, die sich spiegelt. |
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Die Sitzbank sieht nur auf dem Bild so sehr nach Plaste aus. |
Nachdem wir wieder gestartet sind, haben wir alle erst mal die Motorräder behalten, die wir gerade hatten. Das bedeutet, ich sitze wieder auf der T120. Ich muss sagen, ich komme gut mir ihr zurecht. Besser fast noch, als mit der
Scrambler seinerzeit in Österreich. Die haben wirklich was gemacht. Das Motorrad, das ich hier unter mir habe, ist durch und durch modern und hat nur die äußere Form eines klassischen Motorrades. Die Anzeigen sehen noch oldschool aus, aber darunter werken moderne Gerätschaften. ABS ist heutzutage obligatorisch, eine Traktionskontrolle hat sie auch. Hier bleibt kein Wunsch auf der Strecke. Die Bremsen funktionieren gut, das können sie jetzt mit ABS ja auch bedenkenlos. Da muss man bei der Konstruktion keine Rücksicht mehr nehmen. So schwingen wir noch etwas durch die Landschaft, bis wir tatsächlich wieder wechseln. Nun komme ich auf der
Thruxton R zu sitzen. Sie ist mit einem der
Inspiration Kits versehen und bringt somit eine Halbverkleidung und hat einen Stummellenker. Ich habe zunächst etwas Respekt, weil ich bei sportlichen Motorrädern bei meiner Größe immer das Gefühl habe, ich werde jetzt gleich über den Lenker nach vorne fallen.
Hier ist das nicht so. Sie fährt sich aber für mich zunächst sehr ungewohnt. Ich hänge mit meinem ganzen Gewicht auf den Lenkerstummeln. Da kommt mir der Gedanke, die Hände zu entlasten und den Bauch anzuspannen. Das funktioniert sehr gut und augenblicklich verwandelt sich das Motorrad in ein Skalpell. Die Radien sind fast gedankengesteuert zu fahren und man hat das volle Vertrauen. Wenn man eine gewisse Geschwindigkeit erreicht hat, trägt einen auch das Luftpolster ein wenig, aber davon kann ich mir her auf der Landstraße nicht zu viel erwarten.
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Bitte mit weißen Stulpenhandschuhen zu fahren. |
Auf der einen Seite bin ich froh, daß diesmal recht rasch noch mal die Bikes getauscht werden, auf der anderen Seite hatte ich mich gerade mit der Thruxton angefreundet. Dafür darf ich abermals die T120 übernehmen. Die Scrambler ist schon wieder vergeben. Vielleicht klappt es ja noch!
Doch wir sind bald wieder in Boxberg am Gelände und sehen zu, daß wir noch rechtzeitig zum Mittagessen kommen.
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Foto: Motor Rausch |
Nach dem Essen geht es für uns in den Ring. Die Bosch - Teststrecke hat eine Ringbahn mit Steilkurven und mehrere andere Flächen in der Mitte, auf der verschiedene Sachen erprobt werden können. Unter anderem etwas, das sie "Stilvser Joch" nennen und das einem mit Haarnadelkurven versehnen Fahrradweg ähnelt.
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Foto: Motor Rausch |
Wir bekommen einen Instruktor vom Motorrad Action Team beigestellt, der
uns ein paar Dinge zeigt und erklärt. Und der Übungen mit uns fährt. Das
ganze geht sehr rasch und mit hohem Tempo und ich finde mich bald auf
einer Tiger Sport wieder und kurz darauf auf einer
Speed Triple,
hier sind alle verfügbaren Varianten am Start, und dann wieder auf
verschieden großen Tigern.
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Foto: Motor Rausch |
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Foto: Motor Rausch |
Irgendwann kommt dann das Highlight des
Tages. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke. Das ist das Oval um uns herum,
mit den beiden Steilkurven. Wir fahren zunächst langsam ein und rollen
langsam einmal in der Runde. Die Steilkurven sind wirklich steil. Danach
stellen wir uns am Rand auf. Es sollen immer zwei von uns gleichzeitig
fahren.
Und wir sollen uns an die Geschwindigkeitsbeschränkung halten.
Aye, aye. Ich presche los. Die Street Triple unter mir ist sehr klein, aber sehr markig. Sie spurtet los und wir dröhnen bald mit knapp 180 Sachen um die erste Kurve. Das ist ja der Hammer!! Das ist fast wie geradeausfahren. Nix mit in die Kurve legen oder so. Vor der zweiten Kurve steht ein Schild "160". Ah. Die Geschwindigkeitsbeschränkung.
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Foto: Motor Rausch |
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Foto: Motor Rausch |
Als ich wieder auf der Geraden bin, komme ich knapp an die 200 ran. Da hebt es mir schon beinahe den Helm vom Kopf. Ich merke, wie er nach oben wandert und der Kinnriemen alleine schlimmeres verhindert. Nach der zweiten Runde tauschen wir wieder die Bikes. Jetzt habe ich die große Tiger unter mir. Das geht gleich ganz anders. Allerdings vom Windschutz merke ich auch nicht so sensationell viel. Das wummert und dröhnt... Ich lande wieder auf der
Tiger Sport.
Einer Maschine, der ich bislang keine große Beachtung geschenkt habe,
mit der ich aber vergleichsweise gut zurecht komme. Uli wollte sie mir
schon einmal andienen, als die Fahrt zu den
Tridays anstand, aber ich
hatte mich seinerzeit auf die Scrambler versteift. Auf der Autobahn
hätte ich wirklich mehr Laune mit ihr gehabt, denke ich, als ich durch
das Rund brause. Nach ein paar Runden müssen wir den
Hochgeschwindigkeitskurs räumen und verziehen uns auf ein anderes Areal.
Hier werden eine recht verschlungene Strecke fahren und unter anderem
auch mit dem kleinen "Stilvser Joch" konfrontiert. Hierbei macht sich
die Tiger Sport auch wieder recht gut. Es dauert nicht lange, da sitze
ich schon wieder auf einem neuen Bike und jage um den Kurs. Das ist die
Tiger 800. Mit ihr komme ich erwartungsgemäß auch gut zurecht. Sie ist
Gesa halt recht ähnlich, allerdings hat der Motor naturgemäß einen
anderen Charakter. Ich fahre die Strecke auch noch mit den beiden Street
Triple Varianten. Mit ihnen komme ich wegen meiner Größe gerade in
diesem Parcours nicht wirklich zurecht. Ich kann damit fahren, aber
nicht gut.
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Foto: Motor Rausch |
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Foto: Motor Rausch |
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Foto: Motor Rausch |
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Foto: Motor Rausch |
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Foto: Motor Rausch |
Uli zeigt uns, wie man mit der Triple richtig fährt, er hat
das auch schon oft genug geübt und hat entsprechende Expertise darin.
Wir bekommen aber auch noch eine Einweisung, wie man besser auf dieser
Strecke fahren kann. Am Ende kommen wir damit ganz gut zurecht.
Zum guten Schluß erwartet uns noch eine Pressekonferenz, danach ist dann Heimreise angesagt. Als wir im Saal sitzen geht draußen ein Gewitter nieder. Es schüttet und gießt wie aus Eimern. Gut, daß wir gerade drinnen sind. Ich hoffe, daß bis zum Heimweg es wieder trocken sein wird, aber habe damit nicht wirklich Glück. Zwar regnet es nicht mehr, oder nicht mehr viel, aber es ist immer noch alles triefend nass. Das riecht nach Regenklamotten, zumal in der Richtung, in der ich will, noch dunkle Wolken hängen. Ich laufe also rüber zu Gesa unnd hole meine gelbe Pelle. Ich sehe zu, daß ich sie im Trockenen angelegt bekomme und nach reichlich Verabschiedung geht es dann los.
Ich biege zunächst aus dem Gelände kommend, nach links ab. Der Plan ist, praktisch den gleichen Weg wieder zurück zu fahren, den ich gestern gekommen bin. Nur, daß ich nicht nach Worms und Kibo will. Ich verfranze mich einmal, die Straße, die in der Karte steht, gibt es einfach nicht, es ist nur ein kleiner Feldweg und ich frage mich durch zur nächsten größeren Straße nach Walldürn. Nachdem ich beim ersten Anlauf Schulterzucken geerntet habe, bekomme ich beim zweiten, den ich frage, eine brauchbare Antwort.
Ich brumme also munter los und tatsächlich komme ich dort raus, wo ich hinmöchte. Von Walldürn geht es nach Armorbach, die Straße habe ich fast für mich alleine. Der Regen hat schon lange aufgehört und ich dampfe in meinem Regenzeug mit der Straße um die Wette. Ich komme irgendwann wieder in Michelbach an und beschließe noch einmal zu tanken und dann auch die Regenkombi auszuziehen. Das Regenradar auf dem Händi zeigt auch nichts mehr an und so kann ich beruhigt die Pelle abstreifen und auf dem Sitz hinter mir festschnallen. Weiter gehts. Ich halte nun auf Darmstadt zu und fahre auf Bad König zu.
Die Ortschften am Wegesrand hören auf so hübsche Namen wie "Etzengesäß" und "Frau - Nauses". Irgendwo geht es nach "Zipfen". Eine heimelige Ecke. Wenn ich nicht nach Dieburg will, muss ich bald was unternehmen. Es kommt eine B26, die mich nach Darmstadt bringen wird. Die ist allerdings vierspurig. Egal. Dafür kann ich zum Teil fahren, so schnell ich will. Irgendwann wird die Gegend vertraut. Hier war ich unlängst zur Vorbereitung auf die Fahrpraktische Prüfung. Darmstadt ist zum Auto - oder Motorradfahren nicht die tollste Stadt, die man sich vorstellen kann. Letztlich aber ist es ein Klacks für mich, mich durchzumanövrieren. Bald bin ich am Loop5 vorbei und halte auf Groß Gerau zu. Von hier dauert es nur noch runde zwanzig Minuten, bis ich in der heimischen Garage stehe.
Boah! Was für eine Reise! Was für megacoole Erlebnisse! Steilkurve! Hammer! Ich kann es noch gar nicht fassen. Auch am nächsten Tag in der Schule fällt es mir schwer, nicht mit dem erlebten zu prahlen.
Wie waren aber die Bikes? Ein Wort, nein zwei: Sehr gut. Was mir wieder besonders gefallen hat, das ist die Bonneville Reihe, mit all ihren Ablegern. Leider bin ich die Street Twin nicht gefahren und auch die neue Scrambler nicht. Aber der Bobber und die Thruxton R - großes Kino. Die T120 könnte ich mir gut als zweites Motorrad vorstellen. Sie ist rundherum gut gelungen. Es ist ein durch und durch modernes Motorrad, mit deutlichen Anleihen an die "Gute alte Zeit˜". Das sieht nicht nur gut aus, das fährt auch gut. Die auf "alt" getrimmten Teile stehen ihr sehr und sie ist eine wahre Augenweide. Wenn man sie in der Black - Version nimmt, dann ist wirklich alles schwarz, bis auf den Sitz, Der ist dunkelbraun. Ähnlich wie die Nine T von BMW ist auch sie ein Motorrad, das zum Umbauen, weiterbauen, abändern einlädt. Den Gedanken sind hier kaum Grenzen gesetzt. Ich denke, das ist auch eine Bonnie, die auch
Sonja interessieren könnte. Denn sie hat sich immer eine mit ABS gewünscht. Kann geliefert werden.
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